Gert Selle prägte die Designtheorie maßgeblich und hinterlässt ein vielschichtiges intellektuelles Erbe. Am 1. Februar 2025 ist er im Alter von 91 Jahren verstorben. Sein kritischer Blick auf Design, Kunst und Kultur bleibt richtungsweisend. Seine Arbeiten haben Generationen von Designer*innen und Theoretiker*innen inspiriert.

Wegbereiter der Designtheorie
Der Designtheoretiker, -historiker, Kunst- und Kulturpädagoge sowie Bildermacher Gert Selle zählt zu den einflussreichsten Denkern im Designbereich. Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre gestaltete er maßgeblich den Übergang von der Werkkunst- zur Designausbildung. Mit seinem Erstlingswerk „Ideologie und Utopie des Design“ initiierte er den designtheoretischen Diskurs, während er mit „Die Geschichte des Design in Deutschland“ (Erstauflage 1978) die Fachdisziplin in der Bundesrepublik begründete und etablierte. Er prägte zahlreiche Begrifflichkeiten, darunter den der „Produktsprache“, und hinterlässt ein gewaltiges schriftliches Œuvre – Monografien, Aufsätze, Vorträge und Katalogbeiträge über einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten.
Eine für 2026 geplante Ausstellung im Rahmen der World Design Capital Frankfurt RheinMain in Darmstadt soll sein Werk mit Hilfe Künstlicher Intelligenz zugänglich machen und sein Denken in die Zukunft fortschreiben. Sein Kernthema, unser Verhältnis zu den Dingen, werde schließlich immer komplexer.
Pädagoge und Kulturkritiker
Auch als Kunst- und Kulturpädagoge war Selle einflussreich. Der bis in die 1980er vorherrschenden Praxis der „Kunst-Erziehung“ setzte er das Konzept der „Ästhetischen Bildung“ entgegen, das auf persönlicher Erfahrung basiert und die Disziplin bis heute prägt. Als kulturkritischer Experte trug er entscheidend zum Erhalt der bereits zum Abriss freigegebenen Völklinger Hütte bei, die 1994 als erstes Industriedenkmal den UNESCO-Welterbe-Status erhielt. Als Bildermacher befreite er die Kunst vom Warencharakter, indem er sie vertraglich zur kostenlosen Nutzung freigab.
Bereits zu Selles 90. Geburtstag im Dezember 2023 veröffentlichte ndion eine umfangreiche Würdigung seines ehemaligen Studenten Gerd Ohlhauser.
Die intellektuelle Sorgfalt, mit der Selle die Entwicklungen in Design, Kunst und Kultur kritisch begleitet hat, ist heute wichtiger denn je.
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