Maximilian Mauracher verbindet mit dem New Standard.Studio Design, Markenführung und Nachhaltigkeit zu einem großen Ganzen. Für den Designer geht es längst nicht mehr nur um Ästhetik, sondern um die gesellschaftliche Wirkung von Marken. Im Gespräch erklärt er, warum Circular Storytelling mehr leisten muss als bloße grüne Versprechen und wie es Marken ermöglicht, Menschen zu nachhaltigem Handeln zu befähigen.
Interview von Katharina de Silva

Max, dein Weg als Designer führte dich über dein Studium in Wien, über kleinere und größere Agenturen bis nach Berlin und hin zur Gründung von NEW STANDARD.STUDIO. Wann wurde dir bewusst, dass Design mehr sein kann – oder vielleicht sogar muss – als nur schöne Gestaltung?
Das war kein einzelner Moment, sondern ein längerer Prozess. Während meiner Zeit als Freelancer in Berlin, vor allem im Retail- und Experience-Design, fiel mir auf, wie viel Aufwand und Ressourcen in Projekte fließen, die oft nur kurzlebig sind und danach meist im Müll landen. Dieses Bewusstsein hat mein Denken grundlegend verändert. Design ist mehr als Ästhetik – es ist eine Haltung, die unser Konsumverhalten, gesellschaftliche Normen und den Umgang mit Ressourcen prägt.
Wie kam es dann zur Gründung von New Standard Studio?
New Standard.Studio haben wir 2020, mitten in der Pandemie, gegründet. Ich startete das Studio gemeinsam mit einer langjährigen Freundin. Von Anfang an war klar, dass wir eigene Standards setzen wollen – in der Arbeitsweise, in der Organisation und im Umgang mit Kund*innen. Für uns ist Nachhaltigkeit kein Add-on, sondern integraler Bestandteil von Strategie und Design. Wir haben schnell erkannt, dass Nachhaltigkeit viel früher gedacht werden muss – nicht erst in der Kommunikationsphase, sondern bereits in der Strategie und Produktentwicklung. Nur so lassen sich wirklich systemische Veränderungen bewirken. Diese Standards haben wir damals festgeschrieben – man kann sie bis heute auf unserer Website nachlesen. Und im Impact Report, den wir jährlich veröffentlichen.
Wie sieht euer Team heute aus?
Mittlerweile sind wir rund 15 Personen, darunter festangestellte Designer*innen, Kommunikationsstrateg*innen, Copywriter*innen und Projektmanager*innen sowie freie Kolleg*innen, die wir projektbezogen hinzuziehen. Unser Büro ist in Berlin-Neukölln. Ein offenes, lockeres Miteinander ist uns wichtig, das sich auch in gemeinsamen Ritualen wie dem Mittagessen zeigt. Wir achten darauf, dass alle die Werte von New Standard Studio teilen und offen kommunizieren.
„Für uns ist Nachhaltigkeit kein Add-on, sondern integraler Bestandteil von Strategie und Design.“
– Maximilian Mauracher

Wie hat sich euer Portfolio entwickelt?
Wir sind mit klassischen Kommunikationsprojekten für den öffentlichen Sektor gestartet – aber auch für Unternehmen und Marken, die in Sachen Nachhaltigkeit schon deutlich weiter waren. So ist zum Beispiel der Taschenhersteller FREITAG aktiv auf uns zugekommen. Wir waren eine der ersten externen Agenturen, mit denen sie überhaupt zusammengearbeitet haben – aus einer klaren Haltungsentscheidung heraus, weil sie gespürt haben: Das passt. Seitdem haben wir für sehr unterschiedliche Auftraggeber gearbeitet – vom Mittelstand bis zu internationalen Konzernen. Der öffentliche Sektor ist nach wie vor ein Schwerpunkt, vor allem lokal in Berlin. Außerdem arbeiten wir regelmäßig mit NGOs zusammen.
Habt ihr oft Projekte abgelehnt?
Ja, ganz klar. Wir sind sehr selektiv. Und wir haben auch sehr bewusst viele Projekte abgelehnt, die nicht zu unseren Werten gepasst hätten. Das fällt nicht immer leicht, ist uns aber wichtig, um authentisch und glaubwürdig zu bleiben.
Wie arbeitet ihr konkret in der Beratung?
Wir sind interdisziplinär unterwegs – an der Schnittstelle von Design, Nachhaltigkeit und Kommunikation. Wir analysieren, wie Produkte aufgebaut sind, welche Ressourcen dabei zum Einsatz kommen und was nach der Nutzung passiert. Daraus entwickeln wir zirkuläre Angebote – das können Services, Kommunikationsstrategien oder auch ganze Markenwelten sein. Es geht uns nicht nur um technische Daten oder Ökobilanzen: Wir schauen immer auch auf die Perspektive der Nutzer*innen – also Akzeptanz, Verhalten, Emotionen. Denn ein gutes zirkuläres Produkt bringt nichts, wenn es nicht genutzt wird oder niemand versteht, wie es funktioniert.



