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Interview von Andrej Kupetz

An Vielseitigkeit ist Peter Schmidt kaum zu übertreffen. Die Bandbreite seines Schaffens reicht vom Packaging bis zum Corporate Design, vom Parfum-Flakon bis zur Markenberatung, von der Buchgestaltung bis zum Bühnenbild und zur Architektur. Er hat nicht nur den berühmten Schriftzug von Jil Sander und den minimalistischen Flakon für ihr erstes Parfum entworfen – er ist auch mit der Modedesignerin befreundet.

Schmidt wurde 1937 in Bayreuth geboren und kam nach dem Studium in Kassel nach Hamburg, wo er 1972 mit Waltraut Bethge die Peter Schmidt Studios ins Leben rief. 30 Jahre lang hat er die Agentur geleitet, aus der die Peter Schmidt Group hervorging. Andrej Kupetz, Hauptgeschäftsführer des Rat für Formgebung, hat mit Peter Schmidt gesprochen.

Peter Schmidt © Dominik Odenkirchen, 2017. Quelle: Rat für Formgebung

Sie sind in Bayreuth geboren. Sind Sie Wagnerianer?

Ich bin es früh geworden. Ich hatte großartige Eltern, die hatten eine Gärtnerei, waren sehr naturverbunden und wir Kinder genossen große Freiheiten. Als ich 14 war, hat mir eine Tante einen Zettel gegeben, ich könne zu einer Generalprobe der »Götterdämmerung« gehen. Ich stand dann mit meinem großen Zettel an der Tür und eine strenge Bayreuther Frau sagte zu mir: »Das ist eine geschlossene Veranstaltung.« Ich habe so lautstark protestiert, dass ich zu Wieland und Wolfgang Wagner geführt wurde, die dann im fränkischen Dialekt meinten: »Lass den Bub rein.« Ich fühlte mich wie König Ludwig und war überwältigt. Zum ersten Mal war ich in einem Theater – das hat natürlich Spuren hinterlassen.

War das die Initialzündung, Gestalter werden zu wollen?

Ich wollte etwas mit Theater zu tun haben, wobei meine Eltern das etwas gelenkt haben, weil sie fanden, das sei ein Berufsweg, der höheren Gefährdungen ausgesetzt ist. Jedenfalls hat das eine Veränderung in meiner Sichtweise bewirkt. Wenn es um Branding und Corporate Design geht, reden wir ja auch von der Inszenierung einer Welt. Darin war Richard Wagner mit dem, was er wollte, gebaut und initiiert hat, durchaus auch prägend für das deutsche Design in späteren Zeiten. Ich weiß nicht, ob Sie von den Gedenkstelen wissen, die ich subversiv mit Hannes Heer und Jürgen Kesting in den Park um das Festspielhaus gepflanzt habe und die unter dem Schutz der Bayreuther Verwaltung stehen, weil das natürlich Wagner-Gebiet ist. Auf ihnen sind die Schicksale jüdischer Künstler in Bayreuth aufgeführt. Ich sage immer, es ist das Wichtigste in meinem Leben, dass wir das geschafft haben.

Von Bayreuth sind Sie dann zur Ausbildung nach Kassel gegangen. Wie kam Kassel in Ihre Wahl?

Ein etwas älterer Freund war nach Kassel gegangen und hatte mich eingeladen. Mir gefiel die Schule. Ich musste ja aufpassen, weil ich kein Abitur hatte. Und dann wurde ich zur Prüfung eingeladen und als Einziger genommen – von Jupp Ernst. Er kam rein, hat mich beiseite geschoben und gefragt: »Was machst du denn da?« Ich konnte wirklich sehr schön zeichnen, hatte inzwischen eine Lithographenlehre gemacht, sonst wäre ich überhaupt nicht eingeladen worden. Zu meiner Überraschung sagte er: »Sie können bleiben.« Ein glücklicher Zufall.

Von Kassel ging es direkt nach Hamburg?

Das ist eine seltsame Geschichte. Ich hatte für einen Freund, der aus Bayreuth kam und in Paris ein Friseurgeschäft führte, ein kleines Büchlein mit Fotografien aus Paris gemacht, in dem ich den Schwarzkopf in klein gezeichnet hatte. Das war Friedrich Böltz, dem Werbeleiter von Schwarzkopf, aufgefallen. Auf Umwegen hat er mich in Bad Hersfeld ausfindig gemacht und mir ganz frech geschrieben: »Sie passen gar nicht nach Bad Hersfeld, kommen Sie lieber nach Hamburg.« Ich dachte: Hamburg wäre schon toll, aber Schwarzkopf? Ständig etwas mit Haaren (lacht), das ist vielleicht doch nicht so interessant. Also habe ich abgesagt. Prompt kam ein Telegramm: Er habe den Brief zerrissen, er gelte für ihn nicht, ich müsse nach Hamburg kommen. Das Wichtigste, was ich mitgenommen habe, war ein Grammophon, weil ich schon damals ständig Musik gehört habe.

Ein antikes Grammophon mit Trichter?

Nein, ein abstoßend schreckliches Gerät. Die erste Schallplatte waren Lieder von Costa Brava.

