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© Het Nieuwe Instituut
Thayaht im Overall, fotografiert von P. Salvini, Florenz, 1920, Photographic archive of the Prato Textile Museum
Winston Churchill in seinem „Sirenenanzug“ in Chartwell, Kent, © Illustrated London News Ltd/Mary Evans.

„Funktionskleidung“ ist kein schönes Wort. „Workwear“ klingt da schon besser, vor allem deutlicher nach Arbeit. Was ursprünglich eine Art Werkzeug zum Anziehen war, hat sich längst von den Arbeitsstätten gelöst, inspiriert Alltagsmode und Haute Couture. Industrie-Look und modische Assoziationen mit der Arbeiterklasse haben die unterschiedlichsten Subkulturen geprägt. Nicht umsonst wird von „weißen Kitteln“ und „Blue-Collar“-Berufen gesprochen. Noch bis zum 10. September zollt das Nieuwe Instituut in Rotterdam unter dem Titel „Workwear“ all den Kleidungsstücken Tribut, die bei der Arbeit getragen werden, diese symbolisieren und oft genug auch für deren Besonderheiten entworfen werden. Kuratiert von der Modeforscherin Eldina Begic, präsentiert die Schau Dutzende von Vintage-Klassikern, aktuellen Highlights und futuristischen Experimenten aus den Kollektionen von Modedesignern wie Massimo Osti und Nigel Cabourn, Künstler*innen wie Lucy Orta und William Morris, privaten Sammlungen und öffentlichen Museen. Ein besonderer Teil der Ausstellung ist zudem der Beziehung zwischen Berufsbekleidung und Nachhaltigkeit gewidmet. Ein Designer und ein Performer imaginieren darüber hinaus die Zukunft der Arbeit und der damit verbundenen Arbeitskleidung. Das Ausstellungsdesign hat das Architektur- und Designbüro „Cookies“ besorgt, das Grafikdesign stammt vom Studio Isabelle Vaverka.

„Es gibt“, so Eldina Begic, „bestimmte Berufe, bei denen die Menschen, die die Arbeit verrichten, hochspezifische, hochtechnische Arbeitskleidung tragen müssen: Feuerwehrleute, Kampfjet-Piloten, Astronauten, Schlepperbesatzungen, Müllmänner und Mechaniker zum Beispiel. In diesen Berufen ist man auf seine Kleidung angewiesen, um sich frei bewegen und schützen zu können; manchmal hängt sogar das eigene Leben davon ab“. Die Ausstellung will einerseits aufzeigen, wie die schlichte Formensprache der „Workwear“, die strapazierfähigen Materialien, aus der sie besteht, und die symbolische Bedeutung der jeweiligen Berufskleidung die Fantasie anregen. Andererseits geht die Schau der Frage nach, ob die Arbeitskleidung dabei helfen könnte, sich die Gesellschaft der Zukunft vorzustellen.

In Rotterdam gezeigt werden u. a. Röntgenbilder von Neil Armstrongs Mondlandungsanzug neben einem „Raumanzug“ mit abnehmbaren Beinen, der von Mitgliedern der niederländischen Provo-Bewegung getragen wurde. Ein originales Überhemd des Arts-and-Crafts-Designers William Morris ist ebenso zu sehen wie ein italienischer Futuristen-Overall von Thayaht. Theaterkostüme der russischen Avantgarde zeigen, wie sich ihre Schöpfer die Zukunft anhand von Arbeitskleidung vorgestellt haben. Dass Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Künstler*innen sich gern in Arbeitskleidung fotografieren lassen, um bestimmte Botschaften zu vermitteln, ist immer wieder zu beobachten. Der frühere britische Premier Winston Churchill ging weit darüber hinaus: Er war nicht nur ein Verfechter des Tragens von Arbeitskleidung als einfache und praktische Freizeitkleidung; während des Zweiten Weltkriegs verteilte er das Schnittmuster des von ihm erfundenen „Sirenenanzugs“, damit Zivilisten die Overalls nachschneidern konnten, die er der Kleidung von Maurern nachempfunden hatte.


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