„Gutes Circular Storytelling schafft Zugänglichkeit – durch einfache Sprache, passende Bilder und Angebote, die für alle erreichbar sind. Nur so entsteht wirkliche Veränderung.“
– Maximilian Mauracher
Wie beurteilt ihr die aktuelle Kommunikation zur Circular Economy?
Da gibt es zwei große Herausforderungen: Zum einen ist die Kommunikation oft zu technisch, mit komplizierten Grafiken und Fachvokabular, das viele abschreckt. Zum anderen gibt es stark vereinfachte Botschaften wie „100 % recycelt“, die zu kurz greifen. Beide Extreme erschweren es, das Thema wirklich zugänglich und verständlich zu machen. Deshalb haben wir das Konzept „Circular Storytelling“ entwickelt.
Was bedeutet „Circular Storytelling“ genau?
Circular Storytelling ist für uns mehr als nur Kommunikation. Es geht darum, komplexe, systemische Zusammenhänge so zu erzählen, dass sie zugänglich, verständlich und emotional ansprechend sind. Wir haben vier Prinzipien definiert: Zugänglichkeit, Akzeptanz, Bewusstsein und Leistbarkeit. Zugänglichkeit heißt, Barrieren abzubauen, die Menschen daran hindern, zirkuläre Angebote zu nutzen. Ein Produkt muss nicht nur nachhaltig sein, sondern auch erschwinglich, leicht verständlich und emotional anschlussfähig. Akzeptanz entsteht, wenn Menschen das Angebot nicht nur verstehen, sondern sich damit identifizieren und es gerne nutzen. Bewusstsein bedeutet, dass Nutzer*innen verstehen, warum zirkuläres Handeln wichtig ist und wie es funktioniert. Leistbarkeit heißt, dass nachhaltige Angebote nicht teurer sein dürfen als konventionelle Alternativen, damit sie sich breit durchsetzen können. Diese Prinzipien sind eng miteinander verbunden. Wenn Angebote verständlich, ansprechend und bezahlbar sind, entsteht wirkliche Veränderung.
Wie setzt ihr „Circular Storytelling“ in der Praxis um?
Ein wichtiger Baustein ist unser Workshop-Format, mit dem wir Unternehmen und Teams befähigen, selbst gutes Circular Storytelling zu entwickeln. In den Workshops arbeiten wir interaktiv und praxisnah. Zunächst analysieren wir, wie ein Unternehmen oder Produkt aktuell kommuniziert, wo Hürden liegen und welche Geschichten erzählt werden.
Dann vermitteln wir die Prinzipien von Circular Storytelling anhand konkreter Beispiele. Gemeinsam entwickeln wir neue Narrative und kreative Ansätze, die komplexe Themen verständlich machen und emotional berühren. Ziel ist, dass die Teilnehmer*innen nach dem Workshop eigenständig überzeugende, glaubwürdige Geschichten zur Circular Economy erzählen können – intern wie extern.

