Von Martin Krautter
Die LED hat sich als Lichtquelle auf ganzer Linie durchgesetzt. Dabei ist es gerade zehn Jahre her, als Leuchtdioden zum ersten Mal komplette Gebäude erleuchteten. Vor 30 Jahren gegründet, mischte die Firma Nimbus aus Stuttgart von Beginn an ganz vorne mit.
Ich bin wirklich gespannt, als ich mich auf den Weg zu Nimbus in ein Industriegebiet im Stuttgarter Stadtteil Feuerbach mache: Zum ersten Mal treffe ich einen Unternehmer persönlich, der nicht nur als der deutsche LED-Pionier schlechthin gilt. Folgt man dem Tenor vieler Berichte über ihn, hat nicht zuletzt sein lässiger Auftritt, gepaart mit spektakulären Hobbys wie Fliegerei und Motorradrennsport, so manchen Journalistenkollegen nachhaltig beeindruckt.
Meine Bedenken, die Interviewatmosphäre könnte allzu testosterongeschwängert werden, zerstreuen sich allerdings schon bei der Begrüßung. Tatsächlich: kein Anzug, kein Schlips, aber auch keine lauten Töne. Dietrich F. Brennenstuhl wirkt jugendlich, doch strahlt der 59-Jährige zugleich eine Gelassenheit aus, wie sie nur in drei Jahrzehnten Unternehmerdasein wächst – mit Höhen und Tiefen, unterm Strich aber mit viel Erfolg. Der wird spürbar, wenn Brennenstuhl durch die Räume der Firma führt, in denen es so geschäftig und zugleich wohlorganisiert wie in einem Bienenstock zugeht. Er nimmt sich viel Zeit, hört geduldig zu, antwortet leise und mit Bedacht.
Zwischen Rundgang und Interview passt auch noch die Teilnahme an einem schon legendären Ritual: der gemeinsamen Frühstückspause mit allen Nimbus-Mitarbeitern. Bei Kaffee und Marmeladenbrot erfolgen letzte Klärungen: Brauchen wir die Motorräder? Brennenstuhl grinst amüsiert. Nein, muss nicht sein. Also dann.
Herr Brennenstuhl, die Marke Nimbus wird dieses Jahr 30 Jahre alt. So richtig ins Rampenlicht trat sie eigentlich erst vor gut zehn Jahren als LED-Pionier. Dass die Technik kommt, war der Lichtbranche damals bewusst, aber keiner traute sich aus der Deckung – und dann war da dieser Stuttgarter, der rannte einfach los.
Dietrich F. Brennenstuhl: Hört sich gut an!
Was war damals Ihre Motivation?
Erst mal habe ich fest an die LED-Technik geglaubt. An das Potenzial einer Lichtquelle, die Strom viel effizienter in Licht umsetzt als eine Glühbirne. Wie da ohne spürbare Hitzeentwicklung Licht aus einem Stück Kunststoff kam, das hat mich sofort fasziniert. Als die ersten weißen LEDs erschienen, beschafften wir uns Muster aus Taiwan. Das war um 2004, wir arbeiteten gerade mit Behnisch Architekten an der Beleuchtung des »Haus im Haus« für die Handelskammer in Hamburg: vier Stockwerke mit transparenten Bö den – und die Beleuchtung sollte diese Transparenz unterstützen. Anfangs planten wir mit Leuchtstoffröhren, aber als ich Stefan Behnisch die LED-Muster zeigte, sagte er: Wenn du das hin bekommst, bin ich dabei.
Aber es gab damals auf dem Markt keine Vorbilder.
Wir betraten absolutes Neuland. Mit der Lichtplanerin Ulrike Brandi aus Hamburg rechneten wir aus: Für 300 bis 500 Lux pro Quadratmeter brauchen wir 1 mal 1 Meter große Paneele mit je 400 LEDs. Wir bauten Prototypen, die Architekten und die Bauherren gaben grünes Licht. Und mit der Serienproduktion der 360 Elemente begann die totale Katastrophe – das Projekt wäre beinahe geplatzt.
