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Wie würden Waschmaschinen länger leben? Dean Weigand, Absolvent und Gewinner bei den diesjährigen German Design Graduates, im Interview über gestaltete Reparaturfähigkeit und den Weg zur Sharing-Ökonomie.

Interview von Markus Hieke

Auch in diesem Jahr waren die Absolvent*innen deutscher Designhochschulen dazu aufgerufen, ihre Abschlussarbeiten aus den Bereichen Produkt- und Industriedesign bei den German Design Graduates einzureichen. Zu den Gewinner*innen des Awards der Initiative zählt Dean Weigand, der seinen Master-Abschluss 2023 an der Hochschule der Bildenden Künste Saar absolviert und nun die Jury in der Kategorie „Design für eine neue Wissenskultur“ überzeugt hat. Wir sprachen mit ihm über sein Projekt „Geplante Obsoleszenz: Problem oder Chance?“, über gestaltete Reparaturfähigkeit im Bereich der Haushaltselektronik und über seine Hoffnungen auf einen Systemwandel hin zur Sharing-Ökonomie.

Für sein Abschlussprojekt „Geplante Obsoleszenz: Problem oder Chance?“ erhielt Dean Weigand die Auszeichnung Winner in der Kategorie„Design für eine neue Wissenskultur“ | Foto: Christof Jakob

Auf den ersten Blick wirkt der Titel deiner Abschlussarbeit etwas provokant. Immerhin ist die lange Lebensdauer von Dingen eine wichtige Zielsetzung im Design. Siehst du dennoch Gründe, weshalb die Obsoleszenz, also die Alterung von Objekten, gezielt mitgestaltet werden sollte?

Es ging natürlich darum zu provozieren und meine Systemkritik zum Ausdruck zu bringen. Denn viele Dinge werden so gestaltet, dass sie nicht auf eine langfristige Nutzung ausgelegt sind. Häufig werden Komponenten so miteinander verklebt, dass man sie nicht mehr einfach auseinander bekommt – weder zur Reparatur noch für sortenreines Recycling. Es ist ein Symptom unseres Wirtschaftssystems und des schnelllebigen Konsumverhaltens. Wir sind vom ständigen Verbrauch von Dingen abhängig. So kam ich zu der Überlegung, dass wir generell einen Systemwechsel brauchen. Konzepte wie Sharing und Leasing könnten einen Übergang herstellen, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren und die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. In meiner praktischen Abschlussarbeit war es daher wichtig, den Faktor der Obsoleszenz zu berücksichtigen und die Alterung von Produkten gezielt in den Gestaltungsprozess aufzunehmen.

Als Fallbeispiel hast du eine Waschmaschine gewählt. Warum keinen Staubsauger oder ein Smartphone?

Es war keine leichte Entscheidung. Zuerst dachte ich, die Waschmaschine sei eines der langweiligsten Produkte überhaupt. Doch dann begann ich ein Praktikum bei einem Reparaturbetrieb – auch, um mal zu gucken, wo technische Geräte typischerweise kaputtgehen … Dabei fiel mir auf, dass sich am Aufbau der Waschmaschine und ihrer Funktionsweise seit über 50 Jahren kaum etwas geändert hat. Die technologischen Möglichkeiten zur Verbesserung sind weitgehend ausgeschöpft. Trotzdem tauschen Haushalte die Geräte regelmäßig komplett aus. Das machte die Waschmaschine für mich zum perfekten Beispiel für die Thematik meiner Arbeit – insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Obsoleszenz.

Ist also letztlich alles nur Marketing?

Es gibt natürlich Weiterentwicklungen. Die Art und Weise etwa, wie schonend die Wäsche in der Trommel umgewälzt wird. Sensoren, die die Menge und das Gewicht erkennen. Klar kann man da noch minimal in Richtung Nachhaltigkeit optimieren. Aber meiner Recherche nach sind die Verbesserungen tatsächlich sehr gering. Vieles empfinde ich auch als unnötig: Was bringt es mir zum Beispiel, dass meine Waschmaschine per Smartphone steuerbar ist?

Für dein Projekt hast du ein defektes Gerät komplett auseinander genommen – sämtliche Einzelteile sind in der Ausstellung zu den German Design Graduates im Frankfurter Museum Angewandte Kunst zu sehen. Wo liegen bei Waschmaschinen die Schwachstellen?

Unter den Einzelteilen befinden sich zwei winzige Komponenten, die innerhalb der Elektronikeinheit normalerweise zusammen auf der Platine sitzen. Mit ihnen gibt es ein wiederkehrendes Problem: Ist auch nur eines dieser beiden Bauteile defekt, wird aus Zeitgründen in der Regel die gesamte Platine ausgetauscht. Die Kosten dafür liegen zwischen 250 und 300 Euro plus Anfahrt – wenn es kein Garantiefall ist. Demgegenüber kostet das eigentliche Bauteil oft nur einen Euro. Neue Maschinen gibt es schon für um die 500 Euro, was den Austausch der Platine letztlich unwirtschaftlich macht. 