„Die Kommunikation der letzten
50 Jahre – wir müssen altruistisch sein und auf die Umwelt achten – hat nur semi-gut funktioniert. Darum ist die ästhetische und emotionale Ansprache beim Circular Storytelling so wichtig.“
– Maximilian Mauracher
Kannst du ein Beispiel nennen, bei dem Design, Storytelling und Circular Economy besonders gut zusammenspielen?
Der „Roku“-Schuh von Camper ist für mich ein Paradebeispiel. Er besteht aus nur sechs Einzelteilen, die individuell kombiniert und bei Bedarf ausgetauscht werden können. Das macht ihn langlebig, reparierbar und gleichzeitig sehr individuell. Wichtig ist: Camper kommuniziert den Schuh nicht primär über Nachhaltigkeit, sondern über Kreativität, Einzigartigkeit und Design. So entsteht eine emotionale Verbindung, die auf Freude an Gestaltung statt auf Verzicht setzt. Das ist genau die Art von Storytelling, die Akzeptanz schafft.
Viele Marken werben mit Nachhaltigkeit, aber der Vorwurf des Greenwashing ist allgegenwärtig. Wie geht ihr damit um?
Wir arbeiten mit klaren Standards und sind Mitglied der Ethical Agency Alliance. Transparenz ist uns wichtig: keine übertriebenen Versprechen, sondern ehrliche Kommunikation und belastbare Zahlen, wenn sie gefragt sind. Circular Economy ist ein Prozess, kein Zustand – niemand ist perfekt. Wir unterstützen Unternehmen dabei, offen zu zeigen, wo sie stehen und wie sie sich entwickeln. Greenwashing ist für uns, wenn man nur das Gute kommuniziert und das Schlechte komplett weglässt oder gar nicht reflektiert. Wenn Kommunikation ehrlich ist, entsteht Vertrauen – und Greenwashing verliert an Relevanz.


Die EU führt mit der ESPR und dem Digitalen Produktpass neue Regeln ein. Beratet ihr eure Kunden dahingehend?
Wir beraten vor allem Kunden, für die das Thema sehr relevant ist – oft solche, die schon weiter sind oder Vorreiter sein wollen. Die neuen Verordnungen sind natürlich eine große Herausforderung für viele Unternehmen. Wir empfehlen, sich frühzeitig mit den Anforderungen auseinanderzusetzen, um nicht erst in letzter Minute unter Druck zu geraten.
Wir begleiten diese Unternehmen durch Workshops, strategische Impulse und Lifecycle-Analysen, um Umweltauswirkungen von Produkten zu verstehen und zu optimieren. Es geht darum, den gesamten Prozess ganzheitlich zu betrachten – von der Produktentwicklung über die Marke bis hin zur Vertriebsstrategie. So können Unternehmen besser vorbereitet sein und nachhaltige Veränderungen umsetzen.
„Zirkuläres Design und Kommunikation müssen zusammen gedacht werden.
Ein gutes Produkt allein reicht nicht.
Es braucht auch eine Story, die Qualität, Vertrauen und Ästhetik verbindet.“
– Maximilian Mauracher
Ihr sagt: „Die stärksten Marken der Zukunft sind Enabler.“ Was heißt das konkret?
Marken, die ihre Kundinnen befähigen, zirkulär zu handeln – also zu reparieren, zu teilen, gebraucht zu kaufen oder weiterzugeben – werden die stärksten Marken der Zukunft sein. Diese Marken übernehmen nicht nur selbst Verantwortung, sondern aktivieren ihre Kundinnen, das ebenfalls zu tun. Sie machen die zirkuläre Option zur besten Option – preislich, in der Anwendung und im Image. Nur wenn zirkuläre Angebote genutzt werden, hat Gestaltung ihren Zweck erfüllt.
Was wäre für dich ein echter „New Standard“ in den kommenden fünf Jahren?
Dass es ganz normal wird, Dinge gebraucht zu kaufen – Kleidung, Elektronik, Möbel. Nicht aus Not, sondern aus Überzeugung. Dass der Gedanke, dass jedes neue Produkt Ressourcen kostet, selbstverständlich wird. Und dass Secondhand-Angebote nicht nur nachhaltig, sondern auch begehrenswert, hochwertig und leicht zugänglich sind. Dann ist Circular Design in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das wäre echter Fortschritt.

Über die Autorin
Katharina de Silva studierte Germanistik und Publizistik in Mainz und absolvierte ein journalistisches Volontariat, bevor sie als Redakteurin und Content-Expertin in Verlagen und Agenturen tätig war. Seit 2022 schreibt sie frei für Online- und Printmagazine über Design, Kunst, Kultur und Mutterschaft, darunter form, Stylepark Magazine, SCHIRN Mag und The Weekender. 2024 übernahm sie die Chefredaktion des Designmagazins „ndion“ des German Design Council – Rat für Formgebung.
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