„In allem steckt Design“, schrieb die kubanisch-mexikanische Designerin Clara Porset. Sie vertrat die Ansicht, Handwerk und Industrie inspirierten sich gegenseitig, was dem modernen Design einen alternativen Weg aufzeigen könnte. Naturgemäß teilten nicht alle ihre Kolleg*innen ihre Überzeugung. Für einige war das Design in der Tat eine Weiterentwicklung lokaler und indigener Handwerkstraditionen, was zur Kombination jahrhundertealter Handwerkstechniken mit maschinellen Methoden führte. Andere wiederum reagierten auf die Marktbedingungen sowie den lokalen Geschmack und stützten sich in ihren Arbeiten auf verfügbare Technologien und gängige industrielle Verfahren. In einer Zeit politischer, wirtschaftlicher und sozialer Umwälzungen veränderte sich auch die visuelle Kultur Lateinamerikas. Da die Gestaltung des häuslichen Umfelds Vorstellungen von nationaler Identität, Produktionsmodellen und modernen Lebensweisen verkörperte, bot das Haus zahllose Möglichkeiten für einen Dialog zwischen Kunst, Architektur und Design.
Unter dem Titel „Crafting Modernity: Design in Lateinamerika, 1940 -1980“ präsentiert das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) vom 8. März bis zum 22. September Highlights modernen Wohndesigns aus Südamerika. Die Ausstellung, so das MoMA, konzentriert sich dabei auf jene sechs Länder – Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Venezuela –, die bei der Entwicklung des modernen Wohndesigns in Lateinamerika eine Vorreiterrolle gespielt haben. Damit widme sich erstmals ein großes amerikanisches Museum dem Design in der Region. Anhand von mehr als 100 Objekten, darunter Möbel, Grafikdesign, Textilien, Keramik und Fotografien aus der Sammlung des MoMA sowie aus öffentlichen und privaten Kollektionen in den USA, Lateinamerika und Europa, wolle die Ausstellung aufzeigen, auf welche Weise das lateinamerikanische Design die Basis für die Untersuchung und das Verständnis größerer politischer, sozialer und kultureller Veränderungen in der Region biete. Zu den Höhepunkten der Schau gehören der „Butaque“-Stuhl von Clara Porset, der „Bowl“-Stuhl von Lina Bo Bardi, der „B.K.F.“-Stuhl von Antonio Bonet, Juan Kurchan und Jorge Ferrari Hardoy sowie das „Malitte Lounge Furniture“ von Roberto Matta.
Die von der Gastkuratorin Ana Elena Mallet zusammen mit Amanda Forment aus der Abteilung für Architektur und Design des MoMA kuratierte Ausstellung nimmt die Nachkriegszeit in Lateinamerika in den Blick, „eine Periode dramatischer Veränderungen, die durch großes Wirtschaftswachstum und rasche Modernisierung gekennzeichnet war“. In den 1940er Jahren, als in Europa der Zweite Weltkrieg tobte, ersetzten die Länder der Region traditionell importierte Waren durch im Inland hergestellte Produkte. Die nationalen Industrien erfuhren dadurch einen rasanten Aufstieg, und Designer*innen eröffneten sich neue berufliche Möglichkeiten. Ende der 1970er Jahre kam es in der gesamten Region dann zu einer Reihe von Wirtschaftskrisen, die, wie es heißt, in Lateinamerika das Ende einer Ära markierten, in der man glaubte, es sei die Aufgabe des Staates, die Modernisierung voranzutreiben und einen starken Binnenmarkt für inländische Waren zu fördern.
„Mit dieser Ausstellung“, so Ana Elena Mallet, „hoffen wir, dem Publikum die Art und Weise näher zu bringen, in der der Bereich des Designs in Lateinamerika, insbesondere das Design für den häuslichen Bereich, die vielschichtigen und komplexen Visionen der Moderne in der Region widerspiegelt“. Darüber hinaus wolle die Schau das Engagement des MoMA für lateinamerikanisches Design kritisch beleuchten, das 1940 mit dem Wettbewerb des Museums für Industriedesign in den 21 amerikanischen Republiken begann, dessen preisgekrönte Arbeiten im folgenden Jahr im Rahmen der MoMA-Ausstellung „Organic Design in Home Furnishings“ ausgestellt wurden, die von Eliot Noyes, dem damaligen Direktor der Abteilung für Industriedesign des Museums, organisiert wurde. Ein weiterer Schwerpunkt sind Wohnräume als Experimentierfelder für modernes Wohnen, die für die Entwicklung des Designs in der Region von Bedeutung waren. Dazu gehören die „Casa de Vidro“ von Lina Bo Bardi (Brasilien, 1951) und das Haus von Alfredo Boulton in Pampatar, dessen Möbel von Miguel Arroyo entworfen wurden (Venezuela, 1953). Die Entstehung des Berufs des Designers in Lateinamerika soll ebenso beleuchtet werden wie die Rolle von Designer*innen als Unternehmer*innen und die Zusammenarbeit mit internationalen Marken wie Knoll und Herman Miller.
Crafting Modernity: Design in Lateinamerika, 1940 -1980
8. März – 22. September 2024
Museum of Modern Art (MoMA)
11 W 53rd St, New York,
NY 10019, Vereinigte Staaten
https://www.moma.org/
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