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Designer sind gemeinhin gute Beobachter. Sie betrachten ihre Umwelt und gestalten Objekte, Prozesse und Services für ein besseres Leben. Dass viele dieser Lösungen heute primär auf Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit abzielen, zeigen die folgenden Projekte von Gestaltern, die mit dem Bundespreis Ecodesign 2019 ausgezeichnet wurden. Sie beeindrucken nicht nur durch ihre kreativen Ideen, sondern auch durch den Mut, Lebenswelten zu hinterfragen und neu zu denken.

ndion stellt eine Auswahl der insgesamt 12 Preisträger vor und lässt sie selbst zu Wort kommen. Alle Gewinner können auf der Website des Bundespreises Ecodesign oder während der Wanderausstellung im Frühjahr 2020 entdeckt werden.


Wie wohnen wir in der Zukunft?

Ausgezeichnet in der Kategorie Produkt: Wikkelhouse (Wikkelhouse B.V., Amsterdam, Niederlande)

Das Wikkelhouse-Konzept erlaubt, drei verschiedene Module individuell zu Gebäuden zusammenzustellen. Wichtigster Baustoff ist Wellpappe, die in 24 Schichten um eine Form gewickelt und verklebt wird. Die so entstehende Sandwichstruktur sorgt für Isolation und strukturelle Festigkeit, eine wasserabweisende, dampfdurchlässige Folie schützt vor Feuchtigkeit. Der gesamte Lebenszyklus des Wikkelhouse ist nachhaltig konzipiert: von der Produktion, über die Wiederverwendbarkeit der Module, bis zur Möglichkeit, die abnehmbaren Leichtbauteile zu recyceln.

Drei Fragen an Oep Schilling

Können Sie sich an den Moment erinnern, in dem Sie die Idee zu Wikkelhouse hatten? Wie kam es zur Umsetzung?

Im Jahr 2012 sah ich die Wikkelmaschine zum ersten Mal und war völlig begeistert von ihr. Die Maschine sah unwirklich aus, als wäre sie für einen Science-Fiction-Film gemacht. Sie wurde von einem niederländischen Unternehmer erfunden und geschaffen, der sein ganzes Leben lang in der Papierverpackungsindustrie gearbeitet hatte. Er glaubte, dass Pappe stark genug sei, um ein Haus zu bauen, und legte los. Leider ist das Projekt gescheitert, aber als ich die Maschine zehn Jahre später fand, war die Welt bereit für einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Ich sah das Potenzial für das Wikkelhouse. Ein Haus, bei dem Design auf Nachhaltigkeit trifft.

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt im Entwicklungsprozess? Gab es einen Tiefpunkt?

Wir haben definitiv einige Tiefpunkte erlebt. Niemand glaubte, dass wir es schaffen. Die Menschen haben uns nicht ernst genommen. Aber wir haben weitergemacht und all unsere Kreativität eingesetzt, um Wikkelhouse zum Erfolg zu führen.

Ich erinnere mich an zwei wichtige Highlights: Das erste war, als unsere Technik zum Auftragen des Klebstoffs tatsächlich funktionierte und das andere, als ich das erste Wikkelhouse an die Hogeschool van Amsterdam verkaufte. Ich war nach vier Jahren des Versuchens, Scheiterns und finanzieller Investitionen so glücklich, dass sich jemand wirklich entschied, ein Papphaus zu kaufen. Und jetzt haben wir bereits über 70 Stück verkauft!

Wo sehen Sie sich und Ihr Projekt in den nächsten fünf Jahren?

Ich hoffe, dass Wikkelhouse einen neuen Standard bei kleinen Häusern setzen wird. Außerdem hoffe ich, dass Wikkelhouse den Leuten zeigen wird, dass es möglich ist, Dinge anders zu tun. Wenn man ein Haus aus Pappe bauen kann, kann man so viel anderes auch schaffen. Vielleicht werden in fünf Jahren nur 500 Wikkelhouses entstehen, aber vielleicht werden 5000 junge Designer*innen und Macher*innen inspiriert, etwas zu verändern – mit nachhaltigerem, gutem Design und viel Spaß.


Wie helfen wir unseren Meeren?

Ausgezeichnet in der Kategorie Konzept: Maritime Müllabfuhr – SeeElefant (One Earth – One Ocean e.V., Garching, Deutschland), Design: Günther Bonin, Dr. Harald Frank, Erich Groever, Lennart Rölz

Das Multi-Purpose-Schiff SeeElefant ist Teil des Müllsammelkonzepts der Maritimen Müllabfuhr von One Earth – One Ocean. Es übernimmt den von Sammelschiffen aus dem Meer geborgenen Kunststoffmüll, um ihn mit der bordeigenen Anlagentechnik aufzubereiten, zu sortieren und zu verarbeiten. Hochwertige Kunststoffe wie PET werden zu sortenreinen Ballen gepresst, in Containern auf dem Schiff zwischengelagert und anschließend in den Stoffkreislauf zurückgeführt. Zudem soll mittelfristig Öl aus Plastikmüll rückgewonnen werden.

