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Von Andrej Kupetz

Überwachungskameras in Kühlschränken und VR-Brillen mit Papiertüten: Unser Leben in der digitalen Welt wird nur erfolgreich sein, wenn wir lernen, uns zu disziplinieren und anzupassen.

Im 50. Jahr ihres Bestehens hat sich die Consumer Electronic Show in Las Vegas zum weltweit bedeutendsten Gradmesser für den Stand der Digitalisierung unseres Lebens gemausert. Die Sinnhaftigkeit so mancher Entwicklung wird dabei nicht hinterfragt, vielmehr hat sich die Schau den kindlichen Charme einer Erfindermesse bewahrt: Wir zeigen, was wir können, nicht so sehr, was wir brauchen.

Vor diesem Hintergrund nutzen seit fünf Jahren auch die großen Autohersteller die Messe als Kommunikationsplattform für ihre Visionen vom vernetzten oder autonomen Fahren. Gerade die deutschen Autobauer haben in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt: Daimler zeigte 2015 seinen selbstfahrenden Prototyp F015, und Volkswagen suchte 2016 mit der Präsentation des Konzepts Budd-e nach einem öffentlich wirksamen Weg, sein ramponiertes Image elektrisch aufzupolieren.

Obwohl nicht explizit vor Ort, waren Audi, BMW und Daimler in diesem Jahr dennoch medial präsent wie nie: Wie auf den Punkt geplant, erfolgte anlässlich der CES die Pressemeldung, dass die drei Eigentümer des Kartendiensts Here 25 Prozent ihrer Aktien weiterverkauft haben: Zehn Prozent davon übernahm ein Konsortium aus China, 15 Prozent der Chiphersteller Intel, einer der Hauptaussteller der CES. Für die deutschen Premiummarken ist ein solches Bündnis Neuland, galt es doch bisher als gesetzt, die Herausforderungen der Branche stets aus eigener Kraft zu stemmen. Aber die Erkenntnis, es bei allen Fragen der Mobilität der Zukunft mit den IT-Größen aus Kalifornien und nicht länger mit den Wettbewerbern aus der Autoindustrie zu tun zu haben, hat das gemeinschaftliche Auftreten wohl ermöglicht. Denn anders als die Autobauer wissen die Techies bereits, wie man mit Daten Geld verdient.

Fokus Haustechnik

Wesentlich spannender als die Autos war denn auch der Fokus der Messe auf Haustechnik. Das smarte Heim mit seinen vernetzten Lichtschaltern, Kühlschränken und Thermostaten eroberte sich schon in den vergangenen Jahren immer mehr Raum in den Messehallen. Jetzt kommen digitale Assistenten hinzu, die das Leben zu Hause erleichtern und mit der Außenwelt vernetzen sollen.

Bosch beispielsweise präsentierte Kuri, einen kleinen, menschelnden Haushaltsroboter. Streichelt man Kuri über den Kopf, wendet der Roboter seinen Blick zum Nutzer und schnurrt erfreut. Kuri kann Musik abspielen, auf ungewöhnliche Ereignisse aufmerksam machen oder seine Nutzer freundlich begrüßen, wenn sie die Haustür aufschließen. Wer nicht daheim ist, kann per App jederzeit auf Kuris Sichtfeld, eine Kamera, zugreifen und so auch die lieben Kleinen oder den Inhalt seines Kühlschranks kontrollieren. Überhaupt schien das Thema Kühlschrankkamera die CES zu bestimmen. Dabei geht es um intelligente Kameras, die den Inhalt des Kühlschranks scannen und selbstständig entscheiden, welche Lebensmittel abgelaufen oder nachgekauft werden müssen. Bis zur Kontrolle des Essverhaltens des menschlichen Kühlschranknutzers ist es da nur ein kleiner Schritt – denn die Sensoren bieten Datenmaterial, nach dem sich die Krankenkassen die Finger lecken würden.

Virtual Reality auf dem Vormarsch

Ein weiteres Highlight der 50. Ausgabe der CES waren die Entwicklungen auf dem Gebiet der VR-Brillentechnologie. So stellte Intel eine Neuheit vor, die es den Nutzern ermöglicht, beispielsweise Fußballspiele von jedem erdenklichenPlatz im Stadion aus mitzuverfolgen. Bemerkenswert dabei: Zur Präsentation der Software reichte das Unternehmen den Besuchern nicht nur eine VR-Brille, sondern auch eine Papiertüte – aus Vorsorge, falls das ungewohnte Seherlebnis zum Brechreiz führen sollte.

Doch die Brille mit Tüte wirft viel wichtigere Fragen auf: Werden wir uns an die neuen Sichtweisen gewöhnen? Sind wir in der Lage, uns anzupassen und unsere Unzulänglichkeiten im Verarbeiten der Daten, die unsere Augen empfangen, zu kompensieren? Können wir uns im digitalen Zeitalter in Darwins Sinne optimieren und an die digitalen Verhältnisse anpassen oder werden wir schlicht aussterben wie so viele Arten vor uns? Solange mein Kühlschrank über dessen Inhalt wacht, besteht zumindest Hoffnung, dass die Erziehung zum (technisch) besseren Menschen gelingen könnte.


Zuerst erschienen im designreport 01/2017. Beitragsbild © Bosch

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