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Zu den Leistungen der Marke RECARO gehören wegweisende Entwicklungen, die Maßstäbe für das ergonomische und sichere Sitzen in Automobilen, Rennfahrzeugen oder im Flugzeug setzen. Vor wenigen Jahren wendete sich das Unternehmen dem boomenden Gaming-Markt zu. Mit speziellen Sitzen für den eSport sowie fürs Homeoffice wird eine neue und jüngere Zielgruppe angesprochen.

Von Heike Edelmann

Menschen sitzen, auch wenn sie sich dabei bewegen – zumindest trifft das auf das Autofahren und das Fliegen zu. Doch durch die fortschreitende Digitalisierung bekommen Aktivitäten und Erlebnisse in virtuellen Räumen und Welten eine größere Relevanz. Das Unternehmen RECARO zeigt, wie vorhandene Kompetenzen und Erfahrungen wesentlich dazu beitragen, sich in dieser Transformation zu behaupten und neue Geschäftsfelder zu erschließen.

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RECARO Podium (links) und Classic LX-Sitze der Retro-Serie im Flagshipstore München, © RECARO

Zusammenspiel von Funktion, Ergonomie und Ästhetik

Für das Industrial Design der Sitze von RECARO Automotive zeichnet das Designteam unter der Leitung von Frank Beermann verantwortlich, der seit 1987 im Unternehmen arbeitet. Es hat die Aufgabe, die Kernwerte und Kompetenzen der Marke zu visualisieren. „Durch Form, Materialwahl und fortschrittliche Produktionsverfahren wird ein außergewöhnliches Erscheinungsbild erreicht“, sagt Beermann. Der besondere Charakter der Sitze resultiere daraus, dass das Unternehmen vor allem Schalensitze baut. Da schon die Stützstruktur der Sitze ergonomisch geformt wird, kommt man mit einer sehr dünnen Schaumstoffschicht aus. Auf diese Weise entstehe „Ingenious Design“, wie es bei RECARO heißt, ein perfektes Zusammenspiel von Funktion, Ergonomie und Ästhetik.

Das Thema Gesunderhaltung durch richtiges Sitzen im Auto sei „schon lange ein Fokus der Produktentwicklung“, so Beermann – dies zeige sich auch im Motto „Form follows human“, denn „der Ausgangspunkt für das gesamte RECARO Designteam ist der Mensch und seine anatomischen Eigenschaften“. Ein ergonomisch optimal geformter Fahrzeugsitz schafft nicht nur Entlastung für Bandscheiben und Rücken, er wirkt auch der Ermüdung beim Fahren entgegen. Somit kann sich der Fahrer ganz auf den Straßenverkehr oder die Rennstrecke konzentrieren, erklärt Frank Beermann.

Neue Zielgruppe durch Einstieg in den Gaming-Markt

Das richtige Timing ist wichtig, um innovative Produkte zu entwickeln und sie erfolgreich am Markt etablieren zu können. Im Laufe der Unternehmensgeschichte gelang es der Marke immer wieder, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Heute gehören zur RECARO Holding die Marke RECARO, der RECARO Aircraft Seating und seit 2018 der neue Geschäftsbereich RECARO Gaming. Wie schon bei den speziellen Sitzen für den Rennsport, tauscht das Team seine Erfahrungen mit Insidern der Szene aus, um zielgruppengerechte Lösungen zu schaffen. Die Traditionsfelder RECARO Automotive Seating und RECARO Kids werden in Kooperation mit Lizenznehmern geführt.

„Unser Sitz wurde mit Spielern für Spieler entwickelt“, sagt Daniel Behres, Geschäftsführer von RECARO Gaming. Zugleich sei die „fundierte Ergonomie-Kompetenz der Sitz-Experten aus der Group“ mit eingeflossen. So entstand der „Recaro Exo“, das erste Produkt speziell für die boomende Gamer Community – eine jüngere Zielgruppe als die der Autoenthusiaten, die beispielsweise Sitze der Retro-Serien kaufen. Die Gestaltung des Keyvisuals der neuen Marke mit dem Claim „FIRST OF ITS KIND“, erinnert an frühe Computerdarstellungen.

