Auch in Zeiten der Digitalisierung entfalten Plakate ihre Wirkung im öffentlichen Raum. Selbst wenn sie nur als Datensatz zirkulieren, sind sie zugleich Informationsmedium und grafische Kunst. Während das 19. Jahrhundert das Plakat vor allem als künstlerisches Medium verstand, das in der „Galerie der Straße“ präsentiert wurde, avancierte es im 20. Jahrhundert zum bevorzugten Instrument für Produktwerbung und politische Propaganda. Auch Otl Aicher (1922 bis 1991), Designer, Grafiker und Mitbegründer der Ulmer Hochschule für Gestaltung, nutzte Plakate zeitlebens als bevorzugtes Mittel für Zwecke der Werbung, aber auch, um gesellschaftlich Stellung zu beziehen. Bereits 1955 erhielt Aicher den Preis für das Beste deutsche Plakat. Nach Angaben des HfG-Archivs durchzieht das Medium Plakat Aichers gesamtes Werk wie ein roter Faden. Er wählte es für die verschiedensten Zwecke und Anlässe, wobei ihm stets eine prägnante thematische und visuelle Umsetzung gelang. So entstanden Plakate für das Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 in München, Werbeposter für die Münchner Rück, für Firmen wie Bulthaup, Erco oder FSB – und nicht zuletzt Plakate zu politischen Themen, etwa für den Europa-Wahlkampf der SPD 1979 oder gegen die Stationierung von Pershing-Raketen auf deutschem Boden in den 1980er-Jahren.
Unter dem Titel „100 Jahre 100 Plakate“ präsentiert das Ulmer HfG-Archiv zum 100. Geburtstag von Otl Aicher vom 26. März bis zum 8. Januar 2023 eine Ausstellung, die in 100 Plakaten sein ganzes Schaffen überblickt. Mit der Konzentration auf dieses eine visuelle Medium, so die Ankündigung, ließen sich „viele der für Aicher zeitlebens wichtigen Themen vor Augen führen“, womit er „als formal überzeugender und politisch argumentierender Gestalter sichtbar und erlebbar“ werde. Das HfG-Archiv besitz den Nachlass von Otl Aicher und damit auch zentrale Archivalien seines umfangreichen Wirkens als Kommunikationsdesigner.