Der Büromöbel-Hersteller Wilkhahn hat nach einer knapp einjährigen Interimsbesetzung mit Götz Stamm seit Januar 2025 einen neuen Geschäftsführer. Was treibt ihn an? Welche Pläne hat er für das traditionsreiche Unternehmen?
Interview von Gerrit Terstiege

Herr Stamm, Ihr erster Tag als CEO bei Wilkhahn liegt erst wenige Wochen zurück. Zuvor waren Sie vier Jahre Geschäftsführer bei Sigel. Das Büro als Arbeitsort und Thema wird Sie also weiterhin beschäftigen. Haben Sie Ihr Büro bei Wilkhahn eigentlich schon eingerichtet?
Götz Stamm: Mein Büro war erfreulicherweise schon komplett eingerichtet – ein Service, den ich genießen konnte. Schön ist, wenn da noch Wertigkeit und Geschmack hinzukommen. Das ist durch die Wilkhahn-Serien natürlich gegeben.
In meinem Büro steht zum Beispiel unsere hochwertige Konferenzstuhl-Serie Intra. Das Einzige, was ich mitgebracht habe, ist ein kleiner silberner „Hoptimist”– eine Designfigur, die mir meine Frau geschenkt hat und deren Anblick mich immer erfreut. Sie steht hier vor mir, in einer inspirierenden Arbeitsumgebung.
Auf der letzten Orgatec wurden viele neue zirkuläre Biomaterialien vorgestellt, etwa Möbelschaumstoffe aus Seegras oder Polsterfüllungen aus Rohrkolbenfasern. Auch Wilkhahn schreibt das Thema Ökologie seit Langem groß. Sehen Sie hier Potenzial für weitergehende Maßnahmen oder neue, noch stärker zirkuläre Produktionsprozesse?
Materialien sind immer ein spannendes Thema. Bei Wilkhahn gab es bereits 1989 einen wichtigen Meilenstein: Der Verwaltungsrat traf damals die wegweisende Entscheidung, dass ökologische und soziale Verantwortung höher bewertet werden sollten als kurzfristige Gewinne. Das war zur damaligen Zeit schon etwas Einzigartiges.
Es war der Start einer sehr umfangreichen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich auf umweltfreundliche Materialien konzentriert hat, aber eben auch auf unsere Produktionsprozesse. Insofern stehen wir seit dieser Zeit für sichere und langlebige Produkte, die mindestens schadstoffarm, idealerweise schadstofffrei sind. Wir garantieren diese nachhaltigen Standards auch weltweit. Wir sind seit 2001 EMAS-zertifiziert. Das ist ein Zertifikat, das belegt, dass wir Umweltleistungen transparent und kontinuierlich verbessern, aber auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. An erster Stelle steht für uns aber wirklich die Langlebigkeit in Design, Funktionalität und Qualität.

Welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Megatrends sehen Sie als besonders einflussreich für die Büromöbelbranche in den nächsten zehn Jahren?
Aspekte wie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft werden definitiv bedeutsam bleiben. Stichwort Öko-Intelligenz: also das wachsende Bewusstsein für ökologische Wechselwirkungen und die Entwicklung nachhaltiger Lösungen für eine lebenswerte Zukunft. Ansonsten tendiere ich dazu, mich an den Megatrends zu orientieren, die das Frankfurter Zukunftsinstitut identifiziert hat. Für unsere Branche sind das, neben den bereits genannten, der demografische Wandel und der Komplex ’Future of Work’ mit zunehmend flexibleren Arbeitsmodellen, hybriden Strukturen und Lebensstilen. Als ‘Fluide Wertegemeinschaften’ hat das Zukunftsinstitut dies betitelt, also kurzum: Das gesellschaftliche Miteinander wird neu definiert. Und das hat wiederum Auswirkungen auf die Arbeits- und Bürowelt.
Ein weiteres großes Thema ist die Konnektivität, also wie sich durch digitale Infrastrukturen eine ganz neue Art der Vernetzung von Menschen, Maschinen und Organisationen schaffen lässt. An dieser Stelle wiederum kann Wilkhahn maßgeblich ansetzen und den Austausch zwischen Menschen durch ansprechende und innovative Büromöbelsysteme mitgestalten. Und das wiederum berührt einen weiteren Megatrend: Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.

Wie planen Sie, Innovation bei Wilkhahn voranzutreiben? Spielt zum Beispiel Künstliche Intelligenz eine Rolle in der künftigen Ausrichtung des Unternehmens?
Ja, wir haben einen ganz klaren Fokus auf Forschung und Entwicklung. Das ist, was uns in der Vergangenheit ausgezeichnet hat. Das werden wir auch nicht verändern. KI zur Optimierung von Prozessen und Produkten ist auch für uns spannend. Ich glaube, gerade als Unternehmer würde man einen großen Fehler machen, wenn man sich diesem Thema nicht widmet, denn die Anwendungsmöglichkeiten sind einfach sehr vielfältig.
Wie differenziert sich Wilkhahn im Wettbewerb? Insbesondere in einem hart umkämpften Markt wie der Büromöbelbranche?
Für mich steht die Marke klar im Vordergrund. Wilkhahn ist eine traditionsreiche Qualitätsmarke – das differenziert uns von vielen unserer Wettbewerber*innen. Zudem haben wir langjährige, stabile Beziehungen zu Partner*innen und Kund*innen etabliert. Das ist etwas, worauf wir sehr stolz sind und das uns ebenfalls differenziert. Ergänzend garantieren wir eine sehr hohe Qualität und Langlebigkeit der Produkte. Das ist ein permanenter Treiber auch bei unseren Neuentwicklungen.
„Wilkhahn ist eine traditionsreiche Qualitätsmarke – das differenziert uns von unserer Konkurrenz.“
– Götz Stamm, CEO von Wilkhahn


