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Traditionsreiche Marken können aus ihrer langen Geschichte viel Mehrwert schöpfen. Dabei dürfen sie aber nicht den Blick nach vorne verlieren. Vom Führen einer Premiummarke am Beispiel der Bethmann Bank.

Von Alexandra Vitt-Krauß, Leiterin Marketing und Kommunikation, Bethmann Bank.

Für die meisten der etablierten Premiummarken spielt die eigene Tradition eine wichtige Rolle. Dies ist nachvollziehbar, bietet die eigene Geschichte doch oft zahlreiche Anknüpfungspunkte, die man gerne mit einem Premiumanspruch verbindet. Ebenso kann diese Tradition jedoch zum Hemmnis werden, wenn sie zur Brauchtumspflege erstarrt und damit museal verstanden wird. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, sie gewinnt aber seit einigen Jahren immer mehr an Gewicht. Mit der Digitalisierung nahezu aller Bereiche des Lebens geht eine schneller werdende Weiterentwicklung einher. Die Geschwindigkeit dieser Veränderung, die mitunter auch als Umbruch daherkommen kann, muss eine zeitgemäße und zukunftsorientierte Marke aushalten können. Die Bereitschaft zur Veränderung ist daher ein essenzieller Bestandteil der Markenpflege. Selbst ikonische Markensymbole wie etwa das Mercedes-Logo wurden im Laufe der Jahrzehnte aufgefrischt und angepasst – ohne dabei ihre Unverwechselbarkeit aufzugeben. Neben der Designsprache lebt die Zukunftsfähigkeit einer Premiummarke jedoch vor allem auch vom eigenen Selbstverständnis: Einerseits eine Haltung und Markenwerte, die auf der eigenen Tradition fußen und, andererseits, eine konsequente Ausrichtung nach vorn.

Privatbanken – eine eigene (Marken-)Welt

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Die Zukunftsfähigkeit einer Premiummarke fußt in Tradition und konsequenter Ausrichtung nach vorn.

Unternehmen wir dazu einen kleinen Ausflug in die Welt der Privatbanken: Nahezu alle alten Privatbanken entstanden aus Handelsunternehmen, die zunächst ihre Einlagen bündelten und für Finanzierungen einsetzten. Die meisten der anfänglich kleinen Institute wurden von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt, den Privatbankiers. Sie trugen den Namen der Gründer oder der Gründerfamilien – Oppenheim, Rothschild oder unser Beispiel Bethmann sind einige der bekannteren Namen. Erst 1870 erschienen mit dem Schaaffhausen‘schen Bankverein und der Deutschen Bank die ersten Aktieninstitute auf der Bildfläche. Banken als juristische Personen – was heute normal ist, das war Ende des 19. Jahrhunderts ein Paradigmenwechsel.

Aber zurück den kleinen, Familien geführten Banken: Nur die wenigstens von ihnen sind heute noch im Familienbesitz. In ganz Deutschland sind es noch rund 20 Häuser – darunter das Bankhaus Metzler, die Berenberg Bank oder Warburg. Darüber hinaus gibt es jedoch noch eine Reihe von Finanzinstituten in der Tradition der inhaber/innengeführten Häuser, die heute noch als Privatbank-Marken erfolgreich im Markt agieren. Allen ist gemeinsam, dass sie auf eine ähnliche Entstehungsgeschichte zurückblicken.

Der Beginn der Markenführung und das Beispiel Bethmann Bank

Beginnen wir mit dem, was diese Banken anfangs nicht hatten, nämlich dem eigenen Verständnis, eine Marke zu sein. Stattdessen waren sie weitestgehend damit zufrieden, als Familienbetriebe zu funktionieren. Gleiches galt übrigens auch für die Family Offices, die es damals ebenfalls schon gab – also kleiner Gesellschaften zur Verwaltung des Vermögens einer oder mehrerer Familien. Gerade ab der Mitte des 19. Jahrhunderts häuften sich jedoch die Übernahmen und Aufkäufe dieser Familienbetriebe, womit der Name der Häuser und die Nutzungsrechte daran bedeutsamer wurden. Ohne diese Rechte konnte keine Bank den Besitzer wechseln oder die bisherige Eigentümerfamilie sich aus der Aktivität zurückziehen. Man kann diese Phase, zumindest in der deutschen Bankenlandschaft, vielleicht sogar als die Geburtsepoche eines Markenbewusstseins in der Finanzindustrie festhalten. 

