Neue gestalterische Möglichkeiten: Vor zehn Jahren hat der 3D-Druck als neuartige Technologie einen Hype erlebt. Nun bringt ein natürliches Material neuen Schwung in die Technologie: Pionier-Unternehmen wie Additive Tectonics oder Aectual drucken Objekte aus Holz und werben mit Formenvielfalt und Nachhaltigkeit.
Von Martina Metzner
Wer zur vergangenen Designweek in Mailand die Ausstellung Alcova besucht hat, konnte sich von einer Pionierleistung überzeugen. Der Designer Harry Thaler präsentierte zusammen mit Additive Tectonics Objekte aus 3D gedrucktem Holz, die die Blicke auf sich zogen. Gleich am Eingang der Villa Bagatti Valsecchi konnte man auf einem riesigen Sessel Platz nehmen, der mit seiner schlauchartigen Rückenlehne an aufblasbare Schwimminseln erinnerte. Daneben konnte man sehr hohe Leuchten aus „Econit Wood“ entdecken, wie Additive Tectonics das Material nennt. Eingebettet war die Szenerie in eine Dünenlandschaft aus feinen Holzpartikeln, aus denen die Objekte gedruckt wurden und die sich wie Sand anfühlen.
Der 3D-Druck hat vor rund zehn Jahren als neuartige Technologie einen Hype erlebt. Seitdem hat sich das Verfahren vor allem im Maschinenbau, der Luft- und Raumfahrttechnik, aber auch im Modell-, Anlagen- und Automobilbau etabliert. Dass der 3D-Druck mit dem Werkstoff Holz im Design neuen Schwung bekommt, ist nicht verwunderlich. Die Zeichen der Zeit stehen auf nachwachsende natürliche Rohstoffe, die kreislauffähig, nachhaltig und ressourcenschonend eingesetzt werden. Da war es fast zwangsläufig, dass sich einige Firmen zeitgleich mit der 3D-Druck-Technologie mit Holz beschäftigen und diese parallel auf den Markt bringen. Das Unterfangen ist durchaus komplex und hat die Überraschung auf seiner Seite, dass sich der natürliche Werkstoff auch zum Drucken eignet.
Durch die Technologie der Pulverbettfusion härten die gedruckten Stellen aus, das Restmaterial wird abgesaugt. Im Hintergrund: Harry Thaler | Foto: Samuel Rosport
Große Gestaltungsfreiheit
„Wir wollten mit der Ausstellung zeigen, was mit 3D-Druck aus Holz alles möglich ist“, sagt Harry Thaler. Der Südtiroler Designer ist bekannt für seine Arbeit mit außergewöhnlichen Materialien und Verfahren – etwa bei seinem erfolgreichen „Pressed Chair“ für Nils Holger Moormann. Dass Thaler und Additive Tectonics zusammengekommen sind, kann man daher als Glücksfall bezeichnen. Zu Beginn der Zusammenarbeit hatte Bruno Knychalla, Geschäftsführer von Additive Tectonics, den Designer aufgefordert: „Harry, lass dich beim Entwerfen einfach mal gehen.“ Das Design sei dann sehr schnell entstanden, so Thaler. Alle Teile von „Printed Nature“ wurden in zwei Durchgängen und innerhalb von sechzehn Stunden gedruckt. Nur die Oberfläche wurde noch etwas geschliffen. Im Inneren sind der Stuhl und die Leuchten hohl und weisen Wandstärken von 1,5 Zentimetern auf. „Man braucht nur auf den Knopf drücken, keine Werkzeuge“, erzählt Harry Thaler fasziniert.
