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Mit verschiedenen Events und Formaten zum Thema Circular Design unterstützt der German Design Council Unternehmen bei der Umsetzung zirkulärer Strategien. Im Interview spricht Bernd Müller, Director Sustainability, über seine Rolle als Koordinator, die Bedeutung von Design für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit und erklärt, warum Circular Design zur wirtschaftlichen Transformation beiträgt.

Interview von Katharina de Silva

Bernd Müller ist Director Sustainability beim German Design Council. Statt zu dirigieren sieht er seine Rolle als Koordinator und Ideengeber, der Impulse sammelt und bei der Umsetzung unterstützt | © German Design Council

Bernd, du bist „Director Sustainability” beim German Design Council. Wie würdest du deine Aufgaben und Verantwortlichkeiten beschreiben?

Der Titel klingt vielleicht groß, aber in meiner Rolle geht es nicht darum, eine klassische Abteilung zu leiten. Nachhaltigkeit ist ein Thema, das alle betrifft. Dementsprechend muss auch jeder im Unternehmen Verantwortung übernehmen. Meine Begegnung mit Kate Raworth, der Ökonomin hinter den Doughnut Economics, und Personality of The Year 2024 beim German Design Award, hat das neulich sehr schön verdeutlicht: Als ich mich ihr bei der Preisverleihung als Nachhaltigkeitsverantwortlicher vorstellte, meinte sie spontan: „Müssten wir das nicht alle sein?“ Genau das ist der Kern. Ich sehe mich deshalb eher als Koordinator und Ideengeber, der Impulse sammelt, Orientierung gibt und bei der Umsetzung unterstützt. Wir haben beispielsweise eine betriebsinterne Arbeitsgruppe eingerichtet, in der alle Abteilungen vertreten sind. So kommen Ideen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zusammen.

Warum ist Circular Design für den German Design Council ein so wichtiges Thema?

Wir haben beim German Design Council über 300 Mitgliedsunternehmen, darunter viele produzierende Unternehmen, für die dieses Thema zentral ist. Nicht zuletzt wegen neuen Verordnungen, wie der ESPR, die dazu auf europäischer Ebene bereits erlassen wurden. Da wir über 70 Jahre Kompetenz mitbringen, wie elementar Design fürs Business ist, können wir unsere Expertise hier einbringen, um Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen und einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft leisten. Wir bieten zum Beispiel individuelle Beratung an – auch beim Thema Circular Design. Wir haben ein großes Netzwerk von Expert*innen, das wir bei Bedarf einbinden.
Die Herausforderungen von Klimawandel, Biodiversität oder Ressourcenknappheit können wir schlichtweg nicht bewältigen, wenn wir nicht kreislauffähig wirtschaften.

Bernd Müller im Gespräch mit Katie Morgenroth von Google | Foto: Lena Everding
Der Circular Design Summit fand am 11. März 2025 im Stuttgarter Hospitalhof statt | Foto: Lena Everding

„Viele Unternehmen nennen die Circular Economy zwar als strategisches Ziel, aber nur wenige haben bisher konkrete Maßnahmen umgesetzt.“


Bernd Müller, Director Sustainability German Design Council

Welche Rolle spielt Design dabei?

Eine ganz entscheidende. Design prägt den gesamten Lebenszyklus: von Materialwahl und Ressourcenverbrauch über Langlebigkeit bis zur Nutzungsphase, in der es zum Beispiel  über Energieverbrauch entscheidet. Am Ende geht es darum, ob Produkte recycelt und Materialien zurückgeführt werden können oder entsorgt werden müssen.
Damit legt Design auch die Grundlage für neue Geschäftsmodelle wie Secondhand, Refurbished-Produkte oder Product-as-a-Service. Ohne gutes Design funktioniert die Circular Economy nicht.

In welchen Branchen ist Circular Design bereits besonders relevant und wo siehst du aktuell das größte Potenzial?

Circular Design ist ein branchenübergreifendes Thema. In manchen Bereichen ist es schon stärker verankert – etwa in der Architektur und im Interior Design, wo es viele Standards gibt, oder auch in der Textil- und Modebranche. Selbst im Maschinenbau beschäftigen sich Unternehmen inzwischen damit, Investitionsgüter aufzubereiten und für Zweitmärkte nutzbar zu machen.