Phoenix Design, Jehs + Laub, Julia Läufer oder der HfG Ulm-Absolvent Nick Roericht: In der Vergangenheit haben namhafte Gestalter*innen und Designbüros für Wilkhahn entworfen. Werden Sie diese Tradition fortsetzen oder gar die Zusammenarbeit ausbauen?
Diese Tradition wird auf jeden Fall fortgesetzt. Wir haben eine Grundphilosophie: Die Designer*innen müssen zur Marke und zum Unternehmen passen. Wir setzen nicht auf bloßes Name-Dropping und haben nur die besten und teuersten Gestalter*innen dieser Welt im Blick, sondern es können auch mal jüngere, sehr gute Designunternehmen sein, zum Beispiel RSW, mit denen wir kooperieren.
Auf mich wirken viele Wilkhahn-Möbel durchaus wohnlich und so, als funktionierten sie auch im privaten Kontext. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie im B2C-Geschäft?
Es existieren grundsätzlich große Chancen auch im B2C-Markt, weil der Trend im Bereich Büromöbel wirklich zu wohnlichen und auch multifunktionalen Stücken geht. All das haben wir bereits im Programm. Man darf aber einen wichtigen Aspekt dabei nicht außen vor lassen: Bei den ganzen Themen Vertriebswege, Marketingaktivitäten bis hin zur Kommunikation in Richtung Kund*innen – da unterscheiden sich B2B und B2C schon sehr voreinander. Man muss alles sehr sorgfältig bewerten, wenn man sich in Richtung B2C bewegen möchte.
Wilkhahn gehört schon seit Jahrzehnten zu den Stiftungsmitgliedern des German Design Council – Rat für Formgebung. Fritz Hahne, der Sohn eines der Firmengründer, war lange Jahre Mitglied des Kuratoriums. Wie wichtig sind Ihnen die Vernetzung und der Austausch, den diese Partnerschaft bietet?
Teil dieses Netzwerks zu sein, das kann man ganz klar sagen, ist natürlich super wichtig für Wilkhahn. Austausch fördert immer Innovation und Best Practices. Es geht ja auch um ein branchenübergreifendes Lernen, Erkenntnisse und Impulse. Ich habe noch kein Netzwerktreffen erlebt, nach dem ich im Anschluss nicht schlauer war. Und am Ende trägt unsere Mitgliedschaft ja auch zur Stärkung unserer Marke bei. Das hat für uns einen sehr hohen Stellenwert.

„Wir wollen auch in Zukunft einen führenden Platz einnehmen im Bereich nachhaltiger Büromöbel. Wir setzen weiter auf eine starke internationale Präsenz. Das zeichnet Wilkhahn aus.“
– Götz Stamm
Zum Abschluss bitte einen Ausblick: Wo wird Wilkhahn in fünf Jahren stehen?
Aus meiner Sicht ist Wilkhahn eine Art Perle. Ja, so würde ich das Unternehmen begreifen. Diese Perle bringt sowohl unseren Kund*innen Freude, als auch die Branche insgesamt weiter. Vielleicht ist es an der einen oder anderen Stelle möglich, den Glanz dieser Perle noch stärker herauszustellen. Daran werden wir arbeiten. Wir wollen ganz klar auch in Zukunft einen führenden Platz einnehmen im Bereich nachhaltiger Büromöbel. Wir setzen weiter auf eine starke internationale Präsenz. Das zeichnet Wilkhahn aus. Womit ich mich jetzt noch ein bisschen schwer tue, sind Zahlen, Daten, künftige Umsatzziele. Jetzt, nach knapp sechs oder sieben Wochen an Bord, wäre es mir zu früh, das schon zu skizzieren. Aber auch hierzu wird es klare Pläne geben.


Über den Autor
Gerrit Terstiege, Jahrgang 1968, lebt und arbeitet in Mülheim/Ruhr. Er studierte u.a. bei Michael Erlhoff und Gui Bonsiepe an der Köln International School of Design (KISD) und der Glasgow School of Art. Im Anschluss war er von 1997 bis 2012 bei der Zeitschrift form tätig, ab 2006 als Chefredakteur. Im Birkhäuser Verlag gab er drei Bücher heraus, u.a. „The Making of Design” und „Grafische Räume”. Er lehrt seit 1998 als Dozent und Gastprofessor an Schweizer und deutschen Hochschulen (ZHdK, HGK Basel, HfG Karlsruhe, FH Mainz u.a. ) Für die Rams Foundation ist er als Chefredakteur tätig. Weitere Informationen zu Gerrit Terstiege bei Instagram unter: @gerritterstiege
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