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Die klassische italienische Caffetiera von Bialetti ist europaweit längst zum Volksgut geworden und vielen Haushalten nicht mehr wegzudenken. Nun feiert die achteckige Moka-Kanne aus Aluminium ihren neunzigsten Geburtstag.

Von Thomas Wagner.

Bialetti
Mit „La Moka“ hat Alfonso Bialetti eine Ikone der Designgeschichte hervorgebracht, © Bialetti

Wer kennt sie nicht, die „Bialetti“ oder kurz „La Moka“, die in Italien nur „Caffettiera“ genannt wird? Wer einen kräftigen caffè schätzt, liebt sie sowieso. Zumal ihre Vorteile nicht zu übersehen sind: Sie ist preiswert, auf Herd oder Gaskocher einsetzbar und einfach zu handhaben. Ihr Design ist in bestem Sinn „super normal“. Alfonso Bialetti (1888 bis 1970) war Erfinder, nicht Designer. Und doch hat er eine Ikone der Designgeschichte hervorgebracht. Das Material Aluminium spielte dabei eine wichtige Rolle, arbeitete Bialetti doch zunächst in Frankreich in einer Aluminiumfabrik. 1918 kehrte er nach Italien zurück und eröffnete in Omegna-Crusinallo seine eigene Fabrik für Aluminiumprodukte.

In casa un espresso come al bar

Alfonso hatte die Idee, Espresso nicht nach dem Prinzip der professionellen Barmaschinen – als Modell im Geiste der futuristi kann Gio Pontis berühmte Kaffeemaschine „La Cornuta“ dienen, die einem auf Hochglanz polierten Motor gleicht – herzustellen, die bei hohem Druck (etwa 9 bar, die durch eine gespannte Feder und heutzutage zumeist mittels einer Pumpe erzeugt werden) Wasser durch das gemahlene Kaffeepulver presst.

Nachdem die technischen Probleme bei der Herstellung der nach dem Perkolator-Prinzip arbeiteten Kanne gelöst waren, brachte Bialetti 1933 die vollkommen aus Aluminium gefertigte „Moka Express“ auf den Markt. Sie machte es ohne großen Aufwand möglich, zu Hause einen Espresso (fast) wie in der italienischen Kaffeebar („in casa un espresso come al bar“) zuzubereiten. Bialetti verkaufte seine Kannen zunächst selbst an Marktständen, weshalb die Moka-Kanne nur regional bekannt wurde. Erst sein Sohn Renato machte aus der Erfindung seines Vaters eine erfolgreiche Innovation: Er erkannte das Potenzial der „Moka Express“, meldete ein Patent an und vermarktete die Kanne professionell. In der Folge entstand bei Bialetti die weltweit größte Fabrik für Kaffeekocher.

Bialetti
Markenzeichen: Das von dem italienischen Comic-Zeichner Paul Campani entworfene Konterfei von Renato als Comicfigur, als „l‘omino coi baffi“, © Bialetti

Klassiker mit acht Ecken

Die achteckige Form der Aluminiumkanne, die es in verschiedenen Größen gibt, hat sich bis heute kaum verändert. Neben den klassischen Modellen gibt es mittlerweile auch in diversen Farben lackierte Ausführungen. Die kantige, fast schon architektonische Form macht die Moka, anders als spätere Modelle aus Edelstahl, beim Zu- und Aufschrauben griffig und damit leicht handhabbar. Das (immer mal wieder toxikologisch umstrittene) Aluminium leitet die Wärme zudem zwanzig Mal besser als Edelstahl, und aufgrund seiner größeren Wandstärke heizt es sich zudem schneller und gleichmäßiger auf.

Drei Teile, mehr braucht es nicht

Eine Moka Express besteht aus nur drei Teilen. Das Unterteil (der Kessel) wird mit Wasser gefüllt. In den Trichtereinsatz wird Kaffeepulver gegeben, das Oberteil mit Steigrohr aufgeschraubt. Beginnt das auf einer Kochstelle erhitzte Wasser zu verdampfen, entsteht ein Überdruck. Dadurch wird das heiße Wasser im Kessel durch das Kaffeepulver im Trichtereinsatz gedrückt – und der caffè fließt durch ein Feinsieb an der Unterseite des Oberteils, steigt im Steigrohr auf und läuft von oben in die eigentliche Kanne. Einfacher lässt sich ein caffè nicht zubereiten. (Im Unterschied zum caffè/Espresso, wie er in der Bar unter hohem Druck zubereitet wird, schmeckt der zu Hause gebrühte caffè/Moka anders und bildet, unter anderem wegen des niedrigeren Drucks, keine stabile Crema.)

Ein kleiner Vulkan für die Herdplatte

Im Grunde ist jede Moka ein kleiner Vulkan für den heimischen Herd. Was Gaetano Pesce 1993 mit seiner „Vesuvio“ getauften Kanne eindrucksvoll vorgeführt – und damit augenzwinkernd eine Kritik am Funktionalismus formuliert hat. Pesce, Architekt, Designer, Künstler, 1939 in La Spezia geboren, hat sich immer wieder als ein Meister der Individualisierung von Massenprodukten erwiesen. Dinge zu gestalten, die nur praktisch und funktional sind, war nie seine Sache.

Was die Moka-Kanne und den Funktionalismus angeht, so veranschaulicht Pesces „Vesuvio“ einfach das Funktionsprinzip eines Moka-Kochers, bei dem der heiße Kaffee aufsteigt und in die Kanne sprudelt wie die glühende Lava bei einem Ausbruch aus dem Krater des Vesuvs fließt. Statt der achteckigen Architekturform kreierte Pesce eine freie Naturform, ein Bergmassiv, dessen Spitze weggesprengt wurde und einen Krater voll rotglühender Lava bildet, über dem eine Fahne aus Dampf und Asche schwebt. Was im Sinne der Formel „form follows function“ völlig korrekt ist, entspricht die Funktionsweise des Kochers doch exakt derjenigen eines – kontrollierten – Vulkanausbruchs. Womit sowohl das Prinzip der Moka-Kanne veranschaulicht, als auch der Funktionalismus weggesprengt wird wie der Vulkanberg durch die Eruption.

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Pesces „Vesuvio“ veranschaulicht das Funktionsprinzip eines Moka-Kochers, bei dem der heiße Kaffee in die Kanne sprudelt wie glühende Lava, © Thomas Wagner

Die Marke mit dem „L‘omino coi baffi“

Im Unterschied zu Pesces postmoderner Spielerei ist Bialettis achteckige Caffetiera zum Volksgut geworden und nicht aus dem italienischen Haushalt wegzudenken – ein veritables Stück soziales Design der italischen Kultur. Alfonso Bialetti hatte „La Moka“ erfunden. Sein Sohn Renato hat sie mit geschicktem Marketing in der ganzen Welt bekannt gemacht. In den 1950er-Jahren hat er, was damals ungewöhnlich war, Werbespots im Fernsehen geschaltet, in denen er selbst auftrat. Als lustiges Markenzeichen prangt seit 1958 das von dem italienischen Comic-Zeichner Paul Campani entworfene Konterfei von Renato als Comicfigur, als „l‘omino coi baffi“, als Männchen mit Schnauzbart und erhobenem Zeigefinger, noch heute auf allen Bialetti-Kannen. Als Renato Bialetti 2016 im Alter von 93 Jahren starb, hatte die legendäre Kanne einen besonderen Auftritt: Statt in einer üblichen Urne wurde Renatos Asche in der norditalienischen Gemeinde Casale Corte Cerro in einer großen „Moka“ beigesetzt.


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