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Im letzten Jahr hätte Philipp Mainzer das 25-jährige Jubiläum seines Unternehmens e15 feiern können. Doch die Pandemie verhinderte größere Feierlichkeiten. Wir sprachen mit Mainzer darüber, wie Corona die Arbeitsabläufe verändert hat, warum er nicht vornehmlich auf große Designernamen setzt und was ihn mit dem Musiker Max Herre verbindet.

Interview: Gerrit Terstiege.

Nachgefragt: Im Gespräch mit Philipp Mainzer, e15

e15 Gründer Philipp Mainzer und Farah Ebrahimi
Portrait Philipp Mainzer und Farah Ebrahimi. Foto © Jon Starck

Herr Mainzer, ein emblematischer e15-Entwurf, der Beistelltisch „Backenzahn“, stammt von Ihnen selbst und feiert in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum. Was hat Sie eigentlich dazu inspiriert? Ein Zahnarzt-Besuch?

Inspiriert hat mich dazu das Material, die massive europäische Eiche. Angefangen hat e15 mit einer Kollektion aus vier Tischen, die sehr reduziert, aber trotzdem warm und wohnlich waren. Die Inspiration für den „Backenzahn“ war eigentlich der Wunsch, dass man als Gestalter bei der Arbeit mit Holz auch den ganzen Baum verwendet. Für die Tischbeine vom Tisch „Bigfoot“ haben wir das Kernholz verwendet – aufgrund seiner eigenwilligen Struktur grundsätzlich ein Restprodukt der Holzverarbeitung. Bei der Produktion blieben damals immer Längen übrig, die nicht mehr für ein Tischbein verwendet werden konnten. Da haben wir nach einer Nutzung für das vorhandene Material gesucht.

Was war denn zuerst da: die Form oder der Name „Backenzahn“?

Die Form.

Aber der Name ist natürlich sehr griffig: Plötzlich bekommt was sehr Geradliniges, Schlichtes auch etwas Humorvolles. e15 feierte ja im letzten Jahr auch ein Jubiläum: das 25-jährige Bestehen. Corona hat wohl auch hier größere Feierlichkeiten verhindert. Mich interessiert: Wie hat die Pandemie – und zum Beispiel auch das Ausfallen der großen Möbelmessen – Ihr Unternehmen und die Abläufe berührt?

Intern von den Prozessen her hat sich natürlich sehr viel geändert, allein durch das Thema Homeoffice und die ständigen digitalen Meetings – das ist jetzt alles total normal. Aber das persönliche Treffen finde ich immer noch sehr wichtig. Durch das Ausfallen der Messen konnten wir andere Formate etablieren, und hatten Zeit, uns einfach darauf zu konzentrieren, was wir gut können und wer wir sind. Aber klar, vom „Feieraspekt“ her vermissen wir die Messen natürlich sehr.

Vollholzmöbel wie der „Backenzahn“ gehen ja sozusagen einen ganz eigenen Weg der Nachhaltigkeit. Einfach weil sie Jahrzehnte Bestand haben. War Ihnen dieser Aspekt schon von Anfang an wichtig? 1995 hatte das Thema Nachhaltigkeit ja noch nicht das Gewicht wie heute.

Uns war Nachhaltigkeit von Anfang an wichtig. Dass wir Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwenden, am Anfang sogar recyceltes Holz, das war für uns selbstverständlich, und ist auch wichtiger Bestandteil unserer Kommunikation. Wir haben damals in London angefangen. Zu der Zeit war Nachhaltigkeit dort kaum Thema. Für uns war es Teil unserer DNA – und ist es bis heute.


„Für uns war Nachhaltigkeit von Anfang an Teil unserer DNA – und ist es bis heute.“

— Philipp Mainzer


Welche Rolle spielt denn für Sie die Einfachheit eines Entwurfs mit Blick auf seine Nachhaltigkeit?