Insgesamt stehen wir aber noch am Anfang: Viele Unternehmen nennen die Circular Economy zwar als strategisches Ziel, aber nur wenige haben bisher konkrete Maßnahmen umgesetzt. Trotzdem bin ich optimistisch. Wachstumspotenzial sehe ich vor allem im Bereich der sogenannten refurbished Products – von Textilien über IT bis zu Haushaltsgeräten – sowie in neuen Geschäftsmodellen wie Product-as-a-Service. Die Kreislaufwirtschaft öffnet neue Wege für Innovation und schafft Business-Chancen. 

Wichtig ist mir aber auch: Sie ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, die planetaren Grenzen einzuhalten und sowohl ökologische als auch soziale Grundlagen zu sichern.

 Bernd Müller beim Circular Design Summit 2025 | Foto: Lena Everding

Der German Design Council bietet inzwischen mehrere Formate zum Thema Circular Design an. Eines davon ist die „Circular Design Clinic“, die im November in die zweite Runde geht. Was macht dieses Format aus?

Das Besondere an diesem Workshop ist, dass er in einem kleinen, exklusiven Kreis stattfindet und die Teilnehmenden ihre eigenen Produkte mitbringen. An diesen arbeiten wir dann ganz konkret  in kleinen Gruppen. Circular Economy und Circular Design sind zunächst Theorien und Prinzipien – in der „Clinic” übertragen wir sie direkt auf die jeweilige Unternehmensrealität. Genau darin liegt die Einzigartigkeit. Schon bei der Premiere 2024 in Hamburg hat das sehr gut funktioniert, und so werden wir es auch in Frankfurt wieder tun.

Was ist in diesem Jahr neu?

Neu ist, dass wir die „Circular Design Clinic” in diesem Jahr auch für digitale Geschäftsmodelle öffnen, etwa Product-as-a-Service. Partner istn wieder Indeed Innovation, die eine eigene Methode zur Entwicklung zirkulärer Produkte einbringen und in den Workshops anwenden. Neu als Partner dabei ist Vepa, der niederländische Möbelhersteller, unser Stiftungsmitglied und in diesem Jahr unser Gastgeber. Vepa verfolgt Circular Design bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich und ist damit selbst ein hervorragendes Praxisbeispiel.

Die erste Circular Design Clinic fand 2024 in Hamburg statt | Foto: © German Design Council
Die Circular Design Clinic ist ein Workshop-Format, bei dem in kleinen Gruppen konkret an zirkulären Projekten gearbeitet wird | Foto: © German Design Council

Im vergangenen  Jahr waren unter anderem Mitarbeitende von Lufthansa Technik, Tchibo und Rosenthal dabei. Warum ist die Nachfrage an diesem Format so groß?

Weil Circular Design für viele Unternehmen immer noch neu ist. Oft fehlen Wissen, Erfahrung und der Austausch mit anderen. Genau das bieten wir: praxisnahes Arbeiten an eigenen Produkten, begleitet von Coaches, ergänzt durch Input von Unternehmen, die bereits Erfahrung gesammelt haben. So entsteht ein unmittelbarer Lerneffekt – und im besten Fall ein Anstoß für konkrete Entwicklungen im Unternehmen.

Neben der „Circular Design Clinic” gibt es auch den „Expert Circle for Circular Economy”, der allerdings nur den Mitgliedern des German Design Council vorbehalten ist.

Genau. Der „Expert Circle” war unser erstes Format zu Circular Economy. Wir besuchen dabei jeweils eines unsere Mitgliedsunternehmen und diskutieren dort Best Practices. Beispiele waren bisher Covestro, Festo oder Shift. Jede Veranstaltung hat einen thematischen Schwerpunkt, etwa Regularien oder Kooperationen. Die Gruppen sind klein, die Atmosphäre vertraulich – das fördert einen intensiven Austausch. Je nach Unternehmen sitzen Designer*innen, Innovationsabteilungen, manchmal sogar Geschäftsführer*innen mit am Tisch.

Der Expert Circle for Circular Economy findet regelmäßig im kleinen Kreis bei den Stiftungsunternehmen des German Design Council statt | Foto: © German Design Council
2024 fand der Expert Circle in den Büroräumen des Möbelherstellers Vepa am Frankfurter Westhafen statt | Foto: © German Design Council

„Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Innovation. Der Summit soll eine Quelle der Inspiration und ein Ort zum Netzwerken sein.“

Bernd Müller, Director Sustainability German Design Council

Ein Highlight unter den Events ist der „Circular Design Summit”, der 2026 erneut in Stuttgart stattfinden wird. Warum hat der German Design Council dieses Format ins Leben gerufen?

