Plastik findet sich überall, im Müll der Gegenwart ebenso wie in den Archiven der Kunstmuseen. Plastik ist billig und leicht verfügbar. Plastik kann hart oder flexibel, dick oder foliendünn, transparent oder opak, glatt oder rau, gemustert oder bunt auftreten. Die Euphorie der Popkultur – ohne Plastik unvorstellbar. Die futuristischen Visionen des Space Age – ohne Kunststoffe schwer denkbar. Und waren es nicht Künstlerinnen und Künstler des Nouveau Réalisme, die mit ihren Objekt-Assemblagen und Trash-Arbeiten schon früh konsum- und ökokritische Positionen bezogen haben? Der Siegeszug von Kunststoffen hat nicht nur Design und Alltagskultur radikal verändert, auch die bildende Kunst konnte den Verlockungen des Materials kaum widerstehen. Nun, da angesichts Ressourcenverbrauch und Müllbergen das Ende des Kunststoffzeitalters begonnen zu haben scheint, widmet die Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main vom 22. Juni bis zum 1. Oktober der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst unter dem Titel „Plastic World“ erstmals eine große Themenausstellung. Präsentiert werden soll „ein breites Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung des Materials von den 1960er-Jahren bis heute“.
Die in einer Architektur von raumlaborberlin in sieben Themenbereiche gegliederte Ausstellung umfasst Architekturutopien ebenso wie Experimente mit Materialeigenschaften. Objekte, Assemblagen, Installationen, Filme und Dokumentationen zeigen auf, wie unterschiedlich und vielfältig Stoffe, Formen und Materialien eingesetzt wurden und welche gesellschaftlichen Perspektiven sich darin spiegeln. Schließlich wurde im „Plastic Age“ auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen mit jeweils aktuell verfügbaren Stoffen wie Plexiglas, Styropor, Silikon, Vinyl oder Polyurethan und industriellen Fertigungstechniken experimentiert.
„Plastic World“ versammelt rund 100 Werke von mehr als 50 internationalen Künstler*innen, die auf unterschiedlichste Weise mit Kunststoff gearbeitet haben oder arbeiten, darunter Monira Al Qadiri, Archigram, Arman, Lynda Benglis, César, Christo, Constant, Öyvind Fahlström, Haus-Rucker-Co, Eva Hesse, Hans Hollein, Craig Kauffman, Kiki Kogelnik, Gino Marotta, Claes Oldenburg, Otto Piene, James Rosenquist, Pascale Marthine Tayou und Pınar Yoldaş. Dabei mache die Ausstellung deutlich, „wie sich der erfolgreiche vielseitige Werkstoff Plastik in seiner kurzen Geschichte vom Inbegriff für Fortschritt, Modernität, utopischen Geist und Demokratisierung des Konsums zu einer Bedrohung für die Umwelt wandelte“. Dr. Martina Weinhart, die Kuratorin der Ausstellung, erklärt den Ansatz: „Plastik ist das emblematische Material unserer Gegenwart und hat in kürzester Zeit Kunst und Gesellschaft radikal verändert. Was sich inzwischen als enorme Belastung für die Umwelt herausgestellt hat, bedeutete für die Kunst, wie für Architektur und Design, eine ebensolche Bereicherung. Der Blick auf die überaus reiche Materialgeschichte von Plastik eröffnet eine Erzählung voller Ambivalenzen: von zukunftsorientierter Innovationskraft und verführerisch anmutigen Objekten; von den schädlichen Auswirkungen, aber auch zur Frage nach neuen Wegen im Umgang mit diesem Material, das gekommen ist, um zu bleiben.“
Zur Ausstellung erscheint im Hatje Cantz Verlag ein Katalog mit Beiträgen von Heather Davis, Anna Huber, Dietmar Rübel, Pamela Voigt, Friederike Waentig und Martina Weinhart. Er kostet in der Schirn 39, im Buchhandel 48 Euro. Am Mittwoch, dem 21. Juni 2023, lädt die Schirn ab 19 Uhr bei freiem Eintritt zur Eröffnung der Ausstellung und zum großen Sommerfest ein.
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