Man kann über viele Arten der Nachhaltigkeit sprechen. Man kann zum Beispiel über die Materialität sprechen: Wo das Material herkommt, ob es recycelt wurde oder ob es recycelbar ist. Aber das ist eigentlich alles egal, wenn man ein Produkt produziert, das nach einem Jahr ästhetisch keine Akzeptanz mehr findet. Daher ist die ästhetische Nachhaltigkeit eigentlich der wichtigste Nachhaltigkeitsaspekt von e15: Produkte mit dem Ziel zu kreieren, dass sie sich in jede Art von Umgebung einfügen, anstatt sich in den Vordergrund zu drängen. Gleichzeitig sind unsere Möbel ein Statement, und bekommen die nötige Aufmerksamkeit. Bedingt durch die reduzierten und zeitlosen Entwürfe werden die Betrachterin, der Betrachter der Möbel nicht müde. Mit den Jahren werden unsere Möbelstücke durch die Patina sogar noch schöner. Und wer solche Altersspuren nicht schätzt, kann unsere Tische abschleifen lassen und frisch ölen. Dann erscheinen sie wie neu.

Der amerikanische Künstler Donald Judd gilt ja als wichtiger Vertreter der Minimal Art und hat auch sehr robuste Tische und Bänke entworfen. Waren dessen Möbelentwürfe prägend für Ihre Entwurfshaltung?

Ja, das kann ich jetzt nicht verneinen: dass Donald Judd wirklich ein großes Vorbild ist. Seine Entwürfe sind Möbel, aber auch Kunstwerke. Er hat für seine Form der Einfachheit, eine Akzeptanz erwirkt – das war wegweisend. Wie er seine Räume eingerichtet hat, ist meiner Meinung nach genauso wegweisend wie die Kunst, die er geschaffen hat. Und die Brücke zu e15 ist vielleicht das Thema Tisch. Was für uns natürlich ein Kernthema ist, ganz gleich, ob es ein Esstisch oder ein Konferenztisch ist oder auch ein Beistelltisch. Der Tisch ist oft das zentrale Möbel im Wohnraum oder im Raum generell. Judd hat das ebenfalls zelebriert. Er hat diese einzelnen Teile zelebriert und ihnen Raum gegeben in seinen verschiedenen Studios oder Häusern, die er in Marfa und in New York eingerichtet hat. Und das ist eigentlich auch das, was uns immer so vorschwebt: der Tisch als zentrales Objekt im Wohnraum, wo sich alle treffen und ja, wo letztendlich das meiste passiert im familiären, gesellschaftlichen und aber auch im geschäftlichen Kontext.

Der Kopenhagener Architekt David Thulstrup hat jüngst für Sie eine Familie von skulpturalen Beistelltischen entworfen. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie eigentlich, wann ein Entwurf oder ein Designer zur Marke e15 passt?

Da gibt es keine eindeutigen Regeln. Meine Frau und ich haben die Kollektion aufgebaut. Am Anfang ich und dann wir beiden gemeinsam. Farah hat mit ihrem Hintergrund als Modedesignerin noch mehr Tiefe in die Kollektion gebracht. Bei neuen Produkten steht bei uns immer im Vordergrund, dass sie mit der Kollektion korrespondieren und dass sie sich in die Gesamtheit einbetten. Die Produkte müssen alle miteinander kombinierbar sein, genauso wie sie mit Produkten von anderen Herstellern kombinierbar sein müssen. Oft bekommen wir Entwürfe zugeschickt. David Thulstrup haben wir dagegen gezielt nach einem Beistelltisch gefragt. Wir haben ihn kennengelernt über das Projekt Gasoline, wo wir eine Sonderanfertigung von einem Barhocker für ihn gefertigt haben. Dabei hat sich eine sehr gute und freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Wir scouten neue Designerinnen und Designer nicht aktiv, aber wir haben auf keinen Fall Hemmungen vor jungen Talenten. Bei uns stehen auch nicht die großen Namen im Vordergrund. Wir haben zwar Produkte von Stefan Diez und David Chipperfield im Portfolio, aber das war nie Teil der Strategie, dass wir nur mit Big Names zusammenarbeiten, sondern auch mit Newcomern.


