Wie in kaum einer anderen Branche setzen die Hersteller von Bauprodukten auf gute Gestaltung – und das seit vielen Jahrzehnten. Und die Innovationskraft ist ungebrochen. Denn in allen Sparten entwickeln Unternehmen derzeit spannende neue Verfahren für nachhaltige Produkte und Produktionsverfahren. Das beweisen auch Gewinner der ICONIC AWARDS 2025.
von Fabian Peters

Industrieprodukte rund um den Bau gehörten zu den frühesten Massenerzeugnissen, mit denen sich Gestalterinnen und Gestalter beschäftigt haben. Bauprodukte wie Fliesen, Leuchtkörper oder Beschläge wurden schon um 1900 in großer Stückzahl in Fabriken produziert. Gutes Design sollte für eine angemessene Formensprache und für eine ökonomische Produktion sorgen. Das gilt bis heute. Inzwischen aber muss gutes Design noch ein weiteres wichtiges Kriterium erfüllen: Nachhaltigkeit – und zwar in Hinblick auf die Produktion, den Materialeinsatz und die Funktion. Für Designer*innen und Hersteller bedeutet das, noch intensiver zusammenzuarbeiten, um Produktionsprozesse zu optimieren und Materialkreisläufe zu schließen. Die vielfach ambitionierten Klimaziele vieler Unternehmen, die teilweise sogar neue Geschäftsmodelle erfordern, haben inzwischen zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt. Einige davon stellen wir hier vor.
„Gutes Design sollte für eine angemessene Formensprache und für eine ökonomische Produktion sorgen. Das gilt bis heute. Inzwischen aber muss gutes Design noch ein weiteres wichtiges Kriterium erfüllen: Nachhaltigkeit.“
Grüner Strom ersetzt Gas
Viele Bauprodukte sind aufwändig in der Herstellung. Sie werden beispielsweise in Brennprozessen gehärtet oder benötigen energieintensiv produzierte Grundmaterialien wie Stahl oder Aluminium. Hierfür Lösungen zu finden, steht derzeit im Mittelpunkt der Forschung bei zahlreichen Unternehmen im Bauproduktesektor. Keramikproduktion etwa ist bislang mit hohem Energieverbrauch und dadurch mit hohem CO2-Ausstoß verbunden. Das Brennen der Produkte erfolgt heute fast ausschließlich mit gasbetriebenen Öfen.


Ende 2023 hat der Schweizer Sanitärkeramikhersteller LAUFEN als weltweit erstes Unternehmen der Branche einen elektrischen Tunnelofen in Betrieb genommen. Im Werk Gmunden, Österreich, erfolgt seitdem die Produktion CO2-frei. Denn auch der Strom, mit dem der Ofen betrieben wird, ist grün.Teilweise erzeugt ihn LAUFEN mittels Solarkollektoren auf den Dächern des Werks sogar selbst. Die Kraftanstrengung, die diese Umstellung des Produktionsprozesses erforderte, war enorm. Im Zuge der Entwicklung des neuartigen Ofens erwarb die Muttergesellschaft von LAUFEN, die spanische Roca-Group, eigens einen Mehrheitsanteil am Göttinger Spezialisten Keramischer Ofenbau. Auch der gesamte Brennvorgang musste für den Umstieg tiefgreifend verändert werden. Denn elektrische Brennprozesse verlaufen völlig anders als gasbefeuerte.
Mit grünem Stahl in Richtung Klimaneutralität
Bei KALDEWEI in Ahlen werden Badewannen, Waschbecken und Duschflächen nicht aus Keramik, sondern aus Stahl hergestellt. Die besonders CO2-intensiven Arbeitsschritte finden hier nicht in der eigenen Produktion statt, sondern vorgelagert bei der Stahlerzeugung. Für die Serie „Edition nature protect“ verwendet KALDEWEI erstmals ausschließlich Stahl, der von den Erzeugern als CO2-frei oder CO2-neutral gelabelt wird. Allerdings ist der grüne Stahl bislang nur in geringen Mengen verfügbar. Kaldewei setzt deswegen neuerdings auch auf Refurbishment. Im Zuge eines Pilotprojektes wurden die rund zehn Jahre alten Kaldewei-Duschflächen und Badewannen des 25hours Hotel Bikini Berlin beim Hersteller sandgestrahlt, neu emailliert und zudem mit einer rutschhemmenden Oberfläche ausgestattet. Anschließend wurden sie an ihrem ursprünglichen Ort wieder eingebaut. Nach Angaben von Kaldewei sind durch die Aufarbeitung rund 65 % CO2 gegenüber einem Austausch eingespart worden.

