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Mit dem Upcycling von gebrauchten LKW-Planen zu Taschen ist Freitag berühmt geworden. Um Produkte nun im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu gestalten, entwickelt das Schweizer Unternehmen zusammen mit Partnern wie Heytex und Covestro eine zirkuläre LKW-Plane. Bei dem ergebnisoffenen und lehrreichen Prozess lassen sie sich über die Schultern schauen. 

Von Martina Metzner

Sechs LKWs und fünf Anhänger des Schweizer Logistikunternehmens Planzer sind für Freitag mit der „Circular Tarp“-Plane aktuell auf der Straße unterwegs | Foto: Simon Habegger

Freitag Taschen sind seit Gründung ein Statement für Design und Umweltbewusstsein. Denn die Produkte des Schweizer Herstellers werden aus gebrauchten LKW-Planen hergestellt. Seit Jahren hat Freitag, das 1993 von den Brüdern Markus und Daniel Freitag gegründet wurde, mit dieser Upcycling-Story anhaltenden Erfolg. Rund 500.000 Produkte produziert das Unternehmen pro Jahr – vor allem Messenger Bags, aber auch Rucksäcke bis hin zu Accessoires wie Geldbörsen. Nun soll die Upcycling-Story zirkulär werden: Neuerdings gibt es den „Mono[PA6]“ Rucksack, der komplett aus Nylon besteht, damit man ihn sortenrein rezyklieren kann. Ein weiteres, deutlich umfangreicheres Projekt ist „Circular Tarp“ – zu Deutsch zirkuläre Plane –, das Freitag perspektivisch auf alle Produkte anwenden möchte. Damit würde eine Tasche, wenn sie einmal ausgedient hat, zu einem Sekundärrohstoff werden, so die Idee von Freitag.

Anna Blattert und Bigna Salzmann sind Circular Technologists bei Freitag und betreuen das Projekt „Circular Tarp“ | Foto: Roland Tännler     

Vier Ansätze im Test

Den Kreislauf schließen – das ist leichter gesagt als getan wie das Projekt „Circular Tarp“ zeigt, das Freitag mit verschiedenen Geschäftspartnern entlang der Lieferkette umsetzt. Seit vier Jahren untersucht das Netzwerk vier Ansätze – das heißt vier verschiedene Materialien beziehungsweise Materialströme. Man recherchiere ergebnisoffen, so Anna Blattert, früher Designerin und nun Circular Technologist bei Freitag. 

From Truck Till Bag

Freitag setzte sich zu Beginn mit Epea zusammen, um den Prozess zu starten. Die Beratungsfirma wurde von Michael Braungart und seiner Organisation Cradle to Cradle gegründet und gehört heute zu Drees & Sommer. Mittlerweile sind die Hersteller der gesamten Wertschöpfungskette mit an Bord – für den Ansatz mit Thermoplastischem Polyurethan (TPU) ist das der internationale Kunststoffhersteller Covestro (ehemals Bayer MaterialScience), der deutsche Planenhersteller Heytex, der Schweizer Konfektionär Bieri sowie das Schweizer Logistikunternehmen Planzer. Daneben gibt es drei weitere Ansätze, von dem einer ebenso vielversprechend ist: nämlich Polypropylen als Plane samt Gewebe einzusetzen, was Freitag mit dem niederländischen Planenhersteller Rivertex testet. Auch biobasierte Materialien werden in einem Forschungsprojekt untersucht. Die ersten Flotten mit Testplanen der Ansätze TPU/PES und PP/PP sind bereits seit 2024 auf der Straße unterwegs, sukzessive werden sie bei Freitag auf ihre Verarbeitungstauglichkeit hin zur Tasche geprüft. Das bedeutet konkret: Zerlegen, Waschen, Zuschneiden, Nähen und Testen. „Daraus werden wir sehr wichtiges Feedback für die weitere Materialentwicklung erhalten“, so Blattert.

