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Die ganze Welt des Skifahrens unter einem Dach: Im Lauf der Jahre hat Laurent Donzé rund um den Skisport tausende von Skiern, Helmen, Schuhen, Brillen und anderes mehr zusammengetragen. Nun sind seine Schätze in einem eigenen Museum zu bestaunen. Die Szenografie stammt von atelier oï und ist inspiriert von den Kurven des Schnees und den Wellen der Skipisten.

Von Andrea Eschbach

Musée du ski – Le Boéchet

Ein hölzernes lappländisches Paar Ski aus dem Jahr 1870, antike Skischuhe aus Leder oder aus den 1980er Jahren mit Klappverschlüssen, spacige Skibrillen, Startnummern, Medaillen und gar die Rennbretter von Sportstars wie Didier Cuche oder Dario Cologna: Das im September eröffnete „Musée du ski“ in Le Boéchet JU ist eine wahre Schatzkammer. Das einzige Skimuseum der Schweiz liegt in den jurassischen Freibergen – einer beliebten Langlaufski-Gegend. Mit Langlauf begonnen hat auch die Sammlung von Laurent Donzé. Der passionierte Langlaufsportler interessierte sich Mitte der 1970er Jahre für Langlaufskier und Wachsarten. Eines kam bald zum anderen, über die nächsten Jahrzehnte entstand eine Sammlung, die ihresgleichen sucht.

„Im Laufe der Jahre wuchs der Wunsch, Zeitzeugen der gesamten Geschichte des Skisports aufzubewahren“, sagt der pensionierte Chemielehrer Laurent Donzé. „Die Sammlung hat sich deshalb auf den alpinen Skisport und später auf weitere Disziplinen ausgeweitet.“ Ohne starken roten Faden folgte die Sammlung einem verschlungenen Weg, der von Begegnungen und vom Zufall geleitet wurde. Das angesammelte Material – angewachsen auf über 10.000 Objekte – stellte Laurent Donzé in der Scheune des Bauernhofs aus, den er bewohnte. Der Charme dieses ungewöhnlichen Orts ließ die gelegentlichen Besucher*innen nicht gleichgültig und die immer größer werdende Sammlung weckte schließlich das Interesse der Medien und einiger Museen. Dann spielte ihm der Zufall in die Hände. Andrée Guenat, Besitzerin des ehemaligen Bahnhofrestaurants Le Boéchet, unterstützte ihn, daraus ein Museum zu machen. Das Gebäude wurde renoviert, ein neuer Anbau vom Architekturbüro Etienne Chavanne, Rebeuvelier ergänzt den Altbau mit seiner durch dunkle Holzlatten geprägten Erscheinung.

Laurent Donze © Christian Galley

Von der Inventarisierung bis zum Corporate Design

Der Auftrag, eine Szenographie für die Exponate sowie ein Corporate Design des Museums zu erstellen, ging 2020 an atelier oï. Die Aufgabe erwies sich als anspruchsvoll, galt es doch zuerst einmal, ein Inventar mit Datenbank aller Objekte zu erstellen. „Wir mussten alles von Null auf aufbauen“, erklärt Aurel Aebi, Mitbegründer des Westschweizer Studios. „Allein die Inventarisierung beschäftigte zwei unserer Mitarbeiter*innen zwei Jahre lang. Das Museum richtet sich gleichermaßen an Skiexpert*innen wie an interessierte Menschen. Es lädt dazu ein, in die Geschichte dieser Sportart einzutauchen und seine Entwicklung von den Anfängen bis heute mitzuverfolgen.

Skier in Hülle und Fülle, Foto: Musée du ski

Auf drei Stockwerken des Altbaus kann die Welt des Skis erkundet werden. Im ersten Stock warten Rezeption und ein kleines Kuriositätenkabinett auf Gäste. Zentrum des Museums ist die Dauerausstellung mit dem Titel „Auf den historischen Spuren des Skisports“ im obersten Stockwerk, nur ein Fenster bringt dort Licht in den Dachstock. Die Szenografie spiegelt die Dichte der Sammlung in einer winterlichen Atmosphäre wider: „Da das Museum introvertiert ist, haben wir uns eine Innenlandschaft vorgestellt, die die Illusion von Offenheit gegenüber der umgebenden Landschaft erzeugt.“ Die Inszenierung ist inspiriert von den Kurven des Schnees und den Wellen der Skipisten, die sich ihren Weg über die verschneiten Hänge bahnen. Weiß lackierte Holzlamellen evozieren verwehte Schneedünen am Boden. Die Fugen fungieren als Träger für die Skier, ein System, das immer wieder neu angepasst werden kann. Indirekte Beleuchtung bettet die Inseln wie auf einen Lichtteppich. Um visuelle Weite zu erreichen, vervielfachen auf Kniehöhe angebrachte Spiegel die Ausstellungsarchitektur. Der untere Teil der Spiegel ist mit einer weißen Degradé-Folie bedeckt, die eine neblige Atmosphäre erzeugt. An der Decke des Dachgeschosses tragen die Holzbalken einen Lattenrost, in dem Skier ihren Platz finden. Über Kopfhörer erfährt man an ausgewählten Stationen Geschichten zu den Objekten. Der erste Stock ist jeweils der temporären Schau gewidmet, derzeit unter dem Titel: „Mit Schuss aufs Podest: Skisport heute“.

Musée du ski
Musée du ski

Unter einem Schneehimmel relaxen

Im neuen Anbau sind Sitzungszimmer, eine Bibliothek und eine Werkstatt untergebracht. Im obersten Stock, hinter der Holzlattenfassade, können sich Kinder austoben oder auf Sitzsäcken chillen. Ein weißes Mobile, das an Schneeflocken erinnert, schwebt über ihren Köpfen. Es stammt, wie auch der kleine Tisch „Mille-feuille“, dessen gestapelte Papierblätter als Zeichenunterlage dienen, aus der Feder von atelier oï. Ebenfalls von den Westschweizer Gestaltern stammt das gesamte Corporate Design: Das Logo beispielsweise evoziert die abstrahierte Silhouette des Neubaus, aus der sich ein Paar Skier aus der Fassade löst – gerade wie an der Skipiste vor der Hütte. Auch die Plakatentwürfe spielen mit der Linearität. Auf einer frisch gefrästen Skipiste zeichnete wohl bereits ein früher Skiläufer seine Spuren in den Schnee.

Unterm Schneehimmel, Foto: Musée du ski

Ein Museum, das in Zeiten von Erderwärmung und schmelzenden Gletschern etwas anachronistisch anmuten könnte. Doch da ist Laurent Donzé anderer Meinung. „Mir geht es darum, die Rolle eines Museums und den Klimawandel klar voneinander zu trennen. Das Museum muss zukünftige Veränderungen berücksichtigen, doch sollte dies nicht seine Existenz in Frage stellen.“ Ein wahres Wort, grade in einem Land, das für den Skisport steht.

Musée du ski
Le Boéchet 12, 2336 Les Bois
Mitgründer und Kurator: Laurent Donzé
Innenarchitektur und Corporate Design: atelier oï, La Neuveville


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