Drei Fragen an Günther Bonin

Können Sie sich an den Moment erinnern, in dem Sie die Idee zum Konzept der Maritimen Müllabfuhr hatten? Wie kam es zur Umsetzung?

Als Segler habe ich schon früh gemerkt, wie Plastikmüll in den Gewässern die Umwelt schädigt. Auf einer Segelfahrt, auf der Frachter*innen ihre Abfälle einfach über Bord warfen, war für mich klar, dass dagegen etwas unternommen werden muss. Ich entwickelte ab 2011 das Konzept der Maritimen Müllabfuhr mit speziellen Sammelschiffen und dem SeeElefanten als Recycling- und Verwertungsschiff. Vor zehn Jahren wurde ich noch als Utopist belächelt. Inzwischen nimmt man unser Konzept ernst.

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt im Entwicklungsprozess? Gab es einen Tiefpunkt?

Höhepunkt war die Erstellung der Machbarkeitsstudie für den SeeElefanten durch ein Expertenteam, darunter Schiffsbauingenieure und Recyclingfachleute, die unser Sponsor, die Röchling Stiftung, finanzierte und so erst ermöglichte. Die Studie wurde im Mai 2019 inklusive eines detaillierten Umsetzungskonzepts für Investoren fertiggestellt. Natürlich gibt es Verzögerungen, und für die Umsetzung des Konzepts braucht es Geldgeber. Man muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Doch die Erfolge überwiegen.

Wo sehen Sie sich und Ihr Projekt in den nächsten fünf Jahren?

Wir sind die einzige Organisation weltweit, die ein umfassendes und praktikables Konzept zur Sammlung und Verwertung von Plastikmüll aus Meeren, Flüssen und Binnengewässern bieten kann. Ich bin sehr zuversichtlich, bald den ersten SeeElefanten im Einsatz zu sehen. In fünf Jahren wird OEOO weitere internationale Müllsammel-Projekte gestartet und mindestens einen SeeElefanten umgesetzt haben, mit dem wir dann das Gesamtkonzept der Maritimen Müllabfuhr weltweit präsentieren können.


Wie gehen wir besser mit unserem Müll um?

Ausgezeichnet in der Kategorie Produkt: WormUp_HOME (WormUp GmbH, Zürich, Schweiz), Design: Erich Fässler, Luiz Schumacher

Der WormUp_HOME wurde für die urbane Stadtwohnung konzipiert. Der in Etagen angeordnete, formschöne Wurmkomposter wird in Deutschland in einer traditionellen Tonmanufaktur hergestellt. Das Gefäß bietet den Würmern ideale Lebensbedingungen. Es erlaubt, biogene Abfälle einfach und sauber wiederzuverwerten – und zwar gleich dort, wo sie anfallen: zu Hause, im Büro oder in der Schule. Organischer Abfall wird von den Würmern geruchlos in hochwertigen Pflanzendünger umgewandelt.

Drei Fragen an Erich Fässler

Können Sie sich an den Moment erinnern, in dem Sie die Idee zu Ihrem Projekt WormUp_HOME hatten? Wie kam es zur Umsetzung?

Der Umzug vom Land in die Stadt hatte zur Folge, dass ich keinen Kompost mehr im Garten hatte. Biomüll zu entsorgen kam für mich aber nicht in Frage. Da habe ich begonnen, mit den Würmern zu experimentieren. Zwei Studenten haben sich ebenfalls Gedanken zu diesem Thema gemacht und sind auf das Potential der Würmer gestoßen. Sie waren sogleich begeistert und überzeugt, dass es sich um ein zukunftsfähiges Modell handelt. Schnell wurde klar, eine breite Akzeptanz für die Heim-Kompostierung mit Regenwürmern ist nur mit gutem Design zu erreichen. Ein gemeinsamer Freund, der Industriedesigner ist, hat uns zusammengebracht. Ein erster Fernsehauftritt führte uns zu einer ehemaligen Innovationmanagerin mit der gleichen Idee. So bildeten wir ein Team mit dem Ziel, ein gut durchdachtes, niederschwelliges Produkt für die Kompostierung im urbanen Raum zu schaffen.

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt im Entwicklungsprozess von WormUp_HOME? Gab es einen Tiefpunkt?

