In „ARCHITECTON“ spannt der russische Dokumentarfilmer Victor Kossakovsky einen weiten Bogen vom Bauen zur Stabilität und Ästhetik des Lebens. Zeuge ist der Architekt und Designer Michele De Lucchi.

Steinkreise und Mauerbögen, Steinbrüche und Tempel. Überwältigende Naturaufnahmen erinnern an den Lebenszyklus der Steine. Er beginnt in der Natur und endet auf der Müllhalde. Während moderne Bauwerke durch Kriege und Naturkatastrophen in sich zusammenstürzen, erinnern antike Ruinen in den entlegensten Winkeln der Erde an eine Stabilität und Ästhetik des Lebens, die verloren scheint. Für den russischen Dokumentarfilmer Victor Kossakovsky ist Architektur weit mehr als die Gestaltung von Gebäuden. Für ihn ist sie „eine Raumkunst, die die Spielräume unserer Handlungen, unserer Politik, unseres Seins bestimmt“.


Der Architekt Michele De Lucchi ist für Kossakovsky ein Idealist in seinem Beruf. Er manifestiere in seinen Bauten „einen unkaputtbaren Glauben an das Gute im Menschen“, sei aber gezwungen, kunstlose Wolkenkratzer zu entwerfen. Dabei sei die heutige, aus Beton gegossene Architektur nicht nur hässlich und verschmutze die Umwelt, sie sei auch extrem kurzlebig. Ihre Lebensdauer betrage im Durchschnitt nicht mehr als 40 Jahre. Also porträtiert der Dokumentarfilmer „einen desillusionierten Repräsentanten unserer Gegenwart und seinen Versuch, dem rücksichtslosen Krieg des Menschen gegen die Natur zu trotzen“. Kossakovsky stellt die Frage, was die Menschen einer kommenden Zivilisation von unserer Zeit wiederfinden werden. Mögliche Antworten darauf verdichtet er zu einem visuellen Kinoerlebnis, das uns, so die Ankündigung, „die fragiler gewordenen Strukturen der Welt hautnah spüren lässt“. Alles dreht sich um „den Traum nachhaltiger Architektur und die Suche nach einem neuen Verständnis von Schönheit, das uns einen Ausweg aus diesem Labyrinth aus Beton zeigen kann“.
Den Titel des Films – „Architecton“ – fand der Regisseur in Tolstois „Krieg und Frieden“: Am Ende des Buches blickt die Hauptfigur zum Himmel auf und sagt: „Großer Architecton der Natur, bitte hilf mir, aus diesem Labyrinth der Lügen herauszukommen.“ Wenn viele Architekt*innen an einem Projekt arbeiteten, so Kossakovsky, werde die Leitung der Architekt*innen „Architecton“ genannt. Er sei also der Architekt der Architekten. Der Begriff werde aber auch für jemanden verwendet, der „dieses Universum erschafft“. Nicht Gott, sondern der oder die „Architecton“ des Universums.

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