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Die neue Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR) fordert Designer*innen und Unternehmen heraus: Vor allem der digitale Produktpass stellt hohe Anforderungen an die Branche. Wir haben nachgefragt: Im zweiten Teil unserer Reihe zur neuen ESPR. 

von Martina Metzner

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Im Medizinbereich, für den ich zum Beispiel OP-Leuchten für Firmen wie Dräger, Stryker oder Evonos gestalte, ist Langlebigkeit schon immer ein großes Thema. Ein Beispiel: In der Säuglingsstation im Bürgerhospital in Frankfurt am Main ist seit 1995 eine Untersuchungsleuchte von mir installiert. In der Regel werden sie refurbished und dann geht es weiter. Die Reparierfähigkeit ist von Anfang an in meinen Designentwicklungen angelegt, indem viele Teile verschraubt sind. Es ist alles einfach zu demontieren. Im Design kommt es heutzutage und im Hinblick auf die neue ESPR auf Sorgfalt und Verantwortung an. Ich sehe mich auch als Fürsprecher der Umwelt, der die Interessen der nächsten Generationen vertritt.

Fürsprecher der Umwelt

Olaf Barski, Designer und Inhaber bei Barski Design in Frankfurt am Main

Olaf Barski, © Britta Hüning
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Herausforderung digitaler Produktpass

Lisa Cerny, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Ökodesign, betreut auch den Bundespreis Ecodesign beim Umweltbundesamt in Dessau

Lisa Cerny, Sandra Kühnapfel © IDZ

Wir erleben aktuell extrem viele Nachfragen von Verbraucher*innen, Unternehmen, Verbänden zum Thema Ökodesign. Denn der Umfang der neuen ESPR ist viel weitreichender als der der vorherigen Ökodesignrichtlinie – in Hinsicht auf Langlebigkeit, Reparatur und weil sie nun für fast alle Produktgruppen gilt, also nicht nur energierelevante. Der dazugehörige digitale Produktpass wird alle Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Unser Tipp für Unternehmen: Jetzt schon anfangen, in die Lieferketten reinzuschauen, auch wenn die produktspezifischen Anforderungen erst noch kommen.

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Wir sind bereits massiv von der bestehenden Ökodesign-Richtlinie betroffen. Das ist vor allem ein Instrument der großen Player, sich kleinere Unternehmen vom Hals zu halten. Ich sehe schon auf kleine, wirklich nachhaltig produzierende Unternehmen so massive bürokratische Hürden zukommen, dass sie am Ende daran zu Grunde gehen. Ein digitaler Produktpass mit allen Nachweisen zu Stoffen und Verarbeitung für eine kleine Serie von vielleicht ein paar Hundert Produkten steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Leider wird dieses sicher gut gemeinte Instrument – gedacht für eine bessere Welt – zum weiteren Verschwinden kleiner Unternehmen führen.

Europa will zu viel

Manfred Wolf, Designer und geschäftsführender Inhaber des Leuchtenherstellers Serien Lighting aus Rodgau

Manfred Wolf, © Bernd Euring
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Transparenz stärkt Kundenbindung

Burkhard Remmers, Unternehmenssprecher beim Büromöbelhersteller Wilkhahn in Bad Münder

Burkhard Remmers, © Klaus Schinski

Dem Manifest der HFG Ulm folgend, das bereits 1953 auf die Erhöhung der Gebrauchsfähigkeit und die Reduktion der Verschwendung zielte, stellt unser ökologisches Designkonzept Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit in den Mittelpunkt. Das heißt schon seit den 1990er Jahren: Verzicht auf Verklebung, möglichst sortenreine und recycelbare Materialien neben einer sozial- und umweltgerechten Produktion. Bürostuhllinien wie ‚FS‘ oder ‚Modus‘ sind bei uns seit vielen Jahrzehnten im Programm, inklusive Nachrüstungs- und Reparaturservices. Die ESPR und der digitale Produktpass stellen uns daher nicht vor große Hürden, sondern werden uns helfen, durch die Transparenz die Kundenbindung zu stärken.

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Große Unternehmen sind bereits weit vorangeschritten in der Entwicklung von Purpose-Roadmaps und Produkten aus recycelten Materialien. Wie man den Zirkel konkret vor Ort schließt, da stehen die Firmen allerdings noch am Anfang, da es eine komplette Änderung der Wertschöpfungskette darstellt. Im Rahmen des EU-geförderten Programms CISUTAC hat unser Team aus Designern und Ingenieuren eine „Zipper Repair Station“ in Kooperation mit Decathlon, Texaid und DKW entwickelt. Durch einen digitalen Prozess wird der Schaden analysiert, sodass die Reparatur effizienter wird. Die ESPR ist für uns ein gutes Argument, um die Unternehmen weiter Richtung Zirkularität zu pushen.

