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Nach ihrem Abschluss stellt sich Nachwuchsdesignern die Frage, wie und welchen Zugang sie zum Markt bekommen – doch wo anfangen? Wie werde ich für Unternehmen sichtbar? Und wie kann ich mein Profil und meine Kompetenzen präsentieren? Die Rundgänge an deutschen Hochschulen präsentieren zwar ihre Abschlussprojekte, aber oft fehlt ein dauerhafter Überblick für ein (inter-)nationales Publikum, der die Qualität und Haltung zeigt, die deutsche Designhochschulen heutzutage bieten.
Dies möchte German Design Graduates ändern und Hochschulabsolventen eine Plattform bieten, die den Einstieg ins Berufsleben einfacher macht.

Wir sprachen mit einem der Initiatoren, Prof. Mark Braun von der HBKsaar, über die deutsche Designnachwuchslandschaft und German Design Graduates.

Herr Braun, die neue Plattform German Design Graduates bietet dem deutschen Designnachwuchs eine tolle Möglichkeit, sich der Wirtschaft zu präsentieren. Ist das eine Antwort auf Ihre eigene Erfahrung als früherer Design Newcomer?

Es ist eine neue eigenständige Position und auch Ergänzung zu der bestehenden Initiative des Rat für Formgebung, denn auch das Newcomer Format vom Rat für Formgebung greift. Spannend ist dabei, dass es eine Initiative ist, die aus den Hochschulen selbst entstanden ist und die auf die Wirtschaft zugeht.

Neben meiner Tätigkeit in der freien Wirtschaft mit meinem Studio bin ich in meiner Rolle als Professor an der HBKsaar sehr daran interessiert, dass sich die Hochschulen vernetzen und ihr Potenzial an Absolventen und Absolventinnen mit unterschiedlichsten Schwerpunkten sichtbar machen. Angeregt von Ineke Hans von der UdK Berlin habe ich diese Idee zusammen mit Hermann Weizenegger von der Fachhochschule Potsdam als Initiator engagiert mit vorangetrieben.

Wie sehen Sie die Designnachwuchslandschaft in Deutschland? An was mangelt es? Und was funktioniert gut?

Die Nachwuchslandschaft ist divers und immer auch von den Schwerpunkten der jeweiligen Lehrenden und Hochschulen geprägt. Es gibt keinen Status Quo, der am Ende vergleichend vorhanden ist. Aber eben das wollen wir sichtbar machen, denn die Wirtschaft und auch die Forschung kann von dieser Diversität mit ihren vielfältigen Aspekten des Designs profitieren. Es mangelt jedoch an Plattformen zur Vermittlung der Absolventen und Absolventinnen – daher eben jetzt die Initiative der German Design Graduates, die nachhaltig mit ihrem Archiv auch als Netzwerk dient, wo Wirtschaft und Forschung nach passenden Arbeitskräften suchen können.

„Es gibt keinen Status Quo, der am Ende vergleichend vorhanden ist. Aber eben das wollen wir sichtbar machen, denn die Wirtschaft und auch die Forschung kann von dieser Diversität mit ihren vielfältigen Aspekten des Designs profitieren.“

Was hat Ihnen denn nach dem Studium geholfen, Fuß zu fassen?

Ich habe schon während meines Studiums an der FH Potsdam, der Design Academy Eindhoven und der Burg Giebichenstein Halle unterschiedlichste Mentoren gehabt, die mich darin bestärkt haben, meine Entwürfe am Markt zu testen und auf Nachwuchsplattformen zu zeigen. Der Rat für Formgebung war dabei ein wichtiger Akteur mit Formaten wie Designer Meets The Industry, Design Deutschland, German Design Award Newcomer. Aber auch Nachwuchsplattformen der Messen wie der Salone Satellite des Salone Del Mobile in Mailand, der design contest der imm cologne oder die Stockholm Furniture Fair mit ihrem Greenhouse und last but not least die Ambiente mit den Talents waren wichtige Meilensteine.

