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ARCH+ 250: The Great Repair – Politiken der Reparaturgesellschaft. Ein Reader
Dezember 2022, 192 Seiten, ISBN 978-3-931435-73-8
Coverfoto: Bas Princen: Djenné Mosque, 2010
Art Direction und Editorial Design: Stan Hema

„Wir sind zur Reparatur verdammt“, heißt es im Editorial der Nummer 250 der Zeitschrift Arch+. Angesichts einer Welt, die in jedem Augenblick altere und vergehe, sei dies keine überraschende Erkenntnis: „Die kapitalistische Moderne mit ihrer Betonung von Innovation, Wachstum und Fortschritt, ihrem auf Verbrauch, Vernutzung und Verschwendung basierenden Wirtschaftssystem und der damit einhergehenden rücksichtslosen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, hat jedoch eine Wegwerfmentalität in unseren Köpfen verankert: Alles ist ersetzbar.“ Das jeweils bessere Produkt, so die Logik dahinter, stehe immer schon bereit, weshalb sich Reparieren nicht lohne. „Im Architekturdiskurs“, heißt es weiter, „kulminiert diese Denkweise in dem euphemistischen Begriff des Ersatzneubaus. Und so verwundert es nicht, dass Bau- und Abbruchabfälle heute über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland ausmachen.“ Verdrängt werde dabei, dass das Ausmaß dessen, was repariert werden muss, beständig zunehme, der Reparaturbedarf angesichts des Zerstörungsgrads der Welt groß sei.

Reparatur sei allerdings „eine unglamouröse Sisyphusarbeit“, die im Verborgenen, Alltäglichen und im Kleinen geleistet werde. Hier setze „The Great Repair“ an, „um über die pragmatische Ebene hinaus auf die geopolitischen, sozioökonomischen und ökologischen Abhängigkeiten hinzuweisen, die hinter den Materialassemblagen, Infrastrukturen und sozialen Interaktionen unserer Gesellschaften stehen. Es sind diese großen, reparaturbedürftigen Zusammenhänge gemeint, wenn wir von der Großen Reparatur sprechen.“ Trotz der vorherrschenden Wegwerfmentalität ließe sich feststellen, dass Städte, Infrastrukturen und Gebäude öfter umgebaut und weitergenutzt als abgerissen würden. Auch eine Vielzahl technischer Geräte werde täglich repariert und gewartet. Wartung, Reparatur und Instandhaltung stellten somit einen wichtigen Wirtschaftszweig dar; weltweit arbeiteten heute mehr Ingenieur*innen in der Reparatur als in der Entwicklung.

„The Great Repair – Politiken der Reparaturgesellschaft“ will ein „Gegennarrativ entwerfen“, das auf die Fähigkeit des Menschen zielt, seine Beziehungen innerhalb der sozialen und natürlichen Umwelt neu zu gestalten. Das aktuelle Heft soll die Grundlage und die theoretische Einführung in ein Projekt bilden, das in Kooperation mit der Berliner Akademie der Künste, dem Departement für Architektur der ETH Zürich und dem Departement für Geographie und Raumplanung der Universität Luxemburg entsteht. Im Herbst 2023 sollen ein Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm in der Akademie der Künste das Thema weiter vertiefen, bevor als Katalog zur Ausstellung eine weitere Ausgabe von Arch+ erscheint.


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