Ressourcenschonende Technologie
Neben Additive Tectonics aus Lupburg in der Oberpfalz haben auch Aectual aus den Niederlanden und Forust aus den USA vor kurzem Technologien auf den Markt gebracht, mit denen Holz in industriellem Maßstab dreidimensional gedruckt werden kann, wobei sich Technologie, Material und Formensprache bei den Unternehmen erheblich unterscheiden. So versteht sich Additive Tectonics als Dienstleister für Bauunternehmen, Architekt*innen, Möbelfirmen, Designer*innen und Künstler*innen und stellt vor allem Halbfertigteile her. Aectual hat sich als Marke etabliert und bietet eigene Produkte wie Raumteiler oder Blumentöpfe an. Und Forust vertreibt die Maschinen, mit denen man im kleinen Maßstab Komponenten aus Holz drucken kann. Allen gemeinsam ist, dass sie den 3D-Druck als besonders ressourcensparende Technologie propagieren: Es gebe keinen Verschnitt, alles überschüssige Material könne beim nächsten Druckvorgang wiederverwendet werden – ohne Qualitätsverlust. Obendrein sei Holz ja ein CO2 Speicher. Vor allem aber böten sich neue Gestaltungsmöglichkeiten: „Mit dem 3D-Druck aus Holz lassen sich Geometrien generieren, die mit den bisherigen Materialverfahren nicht möglich waren – vor allem doppelt gekrümmte Flächen“, sagt Knychalla. Der Nachteil: Noch sind die Verfahren im Vergleich zu standardisiert hergestellten Bauteilen und Objekten teurer. Schaue man aber auf den Bereich individueller Fertigung, könne der 3D Druck preislich mithalten.
Knychalla hat bei Achim Menges am Institute for Computational Design and Construction an der Universität Stuttgart studiert und Additive Tectonics 2020 mit der Idee gegründet, den 3D-Druck in die Architektur zu bringen. Die Faszination für die additive Fertigung wurde ihm dabei quasi in die Wiege gelegt. Seinem Onkel gehört die FIT Additive Manufacturing Group in Lupburg – seit Jahren eine feste Größe in der Branche. Additive Tectonics ist eine Tochterfirma der FIT, sitzt am selben Standort und nutzt zum Teil vorhandene Ressourcen. Die Maschinen mussten allerdings speziell gebaut werden. Herzstück ist ein Pulverbett-Drucker mit einem Fassungsvermögen von 10 Kubikmetern. Dieser und weitere Roboter für den 3D-Druck stehen nun in einer eigens erbauten 1000 Quadratmeter-Halle. „Ein großer Invest“, erzählt Bruno Knychalla, der ohne die FIT nicht machbar gewesen wäre.
Eine Mischung aus Holz, Salz und Magnesium
Zusammen mit der TU München hat Additive Tectonics sieben Jahre lang das Material und das Verfahren für den 3D-Holzdruck entwickelt. Dabei wird eine Schicht aus kleinen Holzpartikeln, die mit Magnesium vermischt sind, immer wieder auf das Druckbett aufgetragen. Darüber fährt dann eine Schiene, die durch 2.500 Düsen Salzwasser auf die zu druckenden Stellen spritzt, wodurch diese aushärten. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Magnesium gleichzeitig feuerhemmend wirkt, so dass die so gedruckten Objekte eine Brandschutzklassifikation für öffentliche Zwecke erhalten. Hat der Drucker seinen Job erledigt, wird das überschüssige, nicht ausgehärtete Material einfach abgesaugt und das fertige Objekt tritt zu Tage. Der Rest des Materials wird für den nächsten Druckvorgang verwendet. „Wir nehmen dafür Ausschuss-Holz, das sonst zu Pellets verarbeitet würde – vor allem Buche“, erklärt Knychalla. Das Holz wird so zerkleinert, dass die einzelnen Partikel fast quadratisch sind. Das gewährleistet eine Robustheit des finalen Objekts,da die Fasern das Material in alle Richtungen stabilisieren. Weiterverarbeiten lässt sich das fertige Objekt mit herkömmlichen Schreinerei-Maschinen.
