Architekturprojekte haben ihre eigene Dynamik. Selten verlaufen sie auf gerader Linie: Sie werden angestoßen, schreiten voran, zweigen ab, kehren um, bleiben stehen oder erstarren in einem bestimmten Stadium. Tatsache ist, dass viel mehr Architektur entworfen als letztendlich gebaut wird. Selbst in einem Land wie der Schweiz mit ihrer intensiven Bautätigkeit stellt das Gebaute nur die Spitze eines kreativen Eisbergs dar. Als weitere Hürde in Richtung Realisierung kommt hinzu: Nur wenige Länder räumen ihrer Bevölkerung ein derart weitreichendes demokratisches Mitbestimmungsrecht bei der Umsetzung von Architektur und Städtebau ein wie die Schweiz. Und schließlich darf nicht vergessen werden: Herbeigesehnte, aber nicht realisierte Werke sind keineswegs Einzelschicksale, sondern gehören zum Alltag jeden Architekturbüros.
Nun lenkt das S AM Schweizerische Architekturmuseum in Basel die Aufmerksamkeit auf „den schlafenden Riesen unter der Oberfläche“, der, so die Vermutung, das Wesen der Architektur noch mehr verkörpert als das, was materielle Gestalt angenommen hat.Im Dialog mit fast zwei Dutzend Architekturinstitutionen aus allen Landesteilen wird dazu unter dem Titel „Was wäre wenn. Ungebaute Architektur in der Schweiz“ noch bis zum 7. April 2024 eine repräsentative Auswahl aus dem schier unendlichen Fundus des Ungebauten präsentiert. Die Summe der Projekte, so das Museum, zeichne „das Bild einer alternativen Schweiz, in der der Mut zur Utopie größer ist als die Angst vor Fehlern“, zumal viele der Projekte, seien sie „verloren, verneint, versackt oder verändert“, bis heute im Land von sich reden machten.
In einem Prolog nimmt die von Andreas Kofler kuratierte Schau zunächst die Form eines „Salon des refusés“ an. Im Anschluss geht es um „eine Hommage an den leidenschaftlichen Idealismus, mit dem Architektinnen und Architekten unermüdlich immer wieder neue Projekte generieren“ – und um den Wettbewerb als Mythos. Dabei beleuchtet der Dokumentarfilm „The Competition“ (2013) über den Wettstreit zwischen einigen der bekanntesten Architekt*innen um den Zuschlag für das zukünftige Nationale Kunstmuseum in Andorra die hinter den Kulissen ausgetragenen Machtkämpfe. Jedem Projekt ist in der Ausstellung ein Tisch gewidmet, auf dem Pläne, Skizzen, Modelle und weiteres Präsentationsmaterial zu sehen sind. Wodurch das Museum „zu einer Art Großraumbüro“ werde, „in dem man chronologisch von Projekt zu Projekt wandeln kann“. Zur Ausstellung erscheint im Christoph Merian Verlag (CMV) eine zweisprachige (Deutsch/Englisch) Publikation.
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