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Sie überraschte in Amsterdam jüngst mit einem monumentalen Brunnen, der die Kraft von Wasser und Naturstein inszeniert. Die niederländische Designerin und Künstlerin ist bekannt für ihr Spiel mit nachhaltigen Materialien, mit Licht und zarten Pastellfarben. Sabine Marcelis im Portrait.

Von Kathrin Spohr

Die niederländische Designerin Sabine Marcelis | Foto: Iris Duvek

Mitten im Amsterdamer Vondelpark sorgt derzeit eine himmelblaue Brunnen-Installation für Aufsehen: Es sind drei riesige, übereinander gestapelte, rechteckige Steinblöcke, die jeweils eine andere Ausrichtung haben. Sie bilden eine monumentale Skulptur, die aus jedem Blickwinkel mit einem anderen Gesamtbild überrascht. Wasser fließt von mehreren Punkten innerhalb der Struktur mit faszinierenden Bewegungen und Geräuschen nach unten.

Wasser kann Räume verändern

„Vondel Fountain, Stacked“ ist eines der jüngsten Projekte der Designerin und Künstlerin Sabine Marcelis. Es entstand zusammen mit SolidNature, einem weltweit führenden Anbieter von Naturstein, und wurde während der Amsterdam Fashion Week Anfang September enthüllt. Die verwendeten Steine sind recycliert. Sie stammen aus einer Ausstellung zur Milan Design Week 2023 und sollen als Kunstwerk die zeitlose und dauerhafte Qualität von Naturstein hervorheben. „Wasser ist ein wiederkehrendes Element in meiner Arbeit, das sowohl als Medium als auch als Inspirationsquelle dient”, erzählt Sabine Marcelis. „Ich habe Brunnen für renommierte Institutionen und Marken, etwa für den Mies van der Rohe Pavillon in Barcelona und das Luxusmodehaus Fendi, entworfen. Diese Erfahrungen haben mein Verständnis dafür vertieft, wie Wasser Räume verändern kann – durch seine Bewegung, seinen Klang und die Atmosphäre, die es schafft.“


Atmosphäre, das Stichwort. Auf besondere Weise gelingt es Marcelis immer wieder, außergewöhnliche Atmosphären mit ihren Projekten zu erzeugen – durch das gekonnte Zusammenspiel von Farbe, Licht und Material. Was sicherlich auch mit ihren Wurzeln zu tun hat: Sabine Marcelis ist aufgewachsen in Neuseeland. Die atemberaubende Natur des Inselstaates, Erscheinungen von Wolkenbild und Sonnenlicht, spielen eine zentrale Rolle in ihren Entwürfen. Ihre Eindrücke spiegeln sich oft in transparenten Materialien, Lichtreflektionen und vielfältigen Farbnuancen wider, mit außerordentlichem Geschick für atmosphärische Gestaltung.

„Vondel Fountain, Stacked“ aus recyceltem Naturstein von Sabine Marcelis, 2024
Fotos: Ewout Huibers

Natur als Inspiration

„Ich habe sehr viel Zeit in der Natur verbracht, vor allem in den Bergen über den Wolken“, erklärt sie. „Ich arbeite so gerne mit der Natur: Sonne, Wasser, Wind.“ Das wird in ihren Arbeiten für den Außenraum, wie dem „Vondel Fountain, Stacked“ deutlich. Und ebenso in ihren Interior-Projekten. In Wellington begann Sabine Marcelis Industriedesign zu studieren. Eine Ausstellung des holländischen Kollektivs DROOG dort inspirierte sie zum Umzug in die Niederlande. Sie war entschlossen, die Philosophie dieser ungewöhnlichen Kreativschmiede zu erforschen und wechselte an die renommierte Design Academy Eindhoven, wo sie 2011 ihren Abschluss machte. Eine Entscheidung, die ihre künstlerische Entwicklung nachhaltig prägte. Denn in den Niederlanden entwickelte sich Marcelis zu einer der gefragtesten Designerinnen der Gegenwart.

Neue Wohnperspektiven

Marcelis‘ vielseitiges Portfolio reicht von Inneneinrichtungen, Möbeln, Beleuchtung – beispielsweise auch für Ikea – über Installationen bis hin zu Designkooperationen mit Automarken wie Renault oder Audi. Für die Fußball Europameisterschaft 2024 hatte sie eine Reihe von farbigen Sockeln entworfen, auf denen die Bälle vor den Spielen kredenzt wurden. Im neuen VitraHaus Loft in Weil am Rhein hat Marcelis kürzlich ein beispielhaftes, kühnes Ambiente kreiert, das neue Perspektiven für das Wohnen aufzeigt: Ihr Loft ist ein großer offener Raum, der nicht durch Wände, sondern einzig durch Farben in unterschiedliche Funktionszonen unterteilt ist. So hat Marcelis eine intelligent organisierte, charaktervolle Inszenierung generiert, die darstellt, welchen starken Effekt das Zusammenspiel von Farbe und Design in zeitgemäßem Interior haben kann. Eine ungewöhnliche Palette aus eigens zusammengestellten, mutigen Farben wie Kaugummi, Butter, Honigtau und Karamell gibt den Ton an.

