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Frauen im Design sind weiterhin unterrepräsentiert. Woran das liegt, was man ändern kann und ob es überhaupt weibliches Design gibt – darüber haben wir mit den Designerinnen, Designtheoretikerinnen und Markenexpertinnen Katja Lis, Uta Brandes, Joa Herrenknecht und Katrin Menne gesprochen.

Von Martina Metzner

Wenn man an Persönlichkeiten aus dem Design denkt, kommt man schnell auf männliche Namen – Konstantin Grcic oder Dieter Rams etwa. Weitaus rarer sind da Frauen vertreten – jene mit internationalem Ruf lassen sich fast an einer Hand abzählen – etwa Patrica Urquiola oder Inga Sempé – wenn sie nicht gerade im Verbund mit einem Mann arbeiten. Frauen im Design sind weiterhin unterrepräsentiert. Doch es bewegt sich was. Seitdem die #MeToo-Debatte 2017 der neuen Frauenbewegung einen Auftrieb gegeben hat, wird die Frage nach Gender und Diversität stark diskutiert. Es geht um Themen wie weibliche Selbstbestimmung, Kooperation statt Wettbewerb, Female Entrepreneurship, Frauen als Vorbilder, weibliche Teilhabe oder geschlechtsspezifische Voreingenommenheit. Im Design schlägt sich das ebenso und vielschichtig nieder: Etwa haben sich neue Frauen-Netzwerke gegründet – wie die „Women of DDC“ des Deutschen Designer Clubs oder Ladies, Wine & Design von der US-Grafikerin Jessica Walsh. Einen Meilenstein bildet auch die Ausstellung „Here we are! Frauen im Design 1900 – heute“ im Vitra Design Museum in 2021, die nun im Gewerbemuseum Winterthur eine Erweiterung erfährt. Grund genug, sich mit meinungsführenden Designerinnen, Designtheoretikerinnen und Markenexpertinnen zum Thema „Frauen im Design“ zu unterhalten. Die Autorin hat sie gefragt, woran es liegt, dass Designerinnen noch immer weniger sichtbar sind als ihre männliche Kollegen, was man tun kann, um Erfolg zu haben und wie und ob überhaupt sich das Design von und für Frauen von jenem von und für Männern unterscheidet?

Netzwerken für mehr Gleichberechtigung

Gender und Design
DDC Women’s Tables hosted by Judith Augustin & Sophie Dobrigkeit mit Katja Lis (vierte von links), © Fabian Nerstheimer

Für Katja Lis, Co-Inhaberin der Agentur dbf designbüro frankfurt, ist es wichtig, Frauen im Design nach vorne zu bringen. Lis bemerkte im Studium, dass Frauen besonders gute Leistungen erbringen, aber nach dem Abschluss von der Bildfläche verschwinden. Ihrer Meinung nach liege das unter anderem an den Rahmenbedingungen, wie flexible Arbeitsmodelle, aber sich auch selbst in der Arbeitswelt zu behaupten. Der von Lis entwickelte 5-Punkte-Plan gibt Ratschläge an die Hand, wie die Führungsebene im eigenen Unternehmen diverser aufgestellt werden kann. Hierbei geht es um aktive Förderung, Bewusstsein schaffen, Rahmenbedingungen, Quote und einfach machen. Um dahin zu wirken, engagiert sich die studierte Kommunikationsdesignerin mit Vorträgen und Workshops und fungiert als Beirätin für Diversity im DDC und im Deutschen Designtag. 2018 hat sie mit weiteren weiblichen DDC Mitgliedern die Plattform Women of DDC gegründet. Das Ziel: Designerinnen sichtbarer zu machen, sich gegenseitig zu fördern und zu vernetzen sowie generationsübergreifend voneinander zu lernen. Mit Frauen konkret zusammenarbeiten, hebt sie als besonders positiv hervor. Dies passiere „auf Augenhöhe, jede darf ausreden und gleichzeitig challengent man sich gegenseitig.“

Genderfluid statt gendervermarktet

Gender und Design
Gender-Expertin Uta Brandes befürwortet „genderfluides Design“, © Mareike Tocha

