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Berta Kiesewetter, Beklebezettel Dr. Ötker‘s Backpulver, Wiener Werkstätte, Wien, Kunstmuseen Krefeld, Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld
Julius Gipkens, Plakat Kaiser Brikett, 1913, Farblithografie, Druck: Hollerbaum & Schmidt, Berlin, Kunstmuseen Krefeld, Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld
Josef Hoffmann, Karaffe mit zwei Gläsern aus der Serie Var. B, um 1911, Mattiertes Glas, Bronzitdekor, Ausf: J. & L. Lobmeyr, Wien, um 1914, Kunstmuseen Krefeld, Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld

Karl Ernst Osthaus war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur einer der wichtigsten deutschen Kunstsammler und Kunstmäzene, er war ein Visionär der Moderne und einer neuen Einheit der Künste. Sein erstes kulturelles Projekt war die Errichtung eines Museums in Hagen, das den Namen „Folkwang-Museum“ trug. Ursprünglich für seine naturkundliche Sammlung gedacht, verlagerte sich dessen Schwerpunkt jedoch bereits vor der Eröffnung hin zur Kunst. Das Museumsgebäude entstand zwischen 1898 und 1902 nach Plänen des Architekten Carl Gérard im Stil der Neorenaissance; die Innenausstattung im Jugendstil führte der belgische Künstler Henry van de Velde aus. Osthaus bemühte sich in einem weiten Sinn, das soziale Leben durch Kunst zu gestalten, regte die Gründung einer Künstlerkolonie, von Werkstätten und eines Lehrinstituts an. Ein Jahr nach Osthaus‘ Tod 1921 verkauften seine Erben den größten Teil seiner Kunstsammlungen an die Stadt Essen, wo das Museum Folkwang neu errichtet wurde. Die Bestände des „Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe“ (DM) indes kamen nach Krefeld.

Noch bis zum 28. April 2024 präsentiert das Kaiser Wilhelm Museum (KWM) in Krefeld die Ausstellung „Die große Verführung. Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur“. Dass Osthaus‘ Sammlungen des DM vor genau einem Jahrhundert nach Krefeld kamen, wo sie eine der weltweit ersten Designkollektionen bildeten, ist neben dem 650. Stadtjubiläum Anlass für die Schau. Mit ihr ehrt das KWM „das Erbe und die visionäre Arbeit des Hagener Mäzens und Sammlers, der zwischen 1909 und 1919 in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Werkbund einen beeindruckenden Bestand vorbildlicher Werbegrafik und Alltagsprodukte zusammengetragen hat“. Das Spektrum reicht von Plakaten und Werbegrafiken, Typografie und Fotografie über Tapeten und Stoffe bis zu Alltagsobjekten aus Glas, Metall und Keramik sowie Luxuswaren aus Silber. Beim Aufbau der Sammlung arbeitete Osthaus seinerzeit eng mit führenden Künstler*innen der Zeit zusammen, neben dem bereits genannten Henry van de Velde u.a. mit Walter Gropius, Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Clara und Fritz Hellmuth Ehmcke, mit Vertreter*innen der Wiener Werkstatte wie Mela Kohler, Josef Hoffmann und Koloman Moser sowie einflussreichen Reklamekünstlern wie Lucian Bernhard und Julius Klinger. Im Verbund mit all diesen Persönlichkeiten aus Kunst, Kunstgewerbe und Architektur legte Osthaus mit die Grundlagen, auf denen in den 1920er Jahren das Bauhaus entstehen konnte.

Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich mit der industriellen Massenproduktion auch das kulturelle Leben verändert: Auf den „Bühnen des städtischen Alltags“ traten Waren „in ästhetisch inszenierten Schaufenstern und prächtigen Kaufhäusern“ in Erscheinung. Schaufensterbummel und Shopping als Freizeitvergnügen wurden Teil einer sich entwickelnden Konsumpraxis. Reklame prägte in den pulsierenden Großstädten die Kultur des Zeigens im öffentlichen Raum. Corporate Identity und moderne Werbestrategien entstanden. ,,Die einzigartige Sammlung des Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe“, so Museumsdirektorin Katia Baudin, „ist ein faszinierendes Zeugnis für die innovative Zusammenarbeit von Gestalter*innen mit Handel und Industrie vor über 100 Jahren“. Bis heute bilde Osthaus‘ Konvolut den Kern der Museumssammlung, wobei der sich darin spiegelnde Werkbund­Gedanke die Basis für die aktuelle Programmatik der Kunstmuseen Krefeld darstelle, in der sich Kunst, Design und Architektur auf Augenhohe begegnen. Deshalb will die von Dr. Magdalena Holzhey und Dr. Ina Ewers-Schultz kuratierte Ausstellung durch einen Blick in die Vergangenheit zugleich Impulse für die Gegenwart und Zukunft geben. Begleitend ist im Wienand-Verlag ein reich bebilderter Katalog in einer deutschen und einer englischen Ausgabe erschienen.

„Die große Verführung. Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur“
24. November 2023 bis 28. April 2024
Kaiser Wilhelm Museum
Joseph-Beuys-Platz 1
47798 Krefeld
www.kunstmuseenkrefeld.de


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