Solange die Qualität stimmt, habe ich nicht den Anspruch, dass jedes Produkt aus meiner Feder stammen muss. Schon der Einstieg in die LED war eine geglückte Teamarbeit.“
Dietrich F. Brennenstuhl
Das war also kein Tüftlerprojekt, sondern eine gemeinschaftliche Entwicklung, die ihr Momentum aus dem konkreten Architekturprojekt zog?
Der Begriff Momentum trifft es gut. Bei einer internen Entwicklung kann man auch mal etwas verschieben, so ein Bauprojekt aber hat fixe Termine. Alles war beschlossen, wir mussten nur noch liefern. Doch wir hatten die Fertigung der Elektronik noch nicht im Griff: Neue Zulieferer und zweifelhafte Experten als Berater führten zu Qualitätsproblemen. Als wir die gelöst hatten, stellte sich heraus, dass die vielen LED-Treiber in der Hausinstallation Probleme mit Überschwingungen verursachten. Da schlug die Stunde der Bremser, der Blockierer und Bedenkenträger, die von Anfang an gewusst hatten, dass das gar nicht funktionieren konnte! Auch der Bauherr war verunsichert, aber Behnisch stand zum Glück voll hinter uns. Das waren harte Wochen, wir arbeiteten Tag und Nacht, bauten die Leuchten mehrmals aus und wieder ein. Irgendwann lief es dann – und läuft seitdem, immerhin zwölf Jahre ohne nennenswerte weitere Probleme.
Ein Wendepunkt für Nimbus – und der Eintritt in eine neue Ära?
Wir starteten mit 50 Mitarbeitern in diese Phase; 2013 waren es schon 160. Im Jahr 2006 waren wir mit LED allein auf weiter Flur und hatten den Markt eine Zeitlang für uns. Unsere Projekte waren groß in den Medien, die Marke bekam Sichtbarkeit. Wir konnten Aufträge gewinnen, die unter normalen Umständen an größere, besser vernetzte und billigere Wettbewerber gegangen wären. Klar, dass diese Phase vorübergehen würde und wir uns früher oder später in einer neuen Nische positionieren mussten.
Weil die Mitbewerber nachziehen …
Das war 2010 schon spürbar. Spätestens 2013 war die LED im Markt angekommen, der Preisdruck setzte massiv ein. Doch wir sehen uns als Premiumhersteller und wollen gar keine Massenprodukte machen. Das bedeutet aber, sich mit Produkten und Marketing entsprechend zu positionieren. Das fällt uns im Endkundensegment mit Leuchten wie der Roxxane wesentlich leichter als im Projektgeschäft, wo man mit großen Herstellern konkurriert. Ein ganzes Bürogebäude komplett ausstatten ist inzwischen die Ausnahme.
Ein LED-Pionier
Sie waren nicht nur Vorreiter bei LEDs, die Marke ist auch durch das charakteristische Design der Leuchten geprägt. Sie sind Architekt, haben die ersten LED-Leuchten selbst gestaltet. Inzwischen geben Sie die Gestaltung zunehmend an interne Teams oder externe Designer ab. Fällt das schwer?
Solange die Qualität stimmt, habe ich nicht den Anspruch, dass jedes Produkt aus meiner Feder stammen muss. Schon der Einstieg in die LED war eine geglückte Teamarbeit. Bei unserer Raum akustik- Marke Rosso sind wir fast spielerisch von der Vorhangstange aus Edelstahl zur komplexen Akustiklösung gelangt. Dabei die entscheidenden Impulse zu geben, macht mir Freude. Wenn mir das einmal nicht mehr gelingt, sollte ich mich besser auf den Posten als Aufsichtsrat zurückziehen. So sehe ich die Leuchte Winglet zum Beispiel als mein Baby: Zwar stammt das Design von Rupert Kopp, aber wenn ich das Thema Akku nicht so penetrant vorangetrieben hätte, wäre sie nicht entstanden. Gestaltung ist immer eine Gemeinschaftsleistung.