Aber das Wichtigste ist die eigene Motivation und beständige Neugierde, diesen Weg gehen zu wollen und auch Professionalisierungsprogramme direkt von den Hochschulen mitzunehmen, wenn es sie gibt: wie das Designhaus Halle, EXIST-Programme und andere mehr. Ohne Eigenmotivation kommt man da nicht weit… allein schon, weil es gilt, gute Portfolios und eine gute Webpräsenz zu haben.

Gab es auch Dinge, die Sie heute anders machen würden – verpasste Chancen,  aus denen Sie etwas gelernt haben, womit Sie bzw. die German Design Graduates den Nachwuchs unterstützen möchten?

Ich habe vor meiner Selbstständigkeit nur wenige Monate als Junior-Designer angestellt gearbeitet – doch gerade dort hatte ich wertvolle Einblicke in professionelle Strukturen und Abläufe. So habe ich eher hemdsärmelig dann aus meinen Fehlern gelernt und sicher einen gewissen Preis in Form von freiwilliger Selbstausbeutung bezahlt, die den Markt und die Preise für Designleistung nicht besser gemacht haben. Die German Design Graduates werden mit ihren Greencards besonders an diesem Punkt ansetzen. Unternehmen wie magazin, Stattmann Neue Möbel aber auch Siemens und die BASF designfabrik, um nur einige der GDG-Botschafter zu nennen, werden mit Coachings, bezahlten Volontariaten und Junior-Designer-Stellen dem Nachwuchs Formate zur Professionalisierung bieten, die den Einstieg in den Beruf erleichtern.

Aktuell nehmen 12 Hochschulen an Ihrem Projekt teil. Können alle Hochschulen mitmachen oder kuratieren Sie die Auswahl der teilnehmenden Hochschulen?

Wir haben Hochschulen explizit angefragt, mit denen wir einen Querschnitt der besten Hochschulen in Deutschland repräsentiert sehen wollten. Aber es schließt nicht aus, dass es im kommenden Jahr mehr werden – wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme für 2020.

Die vorhandenen Arbeiten zeigen einen Fokus auf Produktdesign. Ist die Plattform auch für Projekte aus anderen Disziplinen – UX Design, Kommunikationsdesign, Architektur etc. – angedacht?

Es wäre verlockend, aber auch viel schwerer abbildbar in seiner Diversität. Wir wollten zunächst einen qualitativen und konzentrierten Start der Plattform kreieren, was mit unserem kleinen Team an Initiatoren und der Koordination von Katrin Krupka und Team zu bewerkstelligen ist. Eine Erweiterung auf UX, KD, etc ist bei wohl überlegtem Wachstum der Struktur, der Akteure und der Organisation denkbar.

Gibt es vielleicht auch die Vision, das Ganze irgendwann international auszuweiten? Es gibt in England und den Niederlanden ja bereits ähnliche Initiativen, mit denen man sich vernetzen könnte. Gibt es da bereits Gespräche?

Der Startimpuls zu den German Design Graduates kam von Ineke Hans, die eben solche Formate aus Holland kennt und schätzt. Eine Internationalisierung ist wie in der Frage vorab jedoch vor allem eine Struktur- und Organisationsfrage. Sicherlich ist das Archiv hier eine mögliche Schnittstelle für den Anfang, um eine internationale Netzwerkarbeit möglich zu machen. Wir werden sehen. Andererseits ist es gut, sich zu konzentrieren, bevor man expandiert.

Save the date: Am 10. Oktober wird die erste Ausstellung der German Design Graduates in Berlin eröffnet

Was verbirgt sich hinter den Greencards als Förderformat?

Hinter den Greencards verbergen sich individuell abgestimmte Förderinitiativen unterschiedlichster Art von den Botschaftern und Botschafterinnen aus Kultur, Presse, Wirtschaft und Präsentation. Das reicht wie oben erwähnt vom bezahlten Volontariat, über Coachings bis hin zu Plätzen auf der Shortlist für die Ambiente Talents. Ziel ist es, das diverse Spektrum an Absolventinnen und Absolventen auch divers abzuholen und zu unterstützen. 

Welchen Vorteil bietet die Plattform für Unternehmen?