Wer über Gender Design spricht, kommt an Uta Brandes nicht vorbei. Die Design-Theoretikerin war von 1995 bis 2015 Professorin für Gender und Design und für Designforschung an der Köln International School of Design. Darüber hinaus ist Brandes Mitbegründerin des International Gender Design Network und Vorsitzende von iGDN Germany, das feminine und non-binäre Perspektiven im Design fördert. Auch an der Gründung des Designerinnen Forums war sie aktiv beteiligt. Gemeinsam mit ihrem verstorbenen Partner Michael Erlhoff initiierte sie 2017 den iphiGenia Gender Design Award, dessen Jury-Mitglied sie ist. Ihr Buch „Gender Design“ ist mittlerweile ein Klassiker. Dass Frauen augenscheinlich im Design unterrepräsentiert seien, liege Brandes Meinung nach an der Zuschreibung zu binären Geschlechtern: „Was High-Tech, Technik und so weiter angeht, wird automatisch den Männern zugestanden.“ Und weiter: „Alles was Deko, Haus, Gemütlichkeit angeht, das sind dann die Frauen.“

Diese Zuschreibungen hielten sich laut Brandes hartnäckig. Und damit hätten die Männer automatisch die auffälligeren und marktbestimmenderen Genres besetzt. Als Beispiel führt sie das Automobildesign an, wo Designerinnen maximal für Color & Trim auftauchten. „Eine Frau hat noch nie tatsächlich eine Felge gestaltet“, sagt Brandes. Aber sie hat Hoffnung. Die neue Generation interessiere sich sehr für Geschlechterfragen, ebenso für non-binäre Geschlechter. Auch bei den Unternehmen sieht sie Bewegung. Plattes Gender-Marketing komme immer weniger vor. Wie in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens seien Diversität und Mischung immer am spannendsten – sowohl, was die Menschen als Designprofis als auch die Entwürfe betreffe, sagt Brandes. Ihrer Meinung nach sollte ein Design entstehen, was so offen ist, dass sich dies alle Menschen personalisieren können, dass es sich an die jeweiligen Bedürfnisse, Raumsituation und sozialen Situation anpasst, und es damit universeller nutzbar ist. Brandes nennt es „genderfluides Design“.

Gender und Design
Das Berliner Designerinnen-Kollektiv „Matter of Course“ – ganz rechts außen Designerin Joa Herrenknecht, © Anne Deppe c/o SOLAR UND FOTOGRAFEN

Wo sind die Frauen im Möbeldesign?

Joa Herrenknecht hat zusammen mit zehn weiteren Designerinnen aus Berlin in der Corona-Pandemie das Kollektiv „Matter of Course“ 2021 gegründet, mit dem Ziel sich untereinander auszutauschen, gemeinsame Projekte und Ausstellungen zu kreieren. Derzeit stellen sie etwa gemeinsam in den Kant Garagen in Berlin aus. Jede von ihnen ist unabhängig, es sind die verschiedensten Designdisziplinen vertreten wie Möbel-, Textil- oder Porzellandesign. Herrenknecht selbst ist Möbeldesignerin und arbeitet seit 2012 mit eigenem Studio von Berlin aus für internationale Firmen wie Bolia, Ambivalenz oder Design Within Reach. Um sich als Frau im Designbusiness zu behaupten und Vorbilder zu bekommen, war sie als Assistentin bei Patricia Urquiola in Mailand tätig. Im Möbel- und Industriedesign seien Frauen nicht so gut sichtbar wie etwa im Textil- oder Porzellandesign, so Herrenknecht. Aus ihrem Studium seien nur noch wenige Designerinnen selbstständig, obwohl die Verteilung im Studium 50/50 war. Sie beobachtet, dass viele Industrieunternehmen von Männern geführt werden und diese auch stärker mit Männern kooperieren. Nur wenige deutsche Unternehmen schauten auf Diversität. Auch das Thema Kinder spricht sie an – als selbstständige Designerin und Mutter von kleinen Kindern sei es wichtig, sich zu fokussieren, zu vernetzen und agil zu bleiben. Positiv empfindet sie, dass in der Designgeschichte nun verstärkt auf Frauen geachtet wird und längst vergessene Designerinnen publik werden. Ob Frauen und Männer anders gestalten? „Vielleicht unterbewusst“, sagt Herrenknecht. „Frauen gestalten etwas bunter.“ Das Objekt solle schließlich für sich selbst stehen, ob es nun von einer Frau oder von einem Mann gestaltet wurde. Sie selbst arbeite etwa gerne mit Metall – einem Material, dass eher Männern zugesprochen wird.