Neuinterpretation durch Farbe und Licht

Es ist diese intensive Auseinandersetzung mit Farbe, Material, Licht, Transparenz und Reflexion, die ihren Arbeiten eine unverwechselbare Handschrift verleiht. Und ihre Objekte und Räume auf subtile Art lebendig macht. Sabine Marcelis: „Die Möglichkeiten, Licht in ein Projekt einzubeziehen, sind groß: Ob es künstliches oder natürliches Licht ist – in einem Raum spielen beide eine sehr unterschiedliche und einzigartige Rolle, um interessante Effekte zu erzielen.“ Dies zeigt sich deutlich im Rotterdamer HNI (Het Nieuwe Instituut), dem Zentrum für Architektur, Design und Digitalkultur, wo sie gerade einen ursprünglich dunklen Forschungsraum in einen hellen und einladenden Begegnungs- und Aufenthaltsort verwandelt hat. 

Anstatt sich ausrangierter, schwarzer USM Möbel zu entledigen, hat Marcelis die Module, die dort seit 1993 im Einsatz waren, wiederverwendet und mit Paneelen aus farbigem Glas versehen. Es ist eine Neuinterpretation der Möbel in warmen Rot-Orange-Nuancen, die wieder eine spannende Interaktion aus Farben und Transparenzen im gesamten Raum entstehen lässt. Marcelis‘ Kolorits und Kombinationen mögen mal intensiv, auffällig, ungewöhnlich sein – aufgesetzt und überladen wirkten sie jedoch nie. Denn Farbe und Licht werden zum integralen Bestandteil ihres Designs, das durch Klarheit, durch Reduktion auf das Wesentliche determiniert ist. Dekorative Elemente lehnt Marcelis ab. Sie setzt auf Authentizität, Leidenschaft und Vernunft.

Objekte aktivieren

Und so steht im Studio Marcelis aktuell die Erforschung neuer, nachhaltiger Werkstoffe auf dem Plan. „Als Künstlerin bin ich sehr an den Potentialen von Materialien interessiert: Wie sie etwa verarbeitet werden können, um sinnvolle Formen und Erfahrungen zu schaffen“, sagt die Designerin. „Wir arbeiten ständig daran, intelligentere Materialien zu entwickeln. Vor allem bei den Projekten aus Glas.“ Da geht es zum Beispiel um Solarzellen, die Marcelis in Glasschichten integriert.

Erstmals angewendet hat sie ihre Entwicklungen 2023 in einem Pilotprojekt für Audi: Eine völlig netzunabhängige Sonnenuhr, die sich tagsüber auflädt und nachts von selbst beleuchtet. Sie wurde in Ägypten vor den Pyramiden installiert. Sabine Marcelis: „Ich kann es kaum erwarten, diese Idee auf weitere Außeninstallationen anzuwenden. Eine unsichtbare Technologie, die ästhetische Objekte aktiv macht, indem sie selbst die Kraft der Sonnenenergie nutzen.“

Sonnenuhr mit integrierten Solarzellen von Sabine Marcelis für Audi, 2023 | Foto: Rachel Ecclestone

Grenzen immer wieder ausloten

Es ist spannend zu sehen, wie weitreichend das Arbeitsspektrum von Sabine Marcelis ist. Da stellt sich die Frage: Gibt es ein bestimmtes Kriterium, nach dem all die Aufträge ausgewählt werden? „Ich arbeite an Projekten, die eine interessante Herausforderung für mich darstellen. Ich mag es, Grenzen immer wieder auszuloten. Das hält auch mein Studio auf Trab und überrascht die Menschen. Ich würde es schrecklich finden, in Muster zu verfallen.“ So ist es kein Wunder, dass sich die in Rotterdam lebende Gestalterin auch für die nächste Design-Generation engagiert: Als Jurorin etwa bei renommierten Wettbewerben, wie dem Award one&twenty des German Design Council. Oder in Mailand, wo sie in diesem Jahr den Designspace Alulua inszenierte, der Arbeiten junger Talente präsentierte. Sie war Mentorin des La Prairie Bauhaus Collective und unterrichtete an der renommierten Schweizer Hochschule ECAL in Lausanne.

Ihre Erfahrungen als Jurorin und Mentorin sensibilisieren sie immer wieder dafür, sagt Marcelis, wie wichtig es ist, neue Perspektiven zu fördern und jungen Designer*innen Raum zu geben: „Was mich sehr freut: Es gibt beim Nachwuchs eine Menge kreatives Denken rund um den Einsatz von Materialien und den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Das ist bei weitem der wichtigste Teil des Designs der Zukunft. Und wir alle – Designer und Designmarken – müssen dem Priorität einräumen.“ Hier schließt sich direkt der Kreis, zu Marcelis‘ zirkulärem „Vondel Fountain, Stacked“ .

Im Rotterdamer HNI hat Sabine Marcelis einen dunklen Forschungsraum in einen einladenden Aufenthaltsort verwandelt hat. Die schwarzen USM Möbel hat sie mit Glas neu in Szene gesetzt.  | Foto: Tim Pop

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