Schnell wurde klar, dass eine Marke synonym für die Art und Weise stehen kann, wie das Geschäft ausgeübt wird. Die Marke wurde so zu einem immer wichtigeren Element der Bindung an ein spezifisches Haus – nicht nur gegenüber Kundinnen und Kunden, sondern auch gegenüber bestehenden oder potenziellen Mitarbeitenden. Für beide wurde die Marke daher als etwas entdeckt, das Schutz bietet und Identifikation schafft. Daran hat sich im Grundsatz bis heute nichts geändert.

Zurück zur Bethmann Bank: Wie es bei vielen anderen Privatbanken schon vorher der Fall war, trennte sich 1976 die Familie Bethmann von ihrer Bank. Johann Philipp von Bethmann veräußerte zunächst 50% der Anteile an die Bayerische Vereinsbank. Die zweite Hälfte folgte 1983. Das Bankhaus Bethmann wurde zu einer Tochtergesellschaft der Bayerischen Vereinsbank für die Vermögensverwaltung im Privatkundengeschäft.

Eine Traditionsmarke trifft auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts

In den 70er und 80er Jahren gingen Veränderungen meist vergleichsweise gemächlich vonstatten. Innerhalb dieser ohnehin noch eher langsam drehenden Welt waren Privatbanken eine nochmals ganz eigene Bastion der Beständigkeit, in deren getäfelten Büros Bank- bzw. Schalterbeamtinnen und -beamte ihren Dienst versahen. Der Einzug des Internets sollte diese Welt fundamental verändern. Der echte „Game Changer“ begann mit der Digitalisierung seinen Lauf zu nehmen: Transparenz, größere Vergleichbarkeit und zunehmende Regulierung wurden immer relevantere Faktoren.

Was das mit der Marke zu tun hat? Jede Menge! Je transparenter und regulierter ein Markt ist, umso vergleichbarer wird das Angebot und umso schwieriger wird die Unterscheidung zum Wettbewerb rein über faktische Leistungsmerkmale. Die Marke und ihre Pflege werden damit gerade für eine Bank wichtiger. Hinzu kommt, dass es kein anfassbares und für die eigene Identifikation nutzbares Produkt gibt, wie etwa in der Automobilbranche.

Die „Delivery“, also der reine Produkt- bzw. Leistungsteil, wird, von wenigen Spezialangeboten für komplexe Vermögen abgesehen, zunehmend zum Hygienefaktor. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Ansprache von Kunden und Mitarbeitern ist vielmehr, wie die Bank auf sie als Marke wirkt und wie sie sich für sie anfühlt.

Noch entscheidender als für Unternehmen aus anderen Industrien ist es für eine Bank daher, wie gut sie in der Lage ist, ihre Marke glaubwürdig mit Werten zu verbinden. In besonderem Maß gilt dies für eine Privatbank.

Die Marke lebt von innen nach außen

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Die Premiummarke ist gerade keine Fassade, hinter die sich das Unternehmen bei Bedarf zurückzieht

Damit ist schon angeklungen, dass es bei weitem nicht nur um den visuellen Markenauftritt gehen kann. Die Premiummarke ist gerade keine Fassade, hinter die sich das Unternehmen bei Bedarf zurückzieht. Die Bethmann Bank hat daher einen sehr methodischen Ansatz gewählt und vor die Beschreibung der Positionierung unserer Marke die Definition des Markenkerns gestellt. Eine lebendige, erfolgreiche und zukunftsorientierte Marke baut sich von innen nach außen auf. Dafür muss ihr Markenkern Antworten auf die an die Marke gestellten Anforderungen geben. Selbstverständlich gehören dazu auch Fortschritt und Weiterentwicklung. Die Marke mit dem in ihr verankerten Selbstverständnis muss auf Automatisierung, Regulatorik, Digitalisierung, Wachstum, Innovationen und moderne Kund/innenanforderungen nicht nur reaktiv agieren, sondern glaubhaft transportieren, im Dienste von Kund/innen und Mitarbeitenden zukünftige Entwicklungen zu antizipieren und bereits vorzubereiten. Wie oben angedeutet, haben sich seit Mitte der 90er Jahre die Anforderungen stark geändert und die Änderungszyklen werden immer kürzer. Dies verunsichert auch die Kund/innen und sie suchen einen Partner, der für sie mit- und vorausdenkt.

Umso wichtiger ist es, die eigene Marke stabil zu definieren und sie bewusst zu positionieren – auch gesellschaftspolitisch. Menschen wollen Geschichten kaufen, sie wollen Teil einer Gemeinschaft sein und emotional abgeholt werden. Mehr denn je fragen sie daher danach, wie die Mission eines Unternehmens lautet. Wurden Werte, Mission bzw. Vision noch um die Jahrtausendwende in Vorstandsetagen gern als „Gedöns“ abgetan, sind sie heute überall als ein zentrales Element der Markenwahrnehmung anerkannt. Die Entwicklung ist sogar bereits einen Schritt weiter gegangen und mit ihr ist „Purpose“, also sinngemäß die Existenzberechtigung in den Mittelpunkt des Markenverständnisses gerückt.   