Darüber hinaus habe ich untersucht, an welchen Stellen so eine Maschine aufgrund von Verschleiß oder Materialkorrosion, aber auch durch Nutzungsfehler kaputtgehen kann. An meinem Ausstellungsstück habe ich diese kritischen Stellen markiert. Ich habe überall dort  orangene Klebepunkte angebracht, wo ich festgestellt habe: Wenn es hier kaputtgeht, ist eine Reparatur schwierig, unwirtschaftlich bis unmöglich, weil man an diese Teile nur schwer oder gar nicht herankommt.

Auf EU-Ebene werden aktuell verschiedene Richtlinien zum Verbraucher*innenschutz diskutiert, auch mit Blick auf die von herstellenden Unternehmen zum Teil forcierte Obsoleszenz von Produkten. Hast du gesetzliche Aspekte in deiner Arbeit berücksichtigt?

Ich habe das nur am Rande betrachtet. Aber es gibt Länder, die damit angefangen haben, die geplante Obsoleszenz zu verbieten. Allerdings ist die Sache sehr komplex. Wer bestimmt, wie lange so ein Gerät halten muss? Manche Technik entwickelt sich ja auch total schnell. Oft – Beispiel Smartphone – werden Geräte ersetzt, obwohl das vorhandene noch voll funktionsfähig ist. Nur, weil das neue Modell schneller läuft, neue Funktionen hat oder der Vorgänger schlicht als veraltet gilt. Wieder ist es eine Frage unserer Konsumweise. Auch aus diesem Grund habe ich die Idee verfolgt, ein Konzept in Richtung Sharing und Leasing zu entwickeln.

Dean Weigand (links im Bild) schlägt in seinem Konzept M_ALPHA einen Leasing- und Sharing-Ansatz vor, bei dem sich kritische oder optimierte Teile jederzeit einfach austauschen lassen | Foto: Christof Jakob
Die Idee: ein modular aufgebautes Gerätesystem | © Dean Weigand

Du hast deiner Idee bereits einen Namen gegeben: M_ALPHA ist konkret auf einen Miet- und Sharing-Markt zugeschnitten. Wie wirkt sich das Leihkonzept auf die Gestaltung von Haushaltsgeräten aus?

Verschiedene Leasing-Ansätze existieren ja bereits und sind auch immer mehr im Kommen. Bosch zum Beispiel bietet mit BlueMovement Haushaltsgeräte zum Mieten an. Allerdings nutzt die Marke meiner Ansicht nach den Vorteil des Systems nicht wirklich, weil es immer noch die gleichen Waschmaschinen sind, wie sie an Endverbraucher*innen verkauft werden. Sinnvoller könnte hier ein modular aufgebautes Gerätesystem sein: mit einer Grundstruktur, in die die gesamte Technik eingefügt und an der die Hüllenteile von außen fixiert werden. Die Steuerungseinheit würde extern an der Wand angebracht, um sie vor Vibration und Kurzschlüssen zu schützen.

Welche Vorteile hätte das?

Das würde es den Unternehmen ermöglichen, Reparaturen und Upgrades einfacher durchzuführen. Im Falle der von mir untersuchten Waschmaschine hatte das gesamte Gehäuse angefangen zu rosten, nachdem Wasser darunter gelaufen war. Wenn nicht die Elektronik kaputtgegangen wäre, wäre sicherlich irgendwann etwas an der Hülle beschädigt worden, die Maschine hätte die Schleuderkräfte nicht mehr ausgehalten und wäre eines Tages in sich zusammengeklappt. Genau das war ein Punkt zu sagen, vielleicht ließe sich nach einem modularen Prinzip zunächst nur ein einzelnes Hüllenteil ersetzen. Wäre die Elektronik in einem separaten Schaltkasten untergebracht, käme man besser ran, um Teile auszuwechseln – eventuell sogar durch die Nutzer*innen selbst anhand eines einfachen Stecksystems.

Auch deshalb hast du bei deinem Konzept eine Ästhetik verfolgt, die verdeutlicht, dass die Maschine modular konzipiert und reparierbar ist, richtig?

Ja, mir war es wichtig, das auch gestalterisch zu betonen. Daher diese ganzen gelben Bauteile, die allesamt signalisieren, dass Nutzer*innen mit ihnen interagieren können. Nutzer*innen sollten bestärkt werden zu reparieren.

Was hätten herstellende Unternehmen davon, Geräte zu vermieten?