Wir stehen erst am Anfang

Adrien Hobt, Geschäftsführer des Creative Engineering-Unternehmes PCH Innovations in Berlin

© PCH Innovations, Foto: Adrien Hobt
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Keep it simple

Nico Janssen, Business Development Director Carpet Technology beim Teppichbodenhersteller Object Carpet in Denkendorf

Nico Janssen, © Object Carpet

Unsere Kollektionen ‚Neoo‘ und ,Duo’ mit dem neuen Verfahren ‚Niaga‘ sind ein Paradebeispiele für Ökodesign und Circular Economy – also das, was die neue ESPR fordert. Damit haben wir es geschafft, dass die verschiedenen Schichten der Teppich-Kollektion aus maximal zwei Materialsorten bestehen – und zwar Polyester und Polyamide (Nylon). Dadurch können diese Teppiche auf hohem Niveau recycelt werden – und nicht nur zerschreddert, um als Füllmaterial zu enden. Dazu mussten wir das Produkt aber auch das Produktionsverfahren neu gestalten. Zudem entwickeln wir momentan auch Rücknahme- und Recycling-Infrastrukturen für einen Closed Loop. Wir haben diese Strategie auf drei Säulen gestellt: ,Keep it simple‘, ,Clean and infinite materials only‘ und ,Reversible connections‘.

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Derzeit geht es viel um den CO2-Fußabdruck, aber das Thema Energieeffizienz wird bei mehr erneuerbaren Energien weniger relevant werden, dafür wird das Thema Ressourcenverbrauch stärker. Also das, was die neue ESPR angeht. Für eine Circular Economy reicht es nicht, die Geräte so zu gestalten, dass sie zum Beispiel technisch reparierbar sind. Es muss auch Dienstleistungen dazu geben, Reparaturservices, Hinweise auf der Website und Manuals. Komponenten müssen vorgehalten werden, etc… Neben der ESPR gibt es ja auch EU-Direktiven wie die Corporate Social Responsability Directive (CSRD), die Green Claims Directive und der zur ESPR gehörige Digital Product Passport (DPP). Darauf müssen sich Unternehmen gut vorbereiten.

Weniger Energie-, mehr Ressourceneffizienz

Dr. Max Marwede, Leiter Circular Design beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und
Mikrointegration (IZM) in Berlin

Dr. Max Marwede, privat
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Zukunftsmodell

Florian Walbert, European Affairs Manager bei BSH Hausgeräte mit Sitz in München

Florian Walbert, © BSH

Für BSH Hausgeräte ist die neue ESPR tatsächlich keine gravierende Änderung, weil die alte Ökodesignrichtlinie fast alles mitbringt, auch das Thema Kreislaufwirtschaft. Unsere Geräte sind grundsätzlich gut reparierbar. Bei einigen besonders nachhaltigen Produkten arbeiten wir mit erhöhten Rezyklatanteilen in den Materialien und mit dem Einsatz von CO2-reduziertem Stahl. Mit ‚BlueMovement‘ haben wir seit 2017 ein zirkuläres Geschäftsmodell in den Niederlanden, und seit 2021 auch in Deutschland ausgerollt: Alle großen Hausgeräte und einzelne Kleingeräte kann man mit einem Full Service-Vertrag mieten. Außerdem kann man bei ‚BlueMovement‘ zwischen einem neuen oder einem refurbished Gerät wählen. Das kommt gut an – sowohl bei privaten, als auch Unternehmens-Kunden.

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Foto: Jason Sellers

Über die Autorin

Martina Metzner arbeitet als Journalistin für Design und Architektur mit Fokus auf sozial-ökologische Transformation. Denn gute Gestaltung und Nachhaltigkeit sind für sie untrennbar miteinander verbunden. Nach ihrem Studium der Publizistik, italienischen Philologie und Psychologie war sie elf Jahre lang in Redaktionen tätig, zunächst bei der TextilWirtschaft, danach bei Stylepark. Seit 2018 arbeitet sie frei für führende Fach- und Publikumsmagazine und betreut die Redaktion des Deutschen Design Clubs.

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