Für welche Inhalte steht die Marke?

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Markeninhaltein müssen in enger Abstimmung mit der Geschäftsstrategie erarbeitet und etabliert werden.

Purpose, Mission, Markenkern – es soll nicht so klingen, als wäre die Bethmann Bank bereits perfekt. Sie versteht die Markenpflege als einen Weg und alle Beteiligten wissen auch sehr genau, auf welchen Etappen noch Wegstrecke vor ihnen liegt. Was bedeutet es beispielsweise für die Marke, wenn die Bank nicht nur organisch wächst, sondern anorganisch? In der Bethmann Bank stecken neben den alten Privatbankmarken Bethmann, Dellbrück und Maffei auch Gene aus dem früheren Privatkundengeschäft der Schweizer Credit Suisse und der liechtensteinischen LGT – beides selbst starke Marken mit einer hohen Identifikation.

Das kann zu einem regelrechten Markenstress führen – die gemeinsame Marke Bethmann muss sich also auch weiterhin im Inneren sortieren und ihre eigene Bethmann-Identität festigen. Tut sie dies nicht, entsteht ein interner Marken- bzw. Identitäts-Wirrwarr. Deswegen wird diesem Thema hohe Aufmerksamkeit gewidmet.

Dabei helfen definierte und nachvollziehbare Markeninhalte. Auch diese werden nicht einfach erfunden oder ergeben sich auf einmal von selbst, sondern werden Schritt für Schritt in enger Abstimmung mit der Geschäftsstrategie erarbeitet und etabliert.

Beispielsweise war das Thema Nachhaltigkeit in der Marke bis vor kurzem nicht hinreichend wahrnehmbar verankert – auch in der Kommunikation wurde es nur sehr zurückhaltend eingesetzt. Dabei spielt Nachhaltigkeit bereits seit zehn Jahren eine wichtige Rolle im zentralen Angebot der Bethmann Bank, der Vermögensverwaltung. Und sie wurde in den letzten Jahren immer wichtiger. Dies ist ein entscheidender Punkt, denn zwischen Unternehmens-Realität und Marke darf es nie über einen längeren Zeitraum eine größere Diskrepanz geben.

Die Marken-Strategie der Bethmann Bank wurde daher überarbeitet und der Nachhaltigkeit mehr Sichtbarkeit verliehen. Mit dem Deskriptor „Echt.Nachhaltig.Privat.“ wurde ihr ein prominenter Platz im Markenauftritt eingeräumt. Seit 2020 wird dieser Aspekt der Marke auch intern und extern viel deutlicher kommuniziert und der Markt hat angefangen, diese Schwerpunktsetzung wahrzunehmen.

Der Blick nach vorne

Am Beispiel des Themas Nachhaltigkeit lässt sich sehr schön sehen, was von einer Premiummarke erwartet wird und wie sie darauf reagiert. Sie darf nicht jeder Mode hinterherlaufen, denn das würde sie entwerten. Sie muss jedoch wichtige Trends und fundamentale Veränderungen rechtzeitig aufnehmen und sich dazu positionieren – stets in enger Abstimmung mit der eigenen Geschäftsstrategie. Vor diesem Hintergrund ist die Anpassungsfähigkeit einer Marke ihr Erfolgsrezept und sie kann Kund/innen, Mitarbeitenden und auch der Geschäftsleitung Orientierung geben. So gelebt, hat eine Traditionsmarke aus dem vorletzten Jahrhundert auch 2022 „Purpose“: sie hat nicht nur ihre Existenzberechtigung, sondern sie hat Relevanz für die Gegenwart – und für die Zukunft.   

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Eine Premiummarke hat nicht nur ihre Existenzberechtigung, sondern sie hat Relevanz für die Gegenwart – und für die Zukunft.

Alle Bilder: © Bethmann Bank AG


Der German Design Award 2022 im Museum Angewandte Kunst, Frankfurt
 

Vom 11. bis 27. Februar 2022 werden die Gewinnerinnen und Gewinner der unterschiedlichen Kategorien in den Themenfeldern »Excellent Communications Design«, »Excellent Product Design« und »Excellent Architecure« sowie die Newcomer-Finalist/innen und die »Personality of the Year-Auszeichnung« im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt gezeigt.

Die Ausstellung präsentiert anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des German Design Award einen Querschnitt der aktuellen Designtrends und wirft in Kurzfilmen einen Blick auf die Entwicklung von Design.

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