2 Min Lesezeit
Kapwani Kiwanga, pink-blue, 2017, Baker-Miller-Pink, weiße Farbe, weiße und blaue Leuchtstoffröhren, Maße variabel, Installationsansicht, A wall is just a wall, The Power Plant, Toronto, Kanada, 2017, Courtesy die Künstlerin und Goodman Gallery, Kapstadt, Johannesburg, London / Galerie Poggi, Paris / Galerie Tanja Wagner, Berlin, © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Tony Hafkenscheid
Kapwani Kiwanga
Courtesy die Künstlerin und Galerie Poggi, Paris
Foto: Bertille Chéret

Zarte Zierpflanzen bergen toxische Kraft, Farben entfalten manipulative Effekte, Licht wird als politisches Instrument entlarvt. Kapwani Kiwanga, so ist der Ankündigung ihrer Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg zu entnehmen, sucht nach einem künstlerischen Vokabular, um bestehende Strukturen und Machtverhältnisse aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Ihre Arbeiten sprächen zunächst die Sinne der Betrachterinnen und Betrachter an; erst auf den zweiten Blick offenbarten sie ihre historisch-politischen Dimensionen. Glas, Zweiwegespiegel, Schattiernetze, Stein, Sand, Sisal, Pflanzen, aber auch Licht und Farbe seien für Kiwanga keine wertneutralen, sondern inhaltlich bedeutsame Materialien, mittels derer sie soziale, ökologische, geologische, geschichtliche und diasporische Themen in starke künstlerische Statements übersetze. Sie inszeniere, so das Museum, „Materialgeschichten, in denen das Material Botschafter, Metapher, Erfahrungsträger und sozialpolitisches Instrument zugleich ist“. Auf diese Weise rüttle sie an den Grundmauern unserer kulturellen Sozialisierung und verfeinere „unser Gespür für versteckte gesellschaftliche Mechanismen, strukturelle Ungerechtigkeiten und globale wie alltägliche Machtasymmetrien“.

Unter dem Titel „Die Länge des Horizonts“ zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg vom 16. September bis zum 7. Januar 2024 die erste umfassende „Mid-Career-Retrospektive“ der kanadisch-französischen Künstlerin, die 2024 den kanadischen Pavillon im Rahmen der venezianischen Kunst-Biennale bespielen wird. Zu sehen sind Werke von Kiwangas Anfängen bis heute, so etwa die Installation „Terrarium“ (2022), der sechzehn Meter lange Farblichttunnel „pink-blue“ (2017) oder die skulpturale Serie „Glow“ (2019 fortlaufend). Kapwani Kiwanga, studierte Anthropologin und vergleichende Religionswissenschaftlerin, arbeitet in ihren Werken mit sogenannten Exit-Strategien: „Ich versuche nicht, das wiederzugeben, was man weiß. Ich versuche auch zu sehen, wie wir über das Bekannte hinausgehen können. Das erfordert ganz einfache Dinge wie eine andere Sichtweise oder sogar eine neue Sichtweise. […] Diese ,Ausstiegsstrategien‘ sind sehr persönlich, aber sie können auch kollektiv erlebt werden“, resümiert die Künstlerin.

„I’m not trying to restate what one knows. I’m also trying to see what ways to get past what we know. To do that requires very simple things like just looking at it differently, or just even looking at it for the first time. […] These ‘exit strategies’ are very personal but they can be collectively experienced as well”,

Kapwani Kiwangas Installationen, Bilder, Papierarbeiten, Fotografien und Videoarbeiten, so Uta Ruhkamp, die Kuratorin der Ausstellung, „bestechen durch ihre Ästhetik, formale Klarheit und Reduktion.“ Ihre sensible Material- und Farbauswahl, so Ruhkamp weiter, gründeten stets in tieferen Bedeutungsebenen, „die ihre Arbeiten historisch und gesellschaftspolitisch aufladen und den visuellen Genuss inhaltlich aufbrechen“. So vermesse und erweitere Kapwani Kiwanga „auf poetische Art und Weise unseren gesellschaftlichen Horizont“.

Zur Ausstellung entsteht eine umfangreiche Publikation mit Installationsansichten, Archivmaterialien, einem Gespräch zwischen Cecilia Alemani und Kapwani Kiwanga sowie Essays von Julie Pellegrin und Uta Ruhkamp. Erhältlich für 39 Euro im Museumsshop.


Mehr auf ndion

Entdecken Sie weitere Beiträge zum Thema Design sowie aktuelle Ausstellungen.


Diese Seite auf Social Media teilen:

Print Friendly, PDF & Email