Konzentration auf die Elemente der Architektur
Bei Aectual in Amsterdam arbeitet man mit einer anderen Technologie für den 3D-Holzdruck. Hans Vermeulen, Hedwig Heinsman und Martine de Wit haben das Unternehmen 2017 gegründet, nachdem sie sich zuvor mit dem „3D Print Canal House“ – einem kleinen dreidimensional gedruckten Pavillon aus Kunststoff in Amsterdam – einen Namen gemacht hatten. Im Zusammenspiel mit Architekten wie MVRDV oder Brands wie Nike oder Hermès entwickelt das Team heute mit seinen sechs eigens entwickelten Industrierobotern ausgefallene und individuelle Designs. „Uns war klar, dass der Markt für dreidimensional gedruckte Häuser noch nicht so weit ist, deshalb konzentrieren wir uns auf die Elemente der Architektur“, so Hans Vermeulen. Das von Aectual eingesetzte Fused-Deposition-Modelling-Verfahren, kurz FDM, arbeitet mit erhitztem, flüssigem Material, das per Düse schichtweise aufgetragen wird und beim Abkühlen aushärtet. Oft entwickelt Aectual das Material aus Abfallstoffen der Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, um den Kreislauf zu schließen (im Fall von Tetra Pak zum Beispiel mit recycelten Getränkekartons).
Brandschutz gewährleistet
Auch Aectual hat lange experimentiert, bis die richtige Technologie gefunden war. Probleme gab es vor allem mit der Erhitzung des Materials, das anfangs während des Druckprozesses zu brennen begann. Das habe man inzwischen im Griff, versichert Vermeulen; das Resultat sei für den Brandschutz in öffentlichen Bereichen zertifiziert. Als Basis-Material verwendet Aectual Zellulosebrei, der bei der Papierherstellung als Reststoff anfällt, vermischt mit mineralischen Füllstoffen. Als Bindemittel dient Lignin, der holzeigene Klebstoff und ein Bio-Polymer, sowie Zellulose. Das Material ist stabil: „Es bricht nicht“, so Vermeulen. Eine Herausforderung sei allerdings die Schrumpfung während des Erkaltens. Das finale Material fühlt sich natürlich an, ist biologisch abbaubar und zirkulär, weist aber weniger holzähnliche Qualitäten auf als Econit Wood. Die Namen „Birke“, „Eiche“ und „Ahorn“, die etwa für Raumteiler angeboten werden, beziehen sich auf Einfärbungen und nicht auf das verwendete Holz.
Kombination mit Pilzmyzelien
Das Interesse am 3D-Holzdruck sei groß, bestätigen sowohl Additive Tectonics mit Econit als auch Aectual, die stellenweise auch zusammenarbeiten. „Wir sind eine Szene, die versucht, gemeinsam den Markt aufzubauen“, sagt Bruno Knychalla. Vor allem springen jetzt Designer*innen auf, da diese Erfahrungen mit 3D-Modellierungen haben. Architekt*innen seien weitaus zögerlicher, da beim Bauen mehr mit Zulassungen und Gewährleistung gearbeitet werden muss als im Produkt- oder Möbeldesign. Gerade im Innenausbau seien die Möglichkeiten vielfältig: Ob nichttragende Decken, Wände oder Einbauten – besonders geformt oder mit integrierten Funktionen. Vermeulen von Aectual sagt: „Vor ein paar Jahren haben die Unternehmen wegen der Innovation 3D-Druck mit uns zusammengearbeitet. Heute tun sie es wegen der Zirkularität und wegen des Designs.“ Bruno Knychalla blickt weiter in die Zukunft. Er glaubt, dass der 3D-Druck die Architektur und das Bauen revolutionieren wird. Seiner Meinung nach könnte es auch das Problem lösen, dass es immer weniger Bauarbeitende gibt, da das Verfahren wenig Handarbeit erfordert. Derzeit forscht er mit seinem Team und der TU München daran, den 3D-Holzdruck mit selbstwachsenden Pilzmyzelien zu kombinieren. Man darf gespannt sein, welche fantastische Gebilde daraus entstehen werden.
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