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Kühlung verschlingt viel Strom und erzeugt hohe CO2-Emissionen. Junge Designerinnen und Designer haben sich der Frage gestellt, wie der Energieverbrauch im Design schon bei der Herstellung verringert werden kann. Dabei herausgekommen sind innovative Low-Tech-Lösungen.

Von hicklvesting.

In den letzten Jahrzehnten setzte man auf energieintensive Kühltechniken, die mit hohen CO2-Emissionen den globalen Temperaturanstieg ankurbelten. Inzwischen beginnt ein Umdenken, insbesondere bei der jüngeren Generation. Mehrere Designerinnen, die beim internationalen Design Newcomer Award ein&zwanzig des Rat für Formgebung teilnahmen, haben sich mit innovativen Produktentwicklungen den aktuellen Herausforderungen der Klimakrise gestellt: Wie kann Gestaltung ohne hohen technischen Aufwand, Stromverbrauch und mit so wenig „grauer Energie“ wie möglich, sprich der bei der Produktion anfallenden Energie, aussehen? Für ihre Entwürfe entdecken die Nachwuchsdesignerinnen und -designer natürliche Prozesse und Materialien neu und finden überzeugende Alternativen für Klimaanlagen und Haushaltsgeräte.

Natürliche Wirkprinzipien für intelligente Lösungen zu nutzen, dabei möglichst unabhängig von aufwendigen Technologien zu sein – dieser Low-Tech-Ansatz stößt in der Architektur seit einigen Jahren zunehmend auf Interesse. Auch im Produktdesign beginnt eine Abkehr von technikzentrierten Gestaltungsansätzen: Die Nutzung von natürlichen Materialien mit besonderen Eigenschaften sowie physikalischer Prozesse wie Thermik und Verdunstungskälte haben das Ziel, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu erreichen, ohne dabei auf Komfort verzichten zu müssen. Denn das Raumklima ist ein wichtiger Wohlfühlfaktor, es bestimmt maßgeblich Komfort und Produktivität.

„Corteza“ (Kühler) – Alba Diaz Strum, Spanien/Frankreich

„Corteza“ ist eine thermische Kühlbox, Einkaufs- und Picknickkorb in einem. Hergestellt in einem vom Rotationsguss inspirierten Verfahren kommen die erstaunlichen thermischen Eigenschaften von Kork optimal zur Wirkung: Der Korb – innen hohl und in einer für den Kühleffekt perfekt austarierten Tiefe – verringert ganz ohne Strom und Kühlakkus die Wärmeübertragung und eignet sich mit seinen isolierenden Eigenschaften besonders für die Lagerung und den Transport von frischen Lebensmitteln. Griffe und Trageriemen des Korbs sind dabei der Ästhetik von Ledertaschen entlehnt, so dass Corteza wenig mit einer sperrigen Kühlbox gemein hat, sondern wie eine minimalistische Trend-Bag wirkt.

Der spanischen Designerin Alba Diaz Strum (ENSCI – Les Ateliers, Paris/Frankreich) gelingt ein innovatives Design, das dem langlebigen Material Kork eine zeitgenössische Relevanz im Kontext von thermisch wirkenden Produkten zuspricht.

„Draft“ (Klimaanlage) – Sofie Aschan, Schweden

Auch die Designerin Sofie Aschan (Universität Lund, Schweden) belebt für ihre alternative, stromunabhängige Klimaanlage Draft eine traditionelle Kühlmethode neu. Das geschwungene Tongefäß ist ein skulpturaler Hingucker. Positioniert vor einem offenen Fenster und über die beiden Öffnungen mit Wasser gefüllt, kühlt es die warme Außenluft beim Einströmen und senkt so die gesamte Temperatur im Raum. „Draft“ ist ein analoges Werkzeug zur Bewältigung von zunehmenden Hitzewellen in Europa, das auf dem physikalischen Prinzip der Verdunstung basiert. Anders als handelsübliche Klimaanlagen produziert es weder Lärm, noch verschwendet es Energieressourcen. Den Teufelskreis von Erderwärmung und ansteigendem CO2-Ausstoss durch zusätzliche Elektro-Kühlgeräte will dieser Entwurf mit einem natürlichen Wirkprinzip durchbrechen.

Im Gegensatz zu klimatechnischen Hightech-Geräten ist Draft ein optisch ansprechendes Design-Objekt von fast filigraner Erscheinung, das sich gegen den rasant steigenden Energieverbrauch durch Klimaanlagen stemmt: Low-Tech für nachhaltigere Raumkühlung.

„Relics“ (Kühlbehälter) – Georgia von le Fort, Deutschland

Relics. © Georgia von le Fort

„Relics“ ist eine Serie von Aufbewahrungsutensilien aus recyceltem Porzellan, die die Haltbarkeit von gelagertem Obst und Gemüse verlängern. Die Designerin Georgia von le Fort (Universität der Künste, Berlin) greift das Problem der Lebensmittelverschwendung auf, denn jährlich werden aufgrund falscher Lagerung unzählige Tonnen Obst und Gemüse weggeworfen. Als Alternative zur herkömmlichen Obstschale oder dem Kühlschrank beruht das Prinzip von Relics auf einem natürlichen Kühleffekt: eine Schale im Inneren jedes Behälters reduziert die Temperatur durch Verdunstungskühlung und schützt durch hohe Luftfeuchtigkeit vor Austrocknung. Im Zusammenspiel mit der besonderen Formgebung der Gefäße werden so optimale Bedingungen für die Lagerung von fast allen Obst- und Gemüsesorten geschaffen.

Der Ansatz dieses Entwurfs ist dabei ganzheitlich nachhaltig: die Behälter bestehen zu 100 % aus Porzellanbruchstücken, die zunächst gemahlen und dann versintert werden. Mit Relics hat Georgia von le Fort eine sensible Produktlösung geschaffen, die Abfall als Ausgangsstoff verwendet und neuen Biomüll reduziert – eine ressourcenschonende Alternative, die sich mit altbewährter Technik gegenüber Hightech-Produkten behauptet.


Newcomer-Award ein&zwanzig 2022

Die 21 Winner des international ausgerichteten Nachwuchswettbewerbs ein&zwanzig stehen fest. Mit Neugier, Forschergeist und einem profunden Verständnis für intelligente Problemlösungen verbinden die jungen Talente Ästhetik und Nutzwert auf eindrucksvolle Weise.

Die 21 Winner werden vom 6. bis zum 12. Juni 2022 anlässlich der 60. Edition des Salone del Mobile in der Officina 3, Via Tortona 31 in Mailandpräsentiert. Die begehrte »Best of Best«- Auszeichnung wird am 6. Juni 2022 verliehen. Auch die Gewinnerinnen und Gewinner des letztjährigen Nachwuchswettbewerbs werden anwesend sein.


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