„Bei uns stehen auch nicht die großen Namen im Vordergrund. Wir haben zwar Produkte von Stefan Diez und David Chipperfield im Portfolio, aber das war nie Teil der Strategie, dass wir nur mit Big Names zusammenarbeiten, sondern auch mit Newcomern.“

— Philipp Mainzer


Was war denn in den letzten 25 Jahren das schwierigste Produkt, das am längsten gebraucht hat in der Entwicklung?

Eventuell der Stuhl Houdini von Stefan Diez, also der erste, den er für uns entworfen hat. Bei Stefan ist es immer so, dass er nicht einen Entwurf macht, sondern er entwirft letztendlich eine neue Technologie. Und daraus leitet sich dann die Gestaltung ab. Die Vorgabe war, einen Holzstuhl ohne kostenintensive Presswerkzeuge für uns zu entwickeln. Es hat zwar eine Weile gedauert, aber letztendlich hat Stefan ein sehr intuitives neues Verfahren entwickelt, das auf einer Kombination von massiven und biegbaren Bauteilen beruht, mit dem sich der Stuhl HOUDINI handwerklich anspruchsvoll aber kosteneffektiv fertigen lässt. Die besagte Fertigungstechnik beeinflusst dann auch die Formgebung, die sich fast automatisch aus dem Prozess ergibt. Diese Herangehensweise ist Grundlage von vielen e15 Entwürfen: dass das Material und die Fertigungstechnik den Entwurf informiert.

Kommen wir mal von den zeitgenössischen Designern zum Thema historische Entwürfe und Re-Editionen. Nach Möbeln des Frankfurter Architekten Ferdinand Kramer verlegen Sie nun auch Entwürfe des Stuttgarter Architekten Richard Herre. Wie kam es dazu?

Ein Bekannter hat uns mit dem Musiker Max Herre zusammengebracht, dessen Vater den Nachlass von Richard Herre bereits gut aufgearbeitet hatte. Daraufhin entschieden wir uns, mehrere Entwürfe aufzulegen, um eine Story erzählen zu können, die den Gestalter darstellt und ihm gerecht wird. Wir beginnen mit einem Stuhl und einem Teppich. Herre hat sehr multidisziplinär gearbeitet, das soll durch diese beiden Produkte ausgedrückt werden.

Sie arbeiten hier eng mit den Erben und Rechteinhabern zusammen. Andere gehen da nicht ganz so sauber vor und plagiieren einfach. Sie haben da ja auch schon unschöne Erfahrungen machen müssen. Wie schützt man sich am besten gegen Plagiate?

Man kann sich nicht immer schützen. Es gibt zwar unterschiedliche rechtliche Vorgehensweisen, wie zum Beispiel ein Geschmacksmuster anzumelden oder ein Urheberrecht zu erwirken. Aber letztlich ist es am wichtigsten, Kundinnen und Kunden zu informieren und für das Original zu sensibilisieren. Er/sie muss verstehen, warum man das Original kaufen sollte und warum es manchmal etwas mehr kostet. Das ist glaube ich der beste Schutz.

Sie nummerieren ja auch Ihre Produkte, brennen das Logo von e15 in die Möbel und haben Echtheits-Zertifikate entwickelt. Das sind alles Maßnahmen, um Käuferinnen und Käufern das sichere Gefühl zu geben, einen echten E15-Entwurf zu bekommen.

Ja, das machen wir. Und das wird auch sehr positiv angenommen. Gleichzeitig muss man schnell sein, ein neues Produkt zu etablieren und zu kommunizieren. Wie oben beschrieben, ist die Kommunikation ein wesentliches Werkzeug, um das Bewusstsein für Echtheit und Originalität bei Kundinnen und Kunden zu wecken. Wenn man es schafft, Architekt/innen, Handelspartner und Endkund/innen hier zu sensibilisieren, dann haben die Nachahmer keine Chance.

Wie wird sich Ihr Unternehmen in Zukunft weiterentwickeln?

Wir machen das weiter, wo wir dahinterstehen und was wir können. Ich gehe davon aus, dass uns nicht langweilig wird. Wir haben vor, uns weiter zu verbessern und eine gute und nachhaltige Kollektion anzubieten. Wir wollen auch in Zukunft eine wichtige und eigenständige Marke im Markt sein, bei der man diese Art von Qualität und diese Art von Ästhetik findet.


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