Sehr speziell. Haben Sie sich in Hamburg gleich selbständig gemacht?

Zunächst war ich angestellt – und schon nach ein paar Monaten eine saftige Gehaltserhöhung bekommen. Böltz hatte ein cholerisches Temperament, ich hingegen bin eigentlich ein sehr schüchterner Mensch, habe aber zu ihm gesagt: »Wenn Sie mich anschreien, gehe ich nach Hause, das können Sie mit Ihren anderen Mitarbeitern machen.« Das hat mir Respekt verschafft. Als er, nach einem Intermezzo in Frankfurt, dann die Agentur Verclas & Böltz gegründet hat, meinte er: »Du kommst natürlich mit«. Er hat mich geduzt, ich habe ihn gesiezt. Die Agentur war unglaublich erfolgreich und plötzlich sagte er: »Komm mal ans Fenster. Schau, was da unten steht.« Ich antwortete: »Da steht ein Porsche« Woraufhin er sagte: »Der gehört dir.« Das klingt wie ein Märchen, ist aber wahr.

Wie kam es dann zur Gründung Ihrer Agentur?

Über den Herrn Wolf habe ich Waltraud Bethge kennengelernt, die meinte: »Peter, komm, wir machen uns selbständig, das ist jetzt die beste Zeit.« Es war Zufall, dass wir unser Büro neben dem von Jil Sander hatten. Irgendwann hat Jil mich eingeladen und gesagt: »Peter, Sie könnten ja auch einmal mein Logo anschauen.« Und das war ganz brav, das sage ich ganz leise. Sie hat es mir kürzlich gezeigt. Und dann ist diese wirklich wunderbare Freundschaft zu ihr mit ihrer unglaublichen Power entstanden, die ich manchmal auch nicht mehr aushalten konnte.

Ich habe mir mit 13 meine erste Vogue gekauft – und da war eine doppelseitige Anzeige drin, die anders war als alles andere: das berühmte Schwarzweißporträt von Jil Sander. So etwas gab es vorher nicht.

Das war ja auch eine Revolution.Ohne Jil wäre es auch nicht möglich gewesen, so etwas wie den Flakon überhaupt auf den Markt zu bringen.

Jil Sander war also nicht nur Kunde, sondern für eine gewisse Zeit auch Ihr Sparringspartner?

Sie war mit großem Abstand der wichtigste Kunde, aber auch die wichtigste Begegnung in meinem beruflichen Leben. Heute arbeite ich viel fürs Theater und da lerne ich auch Menschen kennen, die diese Sehnsucht nach größter Genauigkeit haben. Wenn Sie inszenieren, etwa die Uraufführung eines Theaterstücks von Elfriede Jelinek, dann müssen sie genau sein, sonst wird das ihrer Sprache nicht gerecht. Auch mit so präzise arbeitenden Menschen wie John Neumeier Bühnenbilder machen zu können, war etwas Besonderes. Kein Zufall ist erlaubt.

Wie waren die Treffen mit Jil Sander?

Wenn Jil angerufen und gesagt hat: »Du musst sofort kommen, Peter, wir müssen etwas besprechen«, musste ich pünktlich da sein. Einmal sagte ich zu ihr: »Jil, um Zwei muss ich leider nach Bremen fahren.« – »Was machst du schon wieder in Bremen?« – »Ich fahre zu Hachez und werde Pralinen entwerfen.« Und sie sagte: »Da komme ich mit.« Dann sind wir mit meinem schnellen Auto nach Bremen und ich habe sie nicht angemeldet. Wir sind hochgefahren zu Hasso Nauck, dem Chef, die Tür ging auf und da stand Jil Sander. Der hat sich eine Stunde lang nicht erholt. Dann hat sie Pralinen entworfen und das war einfach unglaublich: »Ihr macht das alles falsch«, sagte sie, «ihr müsst die neu schneiden und neu legen – und dann passen auch die Farben nicht.« Es sind die schönsten Pralinen aller Zeiten geworden.

Sie haben aber auch Baumkuchen designt, für Juchheim?

Ja, Baumkuchen für Japan. Die Japaner sind ja verrückt nach Baumkuchen, bei Hochzeiten ist er das Wichtigste. Es gibt gar keine Hochzeit ohne Baumkuchen. Und dann wurde ich gefragt, ob wir nicht auch deutsche Kuchen mit verkaufen könnten. Also habe ich eine Schwarzwälder Kirschtorte entworfen, die sicher furchtbar geschmeckt hat.

Gab es die nur für den japanischen Markt?

Ja, es gab sogar eine Schokolade, die in Japan Peter Schmidt hieß – eine der kleinen Verpackungen habe ich noch.

Haben Sie ein Lieblingsprojekt, das Sie immer noch großartig finden?

Sie werden staunen, meine Lieblingsprojekte waren Bücher. Es ist großartig, wenn man ein Buch gestalten kann; man hat alle Möglichkeiten, weil man der ist, der bestimmt und nicht alle mitreden. Die Geheimnisse eines Buches, die gehören uns.


Zuerst erschienen im Katalog des German Design Award 2019. Beitragsbild © Dominik Odenkirchen, 2017. Quelle: Rat für Formgebung.

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