Schnell nachwachsende Rohstoffe
Auch die Bedeutung von Holz als Werkstoff für Bauprodukte nimmt stetig zu. Allerdings wächst Holz nur relativ langsam nach. Deshalb geraten in den letzten Jahren schnell wachsende Rohstoffe verstärkt ins Blickfeld. Bambus zählt dazu, aber auch Pilzkulturen werden zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Vieles ist da noch Zukunftsmusik, doch erste Dämmprodukte aus Myzel-Materialien sind bereits marktreif. Aber nicht immer muss das Rad neu erfunden werden. Linoleum etwa, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, besteht zu großen Teilen aus schnell nachwachsenden Rohstoffen und kann als Bodenbelag auch in Bereichen eingesetzt werden, für die Holzböden nicht geeignet sind – Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser etwa. Seit einiger Zeit wird das Material wiederentdeckt.
Forbo Flooring verwendet für die 2024 bei den ICONIC AWARDS ausgezeichnete Linie „Marmoleum Cocoa“ Abfallprodukte aus der Kakaoproduktion, um dem Bodenbelag eine markante Struktur zu verleihen. Der Hersteller nimmt zudem seine alten Böden zurück, trennt sie sortenrein und recycelt sie zu neuem Linoleum. Die Möglichkeit, Komponenten sortenrein wieder zu trennen, ist ein Vorteil der Rücknahme selbst fabrizierter Produkte. Je komplexer das Produkt, desto sinnvoller ist das Recycling beim Hersteller.


„Die Möglichkeit, Komponenten sortenrein wieder zu trennen, ist ein Vorteil der Rücknahme selbst fabrizierter Produkte.“

Materialpässe für mehr Recycling im Bauwesen
Der Wiedereinbau gebrauchter Produkte stößt allerdings dort an Grenzen, wo die Weiternutzung aufgrund des technischen Fortschritts nicht sinnvoll ist. Fenster und Fassadenelemente zählen mittlerweile zu den hochtechnischen Bauprodukten – nicht zuletzt, weil sie einen wichtigen Teil zur Gebäudedämmung beitragen. Ihre thermischen Qualitäten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv verbessert und eine weitere Fortentwicklung ist wahrscheinlich. Umso wichtiger ist es, die wertvollen Rohstoffe, die in gebrauchten Fenstern und Fassaden stecken, nach dem Nutzungsende zurückzugewinnen. Materialpässe sollen zukünftig das Recycling bei solchen komplexen Bauprodukten erleichtern. Weil aber solche Pässe – physisch oder digital – über die Nutzungsdauer des Produkts verloren gehen können, setzen einige Hersteller inzwischen darauf, diese fest mit dem Bauteil zu verbinden.
Bei der Firma Rehau Window Solutions heißt dieses Prinzip Window.ID – ein wegweisender Ansatz, der 2025 bei den ICONIC AWARDS in der Zusatzkategorie „Circular Design“ ausgezeichnet wurde. Bei Window.ID werden die Fenster mit einem RFID-Transponder und einem QR-Code versehen, der jederzeit auslesbar ist. Dadurch kann das jeweilige Fenster nicht nur während der gesamten Nutzungszeit identifiziert werden – etwa, wenn Reparaturen notwendig sind. Es kann auch beim Rückbau geklärt werden, welche recyclingfähigen Wertstoffe in dem Produkt stecken. Das ist die Voraussetzung für das vielbeschworene „urban mining“, gemeint ist damit die Rohstoffrückgewinnung aus Altprodukten im großen Stil.
„Gutes Design kann aber auch noch auf eine ganz andere Weise zu nachhaltigem Handeln beitragen – indem es Gewohnheiten verändert und dabei unterstützt, verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen.“
Eine Armatur, die Ressourcen schont
Gutes Design kann aber auch noch auf eine ganz andere Weise zu nachhaltigem Handeln beitragen – indem es Gewohnheiten verändert und dabei unterstützt, verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen. Wie einfach das sein kann, zeigt eindrucksvoll die Armaturenserie „Kay“ von Designer Stefan Diez für Roca, die 2025 mit den ICONIC AWARDS ausgezeichnet wurde. Diez, der sich seit langem intensiv mit nachhaltigem Design beschäftigt, wich dafür in einem entscheidenden Punkt von der üblichen Gestaltung von Einhebelmischern ab: In der Ausgangsstellung liefert „Kay” kaltes Wasser. Um warmes Wasser zu erhalten, muss der Benutzer den Hebel aktiv nach links bewegen. So trägt die Armatur automatisch dazu bei, Energie zu sparen.



ICONIC AWARDS 2025: Das sind die Gewinner*innen
Die ICONIC AWARDS prämieren kluge Projekte und nachhaltige Lösungen aus Architektur, Produkt – und Interior Design. Hier erhalten die wegweisendsten Projekte des Jahres eine internationale Bühne. Hier kommen die Vordenker der Branche zusammen.
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