Die fruchtbarste Zusammenarbeit ist die mit Rupert Kopp – kein Stardesigner, den man aus den Medien kennt. Wie sind Sie auf ihn aufmerksam geworden?
Immer wieder schicken uns Designer ihre Entwürfe, so auch Rupert Kopp. Die lagen herum und fielen mir auf, weil da jemand offensichtlich Ahnung von Technik hatte. Der Entwurf hatte bereits die Friktionsgelenke der späteren Roxxane, aber der Leuchtenkopf war konventionell, nicht für LED ausgelegt. Trotzdem: Es sah aus, als könnte es funktionieren, und wir dachten gerade darüber nach, wie sich eine Nimbus-Schreibtischleuchte von den ungezählten existierenden Modellen abheben könnte. Also kontaktierte ich Rupert Kopp, und das war, glaube ich, für beide Seiten eine angenehme Überraschung. Kopp lebt in Berlin, kommt aber aus Stuttgart. Wir haben schnell gespürt, dass die Chemie stimmt. Wir nahmen das Projekt in Angriff und erreichten durch ein LED-Paneel mit den typischen Kegelsenkungen als Lichtkopf die gewünschte Familienähnlichkeit. Der Auftakt unserer Zusammenarbeit war letztlich ein großer, glücklicher Zufall.
Der Produktdesigner schaut von den Dingen in den Raum – der Architekt schaut vom Raum aus auf das Produkt, auf den Tisch, auf die Raumwirkung. Das ist eine interessante Wechselbeziehung der Sichtweisen, eine Zusammenarbeit, die guttut.“
Dietrich F. Brennenstuhl
Das Verhältnis zwischen Designern und Architekten ist nicht immer ungetrübt, etwa wenn es heißt, Architekten seien die besseren Designer. Spielen solche Vorurteile eine Rolle?
Eine spannende Frage, über die ich schon mit vielen unterschiedlichen Leuten diskutiert habe. Ich denke, der Unterschied liegt im Blick auf die Dinge: Der Produktdesigner schaut von den Dingen in den Raum – der Architekt schaut vom Raum aus auf das Produkt, auf den Tisch, auf die Raumwirkung. Das ist eine interessante Wechselbeziehung der Sichtweisen, eine Zusammenarbeit, die guttut.
Sie sind nicht nur Impulsgeber bei Nimbus, sondern halten auf Werbefotos und in den Medien auch gerne mal Ihren Kopf für die Firma hin. Wie weit geht die Identität zwischen der Marke Nimbus und Ihrer Person?
Langfristig müssen Marke und Unternehmen unabhängig von meiner Person sein. Es gab Phasen, in denen ich stark im Vordergrund stand, und solche, in denen wir die Mitarbeiter in den Fokus gerückt haben, zum Beispiel mit Testimonials in Werbeanzeigen. Das hat die Unternehmenskultur gestärkt. Jetzt, wo der LED-Hype abklingt und wir uns die Innovationsführerschaft auf anderen Ebenen wieder erkämpfen müssen, halte ich es für richtig, dass mein Gesicht auch dafür steht. Aber es wäre unverantwortlich, wenn meine Rolle nach innen und außen zu wichtig wird. Zum Glück hat Nimbus ein gut eingespieltes Führungsteam aus langjährigen Mitarbeitern.
Stichwort Corporate Design: Lange glaubte man, je reiner und konsequenter, desto besser. Bei Nimbus scheint es aber auch Freiräume für Ungeplantes zu geben. Wie lässt sich diese Offenheit in der Unternehmenskultur verankern?