Mit einem Leasing-Konzept würden Anbieter*innen im Besitz der Ressourcen bleiben. Es hat also den Vorteil, dass man seine Rohstoffe irgendwann nochmal zurückbekommt und immer wieder verwenden kann. Das setzt allerdings voraus, dass gut recycelbare Materialien eingesetzt werden und dass Geräte einfach zerlegbar sind. Der Absatz generiert sich dabei aus einer Serviceleistung anstelle eines Verkaufs.

Hast du für deine Arbeit verschiedene herstellende Unternehmen in den Blick genommen?

Ich hatte insbesondere im Rahmen von Miet- und Sharing-Konzepten Kontakt zur Industrie. Und bei einigen Marken gibt es tatsächlich eine Reihe von Teilen, die sich komplett austauschen lassen, wogegen das bei vielen anderen kaum noch möglich ist, da der Aufwand dafür oft unverhältnismäßig hoch ist. Es war interessant zu sehen, dass manche Marken mit Laugenbehältern aus Edelstahl arbeiten. Diese sind haltbarer und vollständig recycelbar, im Gegensatz zu den häufig verwendeten Einsätzen aus Kunststoff.

Gelbe Bauteile signalisieren: Hier darf, hier soll im Falle eines Defekts ohne großen Aufwand gewartet oder ausgewechselt werden – idealerweise durch Anwender*innen selbst | © Dean Weigand

Gibt es TÜV- oder sicherheitsrelevante Aspekte, die du in deine Überlegungen einbezogen hast? Sind herstellende Unternehmen unter Umständen gezwungen, einen Teil ihrer Geräte so hermetisch abzuschließen, dass da auf keinen Fall jemand ohne Fachhilfe rankommt?

Natürlich müssen herstellende Unternehmen eine gewisse Gewährleistung geben. Ich habe versucht, das anhand der externen Steuerungseinheit zu durchdenken: Der Zugang zur Steuerung ist so gestaltet, dass du sie nicht öffnen kannst, ohne zuvor den Stromstecker zu ziehen, um sicherzustellen, dass du keinen Stromschlag bekommst. Generell sollen Nutzer*innen jedoch, wie gesagt, in die Lage versetzt werden, selbst mal etwas zu reparieren.

Womit befasst du dich darüber hinaus im Bereich Produktdesign? Was ist dir wichtig?

Ich lasse mich von vielen Themen leiten. Seit knapp einem Jahr arbeite ich in einer inklusiven WG mit Menschen mit Unterstützungsbedarf. Daraus ist in Zusammenarbeit mit meiner Studienkollegin Luise Kempf die Idee zu einer inklusiven Bar entstanden. Generell, würde ich sagen, interessieren mich Themen, die sich auf einer systemischen Ebene bewegen – bei denen das Endprodukt letztlich gar nicht so sehr im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Frage, wo sich Diskussions- und Lösungsansätze bieten.

Die Steuereinheit von M_ALPHA ist in einem separaten Schaltkasten untergebracht, der leicht zugänglich ist und hilft, Vibrationen zu vermeiden | © Dean Weigand

Was bedeutet dir die Auszeichnung als Winner bei den German Design Graduates? Denkst du, dass sie dir Türen öffnen wird oder ist es erst einmal nice-to-have?

Auf jeden Fall bedeutet es mir super viel. Ich muss ehrlich sagen, ich habe nicht gedacht, dass ich es mit dem Projekt so weit bringe. Mir hat das Projekt extrem viel Spaß gemacht, auch wenn ich zwischendrin natürlich immer mal Zweifel hatte. Nicht zuletzt war es eine echte Überwindung, da unter anderem einen Müllhaufen auszustellen. Umso mehr freue ich mich, mal ganz abgesehen vom Winner-Titel, durch dieses Event ganz viele andere Projekte und Leute kennengelernt zu haben. Für mich war es jedenfalls nicht nur ein Nice-to-have. Der Zuspruch war noch einmal ein gutes Stück mehr als ohnehin schon durch die Unterstützung der Hochschule.

Über die German Design Graduates (GDG)

German Design Graduates (GDG), gefördert von der Stiftung Rat für Formgebung, ist die einzige bundesweite Initiative mit dem Zweck der Nachwuchsförderung von Absolvent*innen aus Produkt- und Industriedesign sowie der Präsentation von renommierten deutschen Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen.

Finalist*innen und Jury der German Design Graduates 2024 | Foto: © Christof Jakob

Über den Autor

Markus Hieke ist freier Journalist und Autor mit Schwerpunkt auf Interior-/ Produktdesign und Architektur. Mit einem Hintergrund im Kommunikationsdesign, fand er 2013 zum Schreiben und erlangt seither eine feste Stimme in namhaften deutschen und internationalen Fach- und Publikumsmedien. Gestaltung für ein breites Publikum greifbar zu machen, versteht er für sich als Auftrag und nähert sich diesem anhand von Porträts, Interviews und Hintergrundreportagen zu Protagonist*innen und Themen von Handwerk bis Zirkularität, auch abseits des Rampenlichts.

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