Von Beginn an waren wir von der Idee überzeugt. Wir konnten uns aber nicht wirklich vorstellen, wie viele Mitmenschen es gibt, die mit uns die gleiche Frustration im Umgang mit Bioabfall teilen und bereit sind, zuhause mit Würmern zu kompostieren. Trotz des guten Feedbacks in der Entwicklungsphase wussten wir nicht, ob unsere Entwicklung in der Schublade enden würde. Das Produkt war noch nicht auf dem Markt, die finanziellen Mittel aus Wettbewerben neigten sich dem Ende zu – damals ein Tiefpunkt. Dann haben wir alles auf eine Karte gesetzt und uns entschlossen, eine Crowdfunding-Kampagne zu lancieren. Das Resultat hat unsere Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen – wir hatten in einer Woche genügend Geld, um die Produktion unseres ersten Keramik-Wurmkomposters abzuschließen. Dieser Moment spornt uns bis heute an.

Wo sehen Sie sich und Ihr Projekt in den nächsten fünf Jahren?

Wir bei WormUp sehen uns als Vorreiter im Bereich der Wurmkompostierung, als Ansprechpartner und Wissensträger für alle, die Lösungen im Bereich Bioabfall, Kreislaufwirtschaft oder Humusaufbau suchen. Das Thema Biomüll ist riesengroß und auch die damit verbundenen Probleme für Mensch und Umwelt. Alles hängt zusammen: Klimawandel, Biomüll, Mikroplastik, Verpackungen, Kunstdünger, Lebensmittelproduktion, Landwirtschaft, Humusaufbau und Abbau. Wir wollen das Thema Wurmkompostierung salonfähig machen, wir wollen zeigen, dass Biomüll eine vielfältige Ressource mit Potential ist. Wir sind überzeugt, mit praktischen, gut designten und durchdachten Produkten unsere Mitmenschen von dieser Vision zu überzeugen. Denn, not only humans do amazing shit.


Wie können wir nachhaltiger konsumieren?

Ausgezeichnet in der Kategorie Nachwuchs: SOAPBOTTLE – Verpackung aus Seife (Jonna Breitenhuber, Universität der Künste Berlin)

SOAPBOTTLE ist eine Verpackung für flüssige Hygieneprodukte, die aus Seife hergestellt wird. Während der Inhalt aufgebraucht wird, löst sich der Behälter langsam von außen auf. Überreste können als Handseife weiterverwendet oder unter Zugabe von Soda und Natron zu Waschmittel verarbeitet werden. Die Seife besteht aus natürlichen Rohstoffen und ist biologisch abbaubar: So kann mit der SOAPBOTTLE Müll komplett vermieden werden.

Drei Fragen an Jonna Breitenhuber

Können Sie sich an den Moment erinnern, in dem Sie die Idee zu Ihrem Projekt SOAPBOTTLE hatten? Wie kam es zur Umsetzung?

Durch meine Tätigkeit als Verpackungsdesignerin für Kosmetikprodukte wurde mir erst richtig bewusst, dass es kaum kunststofffreie Verpackungen für flüssige Körperpflegeprodukte gibt. Deshalb wollte ich in meiner Masterarbeit an dieser Problematik arbeiten.
Aus der Lebensmittelbranche kennt man bereits ein paar Beispiele, bei denen das Produkt selbst zur Verpackung wird. Bei der Eiswaffel kann die „Hülle“ sogar komplett benutzt werden. Ich habe mich gefragt, ob ich dieses Konzept auch auf Hygieneprodukte übertragen kann. Und so habe ich angefangen, mit Seife zu experimentieren.

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt im Entwicklungsprozess von SOAPBOTTLE? Gab es einen Tiefpunkt?

Bei mir gab es nicht den einen Höhe- oder Tiefpunkt. Vielmehr war es ein ständiges Auf und Ab, bis ich dann endlich den ersten Prototypen aus der Form geholt habe. Es hat zum Beispiel einige Anläufe gebraucht, bis ich es geschafft habe meine eigene Seife zu sieden.
Besonders schöne Momente waren der Besuch bei einer Seifenmanufaktur, die Visite in einer Abfüllanlage, der Kalkseifen-Workshop oder auch der Austausch mit Chemikern, bei denen ich viel über das Seifenhandwerk und die Zusammensetzung von Seife gelernt habe.

Wo sehen Sie sich und Ihr Projekt in den nächsten fünf Jahren?

Bis jetzt ist SOAPBOTTLE noch ein Konzept. Ich habe visualisiert, wie eine Seifenverpackung aussieht und wie sie benutzt werden kann. Um sie wirklich auf den Markt bringen zu können, müssen noch ein paar Fragen bezüglich der Materialzusammensetzung und der seriellen Fertigung gelöst werden. Ich bin aber bereits in Kontakt mit verschiedenen Herstellern und Unternehmen, die an einer Kooperation interessiert sind. Weil das Projekt mittlerweile relativ viel Aufmerksamkeit erzeugt hat, kam es jetzt schon zu einer hohen Nachfrage, die hoffentlich in den nächsten Jahren gedeckt werden kann.

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