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Von Jan Rasmus Ludwig.

Wann entstand der Schutz der gestalterischen Form? Und welche Faktoren werden in einem Designpatent berücksichtigt? In der Publikation „Designpatente der Moderne. 1840-1970“ gewinnt der Leser nicht nur interessante Einblicke in die Geschichte des Designpatents. Die Analyse ausgewählter Patentschriften ermöglicht zusätzlich eine konkrete und kontextualisierte Betrachtung des Designpatents als kunsthistorische Quelle.

Das von Robin Rehm und Christoph Wagner herausgegebene Werk „Designpatente der Moderne. 1840-1970“ (Gebrüder Mann Verlag) ist ein Buch, das für eine Vielzahl von Lesern spannende Denkanstöße bereithält. Es erzeugt einen besonderen Sog, der nicht zuletzt auf dem gekonnten Perspektivwechsel beruht. Die für sich genommen bereits anregende, disziplinübergreifende Betrachtung gewinnt insbesondere durch die geschichtliche Einordnung bekannter „Design-Klassiker“ an Tiefe.

Die Monographie, an der 39 Autoren und Autorinnen beteiligt waren, gliedert sich in zwei Teile: einerseits in eine Abhandlung des „Designpatents“ und andererseits in eine Detailbesprechung 50 bedeutender Patentschriften. Im Ganzen betrachtet gleicht die Publikation einem sommerlichen Blumenstrauß; es lohnt der zweite, genauere Blick, um Neues und Spannendes zu entdecken.

Von der Entstehung eines Schutzsystems

Im ersten Teil erfolgt eine Einordnung des Designpatents in seiner designgeschichtlichen, kulturellen und rechtlichen Bedeutung. Besonders spannend und lehrreich ist die Abhandlung von Louis Pahlow zum Schutz der ästhetisch-gestalterischen Form im Deutschen Kaiserreich. Weil es kein übergeordnetes System zum Schutz von zwei- und dreidimensionalen Formen gab, hatte das Patent eine gewisse Auffangfunktion für Designinnovationen.

Solange in der gestalterischen Innovation eine Erfindung gesehen werden konnte, war das Ergebnis dem Patentschutz zugänglich. Pahlow eröffnet das Spannungsfeld anhand der „Erfindungshöhe“ und es gelingt ihm im weiteren Verlauf, den Bogen zum Musterschutz und zum Gebrauchsmuster, dem kleinen Patent, zu schlagen.

Der Patentschutz in ideologisch geprägten Zeiten

Ebenfalls hervorzuheben ist die Abhandlung von Sabine Zentek zum Einfluss des Nationalsozialismus auf die rechtliche Anerkennung von gestalterisch reduzierten Produkten als urheberrechtliche Werke. Versiert und anschaulich stellt Zentek die Entscheidungspraxis dar und konkretisiert anhand des Türdrückers von Prof. Walter Gropius den Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Ihr gelingt der Nachweis, dass der Wandel zu großen Teilen ideologisch motiviert war. Denn nahezu zeitgleich zur Urteilsverkündung des Ersten Zivilsenats wurde das Bauhaus in Dessau auf Betreiben der Nationalsozialisten hin geschlossen. Mit dem Zeitgeist war es schlicht nicht zu vereinen, das Urheberrecht einem Produkt des klagenden, jüdischen Unternehmens zuzusprechen, das in der Gestaltungstradition des „kulturbolschewistischen“ Bauhauses stand.

Designklassiker in der Analyse

Die ausgewählten Patentschriften im zweiten Teil der Publikation werden jeweils gekonnt analysiert und in ihrer zeit-, design- und wirtschaftsgeschichtlichen Bedeutung dargestellt. Besprochen werden etwa Klassiker wie Michael Thonets Patent zum Biegen von Schichtholz, Edisons „Electric Lamp“, das Harnstoffharz-Patent der H. Römmler AG, das zur Anwendung bei Radioempfängern oder Bestecken kam, aber auch Alvar Aaltos „Process of Bending Wood“ und diverse Bauhaus-Produkte (wie z.B. Marcel Breuers Stahlrohrmöbel oder sein Klappsessel 1927) sowie die ikonische Leuchte von Wilhelm Wagenfeld.

Für Designliebhaber, -interessierte und -forscher ist diese Monographie eine wahre Fundgrube, die sich den Patentschriften des Designs als einer bislang schmerzlich vernachlässigten Quelle der Kunst-, Design- und Wissenschaftsgeschichte widmet.


Designpatente der Moderne. 1840-1970.
ZOOM. Perspektiven der Moderne. Band 5
Hrsg. Robin Rehm und Christoph Wagner
Verlag Gebrüder Mann, Berlin, Mai 2019
480 Seiten, 285 s/w-Abbildungen, 18 × 25 cm, Hardcover
69,00 Euro

Mit Beiträgen von
Astrid Arnold, Nacho Baños, Justus A. Binroth, Donatella Cacciola, Dominic E. Delarue, Sebastian Hackenschmid, Leonie Häsler, Christiane Heibach, Mathias Horstmann, Christian Kassung, Kathrin Kinseher, Albert Kümmel-Schnur, Günter Lattermann, Frederike Lausch, Regina Lösel, Otakar Máčel, Beate Manske, Alexandre Métraux, Werner Möller, Stanislaus von Moos, Franziska Müller-Reissmann, Sebastian Neurauter, Solveig Ottmann, Louis Pahlow, Robin Rehm, Arthur Rüegg, Rolf Sachsse, Walter Scheiffele, Michael Siebenbrodt, Manfred Speidel, Christian Spies, Daniela Stöppel, Wolfgang Thöner, Sabine Thümmler, Friederike Waentig, Christoph Wagner, Sarine Waltenspül, Christoph Wowarra, Sabine Zentek


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