Unternehmen können sich auf dieser Plattform einen Überblick verschaffen, welche Absolventin bzw. welcher Absolvent engagiert auf den Arbeitsmarkt drängt und ob die Potenziale zu ihnen passen.

Von welchen Vorteilen profitieren die Absolventen?

Die Absolventinnen und Absolventen profitieren vor allem von der Sichtbarkeit, die sie durch die GDG bekommen. So können Unternehmen, Förderinitiativen von Messen und Kulturinstitutionen auf sie im Besonderen aufmerksam werden. Zudem profitieren sie von der Veranstaltung selbst. Inhaltlich durch das anberaumte Programm und netzwerkseitig durch die Möglichkeit, bleibende Kontakte zu knüpfen. Und sie profitieren von der nachhaltigen Sichtbarkeit im Archiv der GDG.

Haben Sie schon Pläne, wie Sie die Kommunikation in die Wirtschaft hinein umsetzen werden? Als Non-Profit-Initiative haben Sie sicher begrenztes Budget für die Kommunikation.

Zunächst durch die GDG-Show selbst und nachhaltig durch die Präsenz über das GDG-Archiv im Netz. Die engagierten und teils erfreulicherweise aktiv auf uns zukommenden Partner aus Wirtschaft, Kultur, Presse und Präsentation tragen teilweise aktiv durch ihr Funding zur Machbarkeit der GDG bei und wir werden versuchen, auch seitens der Hochschulen weiter ein finanzielles Forschungsformat zu erhalten, das uns eine gewisse Unabhängigkeit bietet, auch die Metathemen hinter den Abschlussarbeiten sichtbar zu machen und sinnvoll für kommende Aktivitäten auszuwerten.

Sie stellen im Oktober im Kunstgewerbemuseum Berlin 42 ausgewählte Arbeiten von Absolventen aus. Welche Kriterien sind für die Auswahl besonders wichtig?

Die Kriterien leiten sich einerseits aus den im Design bodenständigen Bewertungsleitlinien ab, die da sind: Innovationsgrad, Funktion, Ästhetik und Symbolik. Darüber hinaus geht es immer auch um den Grad an aktueller Relevanz zu den gesellschaftlichen Fragestellungen von Nachhaltigkeit bis zu künstlicher Intelligenz etc. Das Ganze wurde entschieden von der unabhängigen Jury bestehend aus Nicolette Naumann (Präsentation), Nils Holger Moormann (Wirtschaft), Stephan Ott (Presse) und Claudia Banz (Kultur).


German Design Graduates

German Design Graduates arbeitet auf unterschiedlichen Ebenen daran, die Arbeit der Gestalter sichtbar zu machen. Auf der Website https://germandesigngraduates.com werden derzeit Abschlussarbeiten von 137 Absolventen von zwölf Hochschulen präsentiert.
Eine Jury aus Designexperten hat daraus 42 Projekte ausgewählt, die im Oktober in einer Ausstellung im Kunstgewerbemuseum Berlin präsentiert werden.
Zudem hat German Design Graduates Botschafter aus 4 Designfeldern (Kultur, Praxis, Präsentation und Presse) für sich gewinnen können, die für die Nachwuchsgestalter Green Cards und Preise in Form von Ausstellungen und Arbeitsengagements vergeben werden.

Mark Braun (Studio Mark Braun | Hochschule der Bildenden Künste Saar)

Mark Braun studierte Industriedesign an der Fachhochschule Potsdam, der Design Academy Eindhoven und an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle. Nach Abschluss seines Studiums gründete er 2006 sein eigenes Designstudio in Berlin und seine Arbeiten für namhafte internationale Unternehmen wurden bereits mehrfach mit dem German Design Award ausgezeichnet. Darüber hinaus profiliert sich Mark Braun in der Lehre, so war er von 2007 bis 2010 als künstlerischer Mitarbeiter im Fachbereich Industriedesign/Strategische Produkt- und Konzeptentwicklung an der HDK Burg Giebichenstein tätig und 2015 übernahm er eine Gastprofessur an der ECAL, École cantonale d’art de Lausanne. Seit 2015 ist er Professor für Produktdesign/ Industriedesign an der HBKsaar.

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