Lassen sich Möbel herstellen, die nach dem Auspacken von selbst ihre endgültige Form annehmen? Möbel wurden traditionell zumeist von einer Schreinerin oder einem Schreiner oder in einer Fabrik hergestellt und anschließend in ihrer fertigen dreidimensionalen Gestalt an den Ort transportiert, an dem sie genutzt werden sollten. Durch die DIY-Bewegung und auf Mitnahmemöbel abonnierte Anbieter wie Ikea haben sich Design und Herstellung häufig auf ein sogenanntes „Flatpack-Konzept“ verlagert, bei dem Möbelteile, um effizient transportiert werden zu können, in einem flachen Paket untergebracht werden. Aufbauen müssen Nutzer/innen die Möbel dann zumeist selbst, wozu er eine Aufbauanleitung, Werkzeug und – mehr oder weniger – viel Zeit benötigt. Gleichzeitig ist das Design von Flatpack-Möbeln durch solche Transport- und Herstellungsbedingungen eingeschränkt.
Inspiriert vom griechischen Begriff „hyle“, der sowohl für Materie als auch für das antike Baumaterial Holz verwendet wird, will das Spin-off hylo tech als Design- und Technologieunternehmen unter dem Namen HygroShape ein neues Verfahren anwenden. Dahinter verbirgt sich ein innovatives Flatpack-Konzept, bei dem Formung und Aufbau des Möbelstücks in das Material selbst eingebettet sind, was eine einfache, automatische Selbstformung ermöglicht. Jedes Teil wird in einem flachen Zustand mit einer Gesamtdicke von weniger als drei Zentimeter hergestellt. Nach dem Transport kann es sich bis zu einer Höhe von 50 Zentimeter, der Standardsitzhöhe eines Stuhls, selbst formen, was eine bis zu 30-fache Vergrößerung des Volumens bedeutet.
HygroShape basiert auf der gezielten Nutzung des hygroskopischen Schwindens, wie es natürlicherweise in erntefrischem Holz stattfindet. Wie die Zapfenschuppen von Nadelbäumen nutzt es ein Prinzip der passiven Formgebung durch Trocknung, was den Formungsprozess zuverlässig, robust und unabhängig von zugeführter Energie macht. Ein umfangreiches digitales Materialmodell, dem die physikalisch-mechanischen Eigenschaften des Holzes zugrunde liegen, ermöglicht es nun, das Schwindverhalten zu berechnen. In Kombination mit rechnergestützten Designmethoden wird daraus eine spezifische Materialsyntax entwickelt. Diese bestimmt die innere Zusammensetzung und den Feuchtigkeitsgehalt der mehrschichtigen Holzbauteile und programmiert so eine geplante Formungssequenz physisch in das Material. Der Ansatz zielt auf eine neue Art der Fertigung ab, bei der sich das Design jedes Teils aus dem Verhalten des Materials ergibt, aus dem es hergestellt ist.
Die erste HygroShape-Kollektion besteht aus einer Reihe von Prototypen. Jedes an der Universität Stuttgart entworfene Einzelstück weist eine spezifische Syntax der Materialprogrammierung auf, die jeweils einen bestimmten Aspekt der computergestützten Herstellung ins Zentrum stellt: H1 ist ein Lounge-Sessel, der für eine dynamische Haltung und Nachgiebigkeit in der Rückenlehne konzipiert ist, H2 eine Chaiselongue, die für eine entspannte Haltung entworfen wurde. Beide Teile sind aus hochwertigem, FSC-zertifiziertem europäischem Ahornholz gefertigt.
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