„PVC wird REACH-konform hergestellt, ist aber fossil gebunden und lässt sich derzeit nur mechanisch downcyclen. Somit ist es noch nicht nachhaltig.“


– Henning Eichhorn, Business Development Manager von Heytex

Die neue kreislauffähige Plane wird – wie ihre konventionellen Vorgänger – aus einem robusten Gewebe sowie einer weichen, wasser- und schmutzabweisenden Beschichtung bestehen. | Print: Yuri-Schmid, Foto: Freitag

Alternativen zu PVC gesucht

Wer den Kreislauf schließen will, muss alle an einen Tisch bringen – heißt es immer so schön. Und das hat Freitag getan. Man trifft sich regelmäßig mit den Partnern und lernt voneinander. „Wir müssen Freitag immer mal wieder drauf aufmerksam machen, dass wir hier keine Taschen-, sondern eine LKW-Plane entwickeln, die Ladungssicherungsnormen zu erfüllen hat“, sagt Henning Eichhorn, Business Development Manager von Heytex, verschmitzt. Das Unternehmen stellt pro Jahr rund 5 Millionen Quadratmeter Planen für die LKW-Branche her. Der Spezialist aus dem niedersächsischen Bramsche bringt dafür Kunststoffe auf Gewebe auf – für LKW-Planen ist das in der Regel Polyvinylchlorid (PVC) auf ein Gewebe aus Polyester (PES). „PVC hat sich etabliert und wird REACH1-konform hergestellt, ist aber fossil gebunden und lässt sich bislang nur mechanisch downcyclen. Somit ist es derzeit nicht nachhaltig“, sagt Eichhorn. Der Kunststoff hat einen hohen Abrieb, wodurch Mikroplastik in die Umwelt gelangt, und gibt Weichmacher ab, die gesundheitsschädlich sein können. Der Grund für die Verbreitung von PVC: „Der LKW-Markt ist sehr preissensibel.“ PVC sei günstig und flexibel auf Anforderungen einstellbar. Freitag zum Beispiel lässt alle eingehenden PVC-Planen auf bedenkliche Weichmacher hin testen, um diese vor der Taschenproduktion auszusortieren.

Dieses Kunststoffgranulat stammt von dem neuen zirkulären Rucksack von Freitag gemacht.
Der „Mono[PA6]“ -Rucksack von Freitag ist aus Polyamid 6 alias Nylon und kann als Ganzes rezykliert werden.
Am Ende seiner Nutzung kann der  „Mono[PA6]“-Rucksack bei Freitag zurückgegeben werden, die ihn rezyklieren | Fotos: Elias Boetticher

Hoffnungsträger Thermoplastisches Polyurethan

Einer der Hoffnungsträger heißt TPU – was für Thermoplastisches Polyurethan steht. Aufgebracht auf ein Gewebe aus Polyester kann das Material ebenso als LKW-Plane verwendet werden. Der Vorteil von TPU ist, dass es sich einschmelzen und wiederverwenden lässt. TPU wird etwa gerne für den IT- oder Sportswear-Bereich, für Kabelhüllen, Sportarmbänder oder auch Skischuhe verwendet. Denn TPU hat eine wesentlich höhere Abriebfestigkeit als PVC– und enthält keine Weichmacher. Deshalb wird es für Produkte verwendet, die nah am Menschen sind. Zudem riecht TPU nicht so unangenehm wie PVC, ist aber wesentlich teurer als das Standardmaterial.

Covestro testet chemisches TPU-Recyling

Die TPU-PES-Plane wieder in den Kreislauf zurückzuführen ist allerdings doch nicht so einfach. Hier kommt Covestro mit ins Spiel, das das TPU zuvor an Heytex geliefert hat. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Leverkusen produziert an 48 Standorten weltweit und zählt zu den führenden Herstellern von Kunststoffen und deren Komponenten. „Die Zusammenarbeit ist ein Novum für uns, weil wir selten mit den Endkunden in Kontakt kommen“, so Mark Scheller, Business Developer bei dem Spezialisten. Covestro testet aktuell, wie man die LKW-Planen aus TPU chemisch recyceln kann. Dabei geht es nicht nur um die reine Machbarkeit, sondern auch um wirtschaftliche Aspekte. Denn nur mit der Produktion von LKW-Planen für Freitag wäre eine solche Anlage nicht ausgelastet. Recherchiert wird gerade auch nach einem Gewebe aus TPU, das die Plane dann zu einem leichter rezyklierbaren Monomaterial machen würde. Ansonsten müsste man das TPU vom Polyestergewebe trennen. „Wir machen das Projekt mit Freitag auch, weil wir komplett zirkulär werden wollen. Denn unabhängig davon, ob man das Ganze rein monetär oder aus Umweltschutzgründen betrachtet: Die fossilen Ressourcen sind endlich“, so Scheller. Derzeit testet Covestro für alle seine Materialströme Recyclingverfahren – eine komplett neue Rolle für den Hersteller.