Indem man den Mitarbeitern glaubwürdig vermittelt, dass der Chef ein offenes Ohr hat, dass ich zuhöre und Ideen nicht grundsätzlich abwehre. Indem man vorlebt, dass auch mal Brüche erlaubt sind. Zum Beispiel die Leuchte mit Karim Rashid – das war keine strategische Planung, sondern eine Bauchentscheidung, ein durchaus polarisierender Bruch mit unserer gewohnten Gestaltung. Aber die Mitarbeiter sehen, dass auch ganz andere Ansätze möglich sind. Das Visier ist weit offen, um viele Impulse aufzunehmen.
Wir sind hier im Nimbus-Mock-up, einem Loft mit viel Charakter – alles andere als glatt und perfekt.
Mit dem Anspruch, einen perfekten Showroom mit feinster Ausstattung zu machen, hätten wir uns diese 1.500 Quadratmeter erst Jahre später leisten können. Also haben wir das Vorgefundene aufgegriffen und mit einfachen Mitteln eine kreative Spielwiese geschaffen, von der dann wieder neue Impulse ausgingen. Wie viele Begegnungen, wie viele tolle Veranstaltungen mit Architekten wären uns entgangen, hätten wir hier gezögert.
Könnte man das als eine Start-up-Mentalität bezeichnen?
Richtig, genau das wünsche ich mir im Unternehmen. Wir denken gerade darüber nach, die Entwicklungsabteilung neu aufzuteilen und ein Team ganz bewusst als Start-up zu positionieren. Die haben mit dem Alltag nichts zu tun, sondern können als Freidenker einfach loslaufen. Man muss verhindern, dass die Prozesse zu zäh werden.
Reden wir über neue Produkt entwicklungen: Auf der Light+Building im vergangenen April war das Thema Akku ganz groß.
Stimmt, aber wir sind nach wie vor die Einzigen, die eine vernünftige Akku-Stehleuchte haben, oder?
Ja, man sah vor allem Lese- und Tischlämpchen oder große Ballons für den Garten.
Zur Roxxane Leggera mit ihren 800 Lumen wie auch zur Winglet mit ihren vernetzten Funktionen gibt es nichts Vergleichbares. Das waren Innovationen, die der Markt überhaupt nicht erwartet hatte. Sie müssen den Markt erst wachrütteln – und rütteln dabei für alle anderen mit. In dem Moment gilt es, sich auf die entscheidenden Themen zu konzentrieren und den Schub zu nutzen, um den Markt entsprechend zu bedienen.
Was mir bei Nimbus auffiel: Erstmals gab es Leuchten mit Optiken für gerichtetes Licht oder für Wandflutung. Sind Acrylplatten mit Kegelsenkungen ausgereizt?
Diese Lichttechnik hat weiterhin ihre Einsatzgebiete, denn bei der Kegelsenkung ohne zusätzliche Optiken oder Filter erreicht die LED ihre höchste Effizienz. Andererseits sind die LEDs in den vergangenen zwölf Jahren selbst viel effizienter geworden. Ich brauche weniger LEDs oder kann auf fünf Prozent Effizienz verzichten, wenn Diffusor oder Optik andere Vorteile bringen. Die neuen Leuchten Q4 und Q1 haben wir mit dem Ingenieurbüro Bartenbach entwickelt. Sie haben ganz andere Abstrahlcharakteristika als unsere klassische Lichttechnik. Sie bilden keine selbstleuchtenden Flächen mehr, man sieht nur noch das Licht auf der Zielfläche. Das ist für uns ein Paradigmenwechsel, den ich viel interessanter finde, als etwa die Kegelsenkungen wegzulassen und diffus abzustrahlen, nur um eine neue Anmutung zu erzielen. Die neuen Produkte bringen mich dem Traum ein Stück näher, dass unsere Produkte einmal nicht nur im Museum stehen, sondern auch ganze Museen beleuchten.
Zuerst erschienen im designreport 04/2018. Beitragsbild: Dietrich F. Brennenstuhl, © René Müller.
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