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RECARO Exo mit abschirmendem Kopfteil und ergonomischer Sitzschale speziell für eGamer, © RECARO

Transfomation braucht Geschichte

Das Beispiel zeigt: In der Transformation zählt nicht nur Mut, sondern auch Geschichte. Begeistert von der noch jungen Erfindung des Automobils, gründete der Sattlermeister Wilhelm Reutter 1906 die Stuttgarter Carosserie & Radfabrik, um maßgeschneiderte Aufbauten und Interieurs für alle namhaften Hersteller zu bauen. Seit 1930 bestand eine Kooperation mit dem Ingenieurbüro Porsche. Reutter fertigte für Porsche nach dem Zweiten Weltkrieg Karosserien für dessen erstes Serienmodell, den Porsche 356, inklusive des Interieurs und der Sitze. 1963 verkaufte Reutter sein Karosseriewerk in Stuttgart-Zuffenhausen an Porsche. Das Unternehmen konzentrierte sich nun auf die Entwicklung und Produktion von Sitzen für Sportwagen. Die fanden sich bald im Porsche 911, aber auch in Fahrzeugen anderer Marken. Der Wandel ging einher mit einer zeittypischen Umbenennung: Aus dem Firmennamen „Reutter Carosserie“ entstand als markenprägende, auf den Produkten sowie in der Kommunikation stets in Versalien erscheinende Markenname RECARO.

RECARO Sport C: vollelektrischer Sportsitz mit 8-Wege-Einstellung für den nachträglichen Einbau, © RECARO

Bereits 1965 brachte das Unternehmen den ersten Autositz mit ausgeprägten Seitenführungen, ergonomisch optimierter Kontur und Schaumstoffpolsterung auf den Markt. Der „RECARO Sportsitz“ war leichter konstruiert als bisherige Autositze, zudem konnte man seine Lehnen individuell einstellen – und durch eine spezielle Konsole in unterschiedlichen Fahrzeugtypen einbauen. Um das Missverständnis auszuschließen, er sei ausschließlich für sportliche Fahrer gedacht, wurde der RECARO Sportsitz vier Jahre nach seiner Markteinführung in „Idealsitz” umbenannt.  

Meilensteine der Unternehmensgeschichte

Die Entwicklung wurde kontinuierlich weiter vorangetrieben, passend zum Firmenslogan: „Wer gut sitzt, fährt besser”. Seit Ende der 1960er-Jahre ist das eingewebte Logo, das bis heute mit geringfügigen Änderungen verwendet wird, weithin sichtbar auf Kopfhöhe angebracht.

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Anzeigenmotiv mit dem Slogan aus den 1960er-Jahren, © RECARO

Als Weltneuheit präsentierte der Hersteller 1971 den ersten Sitz mit integriertem Sicherheitsgurt, weitere Meilensteine folgten. Hohe Sitzqualität bei geringem Gewicht war bald auch auf anderen Feldern gefragt: Anfang der 1970er-Jahre entstanden erste Flugzeugsitze in Leichtbauweise für bekannte Fluglinien wie Lufthansa, Hapag-Lloyd oder Korean Airlines. Neben Leichtbau und hohem Komfort ging es bei der Kreation der RECARO Sitze zugleich immer auch um eine Verbesserung der Sicherheit. Mit dem „RECARO Start“ präsentierte der Geschäftsbereich RECARO Kids 1998 seinen ersten mitwachsenden Kindersitz.

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Der ergonomisch gestaltete Gaming-Sitz RECARO Rae eignet sich auch für die Bildschirmarbeit im Homeoffice, © RECARO

Ergonomischer Sitz fürs Gaming wie im Homeoffice

Nun soll mit Gaming-Sitzen ein neues Geschäftsfeld erschlossen werden. Auf die erfolgreiche Einführung des Exo folgte der „RECARO Rae“, ein ergonomisch gestalteter Gaming-Sitz, der sich auch für die Bildschirmarbeit im Homeoffice eignet. Eine hochwertige Synchronmechanik, die integrierte Lordosenstütze sowie intuitive Bedienung sind auf diesem Feld unerlässlich. Die stabilen Armlehnen tragen dazu bei, dem Körper in jeder Spiel- oder Arbeitsposition optimalen Halt und Unterstützung zu geben. In Kooperation mit Porsche entwarf das Unternehmen eine limitierte Variante des Exo Platinum-Modells, dessen Farbgebung wurde vom Studio F.A. Porsche entwickelt und von den Motorsportfahrzeugen des Premium-Automobilbauers inspiriert.

Motiv aus der Kampagne RECARO x Porsche, © RECARO

Das Beispiel RECARO zeigt: Wenn Substanz und Kompetenz stimmen, ist die Transformation vom Karosseriebauer, der Produkte in Kleinserien schuf, zur spezialisierten und diversifizierten Sitz-Marke ebenso möglich wie eine Neuorientierung, die fürs Sitzen, die Sportlichkeit und den Komfort immer wieder neue Anwendungsfelder erschließt – in den Lüften wie für das Spiel in virtuellen Welten.


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