Heytex produziert Planen in Bramsche, Neugersdorf und in China | Foto: © Heytex
Alle Partner des Projektes „Circular Tarp“ treffen sich regelmäßig, um das Projekt entlang der Wertschöpfungskette zu entwickeln | Foto: © Freitag

Emotionale Bindung zu Freitag Taschen

Covestro kann sich allerdings noch ein wenig Zeit lassen, bis der Recyclingprozess final aufgesetzt ist, denn zunächst werden die LKW-Planen im Schnitt fünf bis sechs Jahre auf der Straße gefahren, bis sie zu Freitag gelangen und zu Taschen gefertigt werden – und von dort aus kommen sie erstmal zu den Kund*innen, die sie in der Regel sehr lange tragen, wie Anna Blattert erklärt. Services von Freitag wie Reparatur-Angebote und eine Swap-Plattform, wo man gebrauchte Taschen tauschen kann, unterstützen die Langlebigkeit. Letztendlich sei es aber auch das besondere Produkt, da durch den Schnitt aus einer LKW-Plane ein Unikat entstünde. „Unsere Nutzer*innen haben deshalb oft eine total emotionale Bindung zu ihrer Freitag-Tasche.“ 

Digital Product Passport

Das Team arbeitet auch an der Rückführbarkeit. Ein Digital Product Passport, wie ihn auch die neue Ecodesign for Sustainable Product Regulation EU-weit vorschreibt (siehe ndion Special zur neuen ESPR), soll die Rückführung in Zukunft erleichtern. Das heißt, Kund*innen schicken die Tasche nach Gebrauch zurück und das zirkuläre Planenmaterial, das direkt schon bei der Konfektionierung mit einem Chip und QR Code besiegelt wurde, gibt via Chip und QR Code selbst Auskunft über Verwendungsdauer, Herstellung und Materialien, was den Recyclingprozess erleichtert.

Co-kreativer Lernprozess

„Alle im Projekt ‚Circular Tarp‘ sind super motiviert und engagiert. Und auch, wenn wir schon seit vier Jahren dran sind, weil immer wieder neue Hürden auftauchen, sind wir sehr schnell und effizient dafür, dass man wirklich etwas komplett Neues entwickelt“, so Scheller. Das Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie facettenreich, aufwendig und ambitioniert es ist, zirkuläre Wertschöpfungsketten und entsprechende Business Modelle aufzusetzen. Welches Material für die LKW-Plane am Ende verwendet und wie es recycelt wird, welches Geschäftsmodell daraus wirklich entsteht, wie diese Freitag Taschen aussehen und bei den Kund*innen letztlich ankommen – das wird erst die Zukunft zeigen. „Es ist ein großer Lernprozess“, so Blattert.


  1. REACH ist eine Verordnung der Europäischen Union, die erlassen wurde, um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, zu verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in der EU zu erhöhen. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, also für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien. ↩︎
Gefertigt aus Nylon, lässt sich der „Mono [PA6]“-Rucksack von Freitag am Ende seines Lebens einfach rezyklieren und zu neuen Rucksackteilen verarbeiten | Foto: Elias Böttcher

Circular Design Summit:
Rethinking the Economy

Erfahren Sie mehr über die Zusammenarbeit von FREITAG, Covestro und Heytex: Auf dem Circular Design Summit

Wann: Dienstag, 11. März 2025, 9:30 – 18:00 Uhr

Wo: Hospitalhof, Stuttgart

Foto: Jason Sellers

Über die Autorin

Martina Metzner arbeitet als Journalistin für Design und Architektur mit Fokus auf sozial-ökologische Transformation. Denn gute Gestaltung und Nachhaltigkeit sind für sie untrennbar miteinander verbunden. Nach ihrem Studium der Publizistik, italienischen Philologie und Psychologie war sie elf Jahre lang in Redaktionen tätig, zunächst bei der TextilWirtschaft, danach bei Stylepark. Seit 2018 arbeitet sie frei für führende Fach- und Publikumsmagazine und betreut die Redaktion des Deutschen Design Clubs.

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