Weil es in Deutschland zwar viele Circular-Economy-Events gibt, aber kein Überregionales, das Design in den Mittelpunkt stellt. Dabei ist Design der Schlüssel. 2025 haben wir den ersten Circular Design Summit veranstaltet – mit über 200 Teilnehmenden und internationalen Speakern. Im Zentrum stehen Unternehmen, die Circular Design bereits umsetzen oder neue Geschäftsmodelle entwickeln. Es geht um Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Innovation.  Der Summit soll eine Quelle der Inspiration und ein Ort zum Netzwerken sein.

Was erwartet die Teilnehmer*innen im kommenden Jahr? 

Wir werden wieder im Hospitalhof Stuttgart sein. Neu ist das Expert Committee, das das Programm gemeinsam mit uns gestaltet und wertvollen Input liefert. Neben mir gehören Alissa Ritter (Rosenthal), Anne Farken (Designworks/BMW), Karel Golta (Indeed Innovation) und Steffen Erath (Hansgrohe) dazu.
Als Special Speaker wird Rob Hopkins dabei sein, Gründer der Transition-Town-Bewegung. Er legt den Fokus auf Imagination: die Fähigkeit, uns wünschenswerte Zukünfte vorzustellen. Das ist ein spannender Kontrast zu den meist technischen Diskussionen rund um Materialien oder Prozesse. Außerdem wollen wir mehr Workshops und interaktive Formate einbauen, um das Publikum stärker einzubeziehen. Netzwerken bleibt natürlich zentral.

Podium beim Circular Design Summit 2025 | Foto: Lena Everding

Circular Design spielt auch eine immer stärkere Rolle bei den Awards, die der German Design Council ausrichtet. Wie genau?

Für den German Design Award und die ICONIC AWARDS haben wir gemeinsam mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Kriterienkataloge entwickelt. Diese enthalten zentrale Aspekte der Circular Economy: Welche Materialien werden verwendet? Wie sieht das Businessmodell aus? Welche gesellschaftliche Funktion hat das Produkt? Wie ist das Abfallmanagement organisiert?

Unternehmen, die bei den Awards einreichen, erhalten dazu einen Fragenkatalog und müssen diese Punkte bereits bei ihrer Bewerbung beantworten. Damit schaffen wir die Grundlage für eine differenzierte Bewertung. Für den German Design Award haben wir sogar eine eigene Jury eingerichtet, die ausschließlich die Circular-Design-Einreichungen begutachtet. In dieser Jury sitzen unter anderem Dr. Manuel Bickel vom Wuppertal Institut, Martin Pauli von ARUP und Andrea Herold von Interior Park Stuttgart. Wichtig ist: Circular Design ist ein Querschnittsthema. Deshalb ist es auch keine abgeschlossene Kategorie, sondern fließt in die großen Hauptkategorien ein. So stellen wir sicher, dass es in allen Bereichen sichtbar ist und nicht als Nischenthema behandelt wird

Was denkst du, was sollte sich im Mindset von Unternehmen ändern, damit Circular Design gelingt?

Zunächst sollten sie anfangen – das ist das Wichtigste. Keine Scheu haben, sich vorher gut informieren, einen Überblick verschaffen, analysieren, wo sie stehen in Sachen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, und dann an einer Stelle starten. Schritt für Schritt. Wichtig ist auch, sich die richtigen Partner zu suchen und vielleicht sogar einmal mit einem Wettbewerber zusammenzuarbeiten.

Kreislaufwirtschaft betrifft den gesamten Lebenszyklus eines Produkts oder Services. Für Unternehmen, die bislang linear gearbeitet haben, ist das oft ungewohnt. Sie müssen sowohl in die eine Richtung schauen – zur Supply Chain –, als auch in die andere – zu den Kund*innen. Und man muss bedenken, was am Ende des Lebenszyklus mit dem Produkt geschieht: Wird es entsorgt, recycelt, auseinandergebaut? Es gilt, den Horizont zu erweitern und zu verstehen, welche Akteure in den jeweiligen Wertschöpfungsketten relevant sind. Genau das ist einer der zentralen Punkte der Kreislaufwirtschaft – und auch einer, bei dem viele Unternehmen noch Schwierigkeiten haben.

Foto: Maria Poursanidou

Über die Autorin

Katharina de Silva studierte Germanistik und Publizistik in Mainz und absolvierte ein journalistisches Volontariat, bevor sie als Redakteurin und Content-Expertin in Verlagen und Agenturen tätig war. Seit 2022 schreibt sie frei für Online- und Printmagazine über Design, Kunst, Kultur und Mutterschaft. 2024 übernahm sie die Chefredaktion des Designmagazins „ndion“ des German Design Council – Rat für Formgebung.

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