Weiblich, männlich oder genderfluid? „Onda“ von Joa Herrenknecht mit dem German Design Award 2018 ausgezeichnet, © Studio Joa Herrenknecht

„Das männlich-kreative Genie“

Katrin Menne weiß von Frauen in Führungspositionen zu berichten. Menne ist seit 2021 Head of Brand and Research bei der Commerzbank. Zuvor war die studierte Designerin bei Merck verantwortlich für die globale Markenführung. Dass sie an dieser Position ist, hat folgende Gründe: „Ich habe mich immer reingehangen, sehr gute Ergebnisse erzielt und einen Mann, mit dem ich mir die Familienarbeit aufteile.“ Nicht zuletzt hatte sie das Glück, auf gute Rahmenbedingungen und Vorgesetzte gestoßen zu sein, die sie gefördert haben. „Von meiner Seite habe ich aber auch Commitments, die ich gegeben habe, immer eingehalten.“ Dass Frauen im Design weiterhin unterrepräsentiert seien, liege an den nach wie vor patriarchalen Gesellschaftsstrukturen, die auch vor dem Design nicht Halt machen würden. Sie zitiert „die Vorstellung eines männlich-kreativen Genies“, „Besitz- und Machtstrukturen, welche Einfluss auf die Auftragsvergabe haben“ bis hin zur „Geschichtsschreibung“. Dass gemischte Teams erfolgreicher sind, daran glaubt Katrin Menne nicht nur, sondern verweist auch auf die Diversity-Studie von McKinsey aus 2020, die dies statistisch belegt. Dass heutzutage allgemein mehr auf Geschlechterausgewogenheit geachtet würde, käme natürlich auch dem Design zugute. Gerade die jüngere Generation von Frauen und Designerinnen, so Menne, würde sich heute selbstbewusst und professionell in den sozialen Medien selbst vermarkten. Ihr Tipp an Frauen, die Karriere machen wollen: „Chancen ergreifen, wenn es sich ergibt – auch wenn der Schuh zu groß erscheint, darauf vertrauen, dass man reinwächst.“ Dann „die Möglichkeit zur Öffentlichkeit nutzen, über die eigenen Erfolge reden.“ Und wenn man Erfolg hat, auch schauen, wie man andere Frauen unterstützen könne.

Für mehr Sichtbarkeit von Frauen im Design schlagen alle befragten Frauen vor: „Vernetzung, Vernetzung, Vernetzung.“ Auf die Frage, ob es „weibliches Design“ gebe, antworten fast alle Frauen unisono. Alle Befragten wünschen sich als Ergebnis ein Design, was völlig ohne Klischees und Zuschreibungen auskommt. Dazu wird „universelles“ und „genderfluides Design“ oft erwähnt. Gender-Marketing mit weiblichen und männlichen Zuschreibungen gebe es zwar immer noch – wie etwa „Rosa und Glitzer“ für die Frauen, und für Männer das sportlichere Modell in „Blau und Schwarz“ – aber immer weniger. Auch zur Frage nach „weiblichem Material“ antworten alle mit „Assoziationen“, die aus der Kulturgeschichte entwickelt wurden und auf diese Weise gelesen würden, aber ja nicht immanent seien. „Rund und weich“ seien eher weiblich anmutende Materialien, während „hart und eckig“ eher der männlichen Hemisphäre zugeschrieben werden. Allerdings, so schränken einige ein, könne das Design durch eine weibliche Perspektive geprägt sein, auch wenn Werkzeuge und Methoden die gleichen sind. Alle bestätigen, dass sich das Bewusstsein für Gender und Diversität insgesamt in den vergangenen Jahren verbessert habe.


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