Geht es ums Ornament, prallen Tradition und Moderne scheinbar unversöhnlich aufeinander. Jahrhundertelang galt schmückendes Beiwerk als schön und unentbehrlich. Ornamenten wurden Eigenschaften wie gemütlich, dekorativ und sinnlich zugeschrieben. Berühmt geworden ist aber auch die Invektive des Wiener Architekten Adolf Loos, der den Objekt- und Bauschmuck vor mehr als 100 Jahren in „Ornament und Verbrechen“ aufs Korn nahm und den Zierrat als Verschwendung von Material, Arbeitskraft und Gesundheit geißelte. Verzierung oder reine Form, das bleibt die Frage.
Vom 13. Oktober bis 28. April 2024 will die Ausstellung „Das Ornament – Vorbildlich schön“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) anhand von 80 Objekten aus der Sammlung „den Gestaltungs- und Bedeutungswandel des Ornaments in unterschiedlichen Epochen“ veranschaulichen. Gezeigt werden unter anderem japanische Papierschablonen, persische Stickereien und Tapeten des Gründers der Arts-and-Crafts-Bewegung William Morris. Verzierte Ornamentdrucke stehen den schnörkellosen Produkten der deutschen Designschulen des 20. Jahrhunderts gegenüber; ein beleuchteter Spiegel von Ettore Sottsass, der in den 1980er Jahren die Memphis-Bewegung mitbegründet hat, feiert im Design ironisch die Rückkehr des Ornaments. Zeitgenössische Positionen, so heißt es in der Ankündigung, erweiterten den gestalterischen Diskurs um die politische Dimension des Ornaments und machten auf aktuelle Themen wie Klimawandel und Feminismus aufmerksam.
Den Ausgangspunkt der Schau bildet das Konvolut von Ornamentstichen in der Sammlung des MK&G, das die Entwicklung ornamentaler Formen vom 15. bis zum 19. Jahrhundert nachvollziehbar macht. Als Teil der von Gründungsdirektor Justus Brinckmann (1843 bis 1915) angelegten „Vorbildersammlung“, dienten die Stiche Studierenden der Kunstgewerbeschule (heute HFBK Hamburg) als Zeichengrundlage und Inspirationsquelle. Um Kunsthandwerk und manuelle Fertigung in der zunehmend industrialisierten Gesellschaft zu bewahren, schlossen sich Mitte des 19. Jahrhunderts Designer*innen, Künstler*innen und Architekt*innen zur Arts-and-Crafts-Bewegung zusammen. Welch handwerkliches Geschick die anspruchsvollen Entwürfe erforderten, offenbaren Tapeten, präzise, detailreiche Drucke mit floralen Mustern, aus der Manufaktur von William Morris (1834 bis1896). Persische Stickereien und Katagami, japanische Papierschablonen zum Einfärben von Stoffen, belegen Einflüsse auf die europäische Ornamentik. Grafiken und Möbel des Bauhauses und des Deutschen Werkbunds verzichten dann bewusst auf jede Art von Dekoration, wogegen die Mailänder Memphis-Bewegung den vorherrschenden Funktionalismus mit farbenfrohen Mustern und verspielten Interieur attackiert. Den Ursprung ornamentaler Gestaltung verdeutlichen schließlich antike Glasscherben, was von der Designerin Anna Resei in ihrem Projekt „water carriers“ aufgegriffen wird. Die Reproduzierbarkeit ornamentaler Formen nutzen Anne Meerpohl und ANna Tautfest aus der Experimentellen Klasse der HFBK Hamburg, um in ihrer „Care Station“ feministische Inhalte zu kommunizieren.
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