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Die niederländische Designerin Marjan van Aubel setzt sich für den Übergang zu einer Welt ein, die von Solarenergie betrieben wird. In ihrem Studio in Amsterdam laufen der Computer und die Kaffeemaschine zwar noch mit Strom eines Ökostromanbieters aus erneuerbaren und konventionellen Energiequellen. Ihre Vision ist aber, dass die konventionellen in zehn Jahren weitgehend durch erneuerbare Energien ersetzt sein werden – vor allem durch Solarenergie. Ihre Raum- und Stimmungsleuchte Sunne zeigt bereits, wie das aussehen kann.

Interview von Karianne Fogelberg.

Marjan, Sie haben gemeinsam mit Pauline van Dongen das ‚Solar Movement‘ initiiert mit der weltweit ersten Solar Biennale und einem eigenen Manifest. Eine Forderung des Manifests lautet: „Lasst uns die Technologie bunt, weich, kuschelig, biegsam, unsichtbar, modular und voll spielerischer Muster machen.“ Inwieweit ist dies eine Kritik an der Solartechnik, wie wir sie bisher kannten?

Heutzutage assoziiert man Solarenergie immer noch in erster Linie mit den unansehnlichen blauen Vierecken, die von Hausdächern ragen oder in gigantischen Solarparks stehen. Sie dienen zwar der Energiegewinnung, aber noch besser wäre es, die Solarenergie in unseren Alltag zu integrieren. Jeder möchte in einer schönen Umgebung leben, im öffentlichen Raum wie auch zu Hause, doch das Angebot an gut gestalteten, mit Solarenergie betriebenen Objekten ist gering. Solarenergie wird immer noch vorwiegend mit ihren technischen Aspekten in Verbindung gebracht. Dabei sind wir überall von Oberflächen umgeben, warum sollten wir sie nicht für unsere Zwecke nutzen und Dinge entwerfen, die schön sind? Wenn Solarenergie gut integriert ist, wenn sie „weich, kuschelig, modular und spielerisch“ ist, werden mehr Menschen sie nutzen und zu einem Teil ihres täglichen Lebens machen.

Die Designerin Marjan van Aubel will Solar-Technologie zum Teil des Alltagslebens machen. Foto: Tengbeh Kamara

Welchen Beitrag kann das Design aus Ihrer Sicht hier leisten?

Sie haben Pauline erwähnt, ihre Arbeit ist ein gutes Beispiel. Das Solartextil Suntex, das sie mit ihrem Studio entwickelt hat, hat großes Potenzial. Organische Dünnschicht-Solarzellen werden in Textilien eingewebt, wodurch ein sehr leichtes und flexibles Material entsteht, das sich in vielen verschiedenen Bereichen einsetzen lässt. Es kann als Beschattungsstruktur an Fassaden angebracht oder auch im Interieur verwendet werden. Es gibt auch vielversprechende Experimente und Forschungsprojekte zu Solarfarbe, die sich genauso verwenden lässt wie herkömmliche Farbe, aber gleichzeitig Strom erzeugt.

In letzter Zeit sind viele neuartige Solargeräte auf den Markt gekommen, darunter billige Gadgets wie solarbetriebene Gartenlampen oder tragbare Ventilatoren. Sind diese Produkte für Ihr Vorhaben dienlich oder hinderlich?

Jedes Solarprodukt ist hilfreich, wenn es gut konzipiert und hergestellt ist, zuverlässig funktioniert und Interesse an der Solarenergie weckt. Die weite Verbreitung und Nutzung solarbetriebener Produkte kann zu einem Kulturwandel beitragen, der Solarenergie zu einem vertrauten und akzeptierten Bestandteil unseres Lebens macht. Je mehr Menschen Solartechnik in ihr Zuhause und in ihre Tagesabläufe integrieren, desto selbstverständlicher wird es, auf erneuerbare Energiequellen zu setzen. Die Vielfalt von Solarprodukten ist auch entscheidend, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Indem sie unterschiedliche Geschmäcker, Vorlieben und Preiskategorien berücksichtigen, werden Solarprodukte für ein weiteres Spektrum an Leuten zugänglich und attraktiv. Dadurch wird gewährleistet, dass Solarenergie nicht auf einige wenige beschränkt ist, sondern von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlichen Bedürfnissen genutzt werden kann. Zu guter Letzt kann die Verfügbarkeit zahlreicher Solarprodukte neben den Vorteilen für die Verbraucher_innen auch Innovationen in der Design- und Fertigungsindustrie begünstigen. Wenn Solarprodukte erfolgreich sind und die Nachfrage groß ist, kann das nicht nur Designer und Designerinnen sondern ebenso Unternehmen und ganze Branchen inspirieren, Solarenergie in ihre eigenen Projekte und Produkte zu integrieren.

Mit ihrem solarbetriebenen Stimmungslicht „Sunne“ erregte Marjan van Aubel viel Aufmerksamkeit. Foto: Pim Top

Sie bezeichnen sich selbst als Solardesignerin. Damit führen Sie eine neue Bezeichnung ein. Wann wird Solardesign zu einem geläufigen Begriff wie Automobildesign oder Möbeldesign, und was braucht es dazu?

Solarprodukte sind auf dem Vormarsch. Je mehr Leute mit Solarenergie entwerfen, desto besser. Ich bin mir nicht sicher, ob sich ‚Solardesign‘ zu einem Begriff wie Möbel- oder Automobildesign entwickeln wird, weil es doch sehr spezifisch ist. Stattdessen denke ich, dass Solarenergie so gut integriert werden kann und sollte, dass es zum Bestandteil der verschiedenen Designkategorien wie Automobil- und Möbeldesign werden wird. Sollte Solardesign eines Tages zu einem allgemein bekannten Begriff werden, wäre das umso besser.

Die Sonne scheint zum Nulltarif. Doch während Sonnenenergie kostenlos und im Überfluss vorhanden ist, entstehen Kosten für die Herstellung, Installation und Wartung und schließlich für die Wiederverwendung oder Entsorgung von Solarzellen. Wie sieht es damit aus?

Es stimmt, dass die ersten Photovoltaiksysteme recht teuer waren, als sie eingeführt wurden. Dank Entwicklungen in der Produktion und verbesserter Technologie sind Solarzellen jedoch viel erschwinglicher geworden. Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte waren enorm. Heute sind Solarzellen weithin verfügbar und werden überall eingesetzt. Es gibt auch viele Bemühungen, geeignete Lösungen für die Wiederverwendung und Entsorgung von Solarzellen am Ende ihrer Lebensdauer zu finden. Hier ist vor allem die Art der Herstellung gefragt. Wenn Solarzellen in ihre Grundbestandteile zerlegt werden können, lassen sie sich wiederverwenden. Dadurch werden sie nicht nur nachhaltiger, auch die Kosten lassen sich senken. Es gibt noch viel zu tun, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Und wie sieht es mit dem Energie- und Materialbedarf für die Herstellung von Solarzellen aus?

Die Herstellung von Solarzellen erfordert immer noch viel Energie und spezielle Materialien. Dafür gute Lösungen zu finden ist sehr wichtig. Durch Entwicklungen bei den Herstellungsverfahren, effizienteren Solarzellendesigns und der Verwendung erneuerbarer Energiequellen in der Produktion amortisieren sie sich immer schneller. Das bedeutet, dass Solarzellen ihren anfänglichen Energieverbrauch relativ schnell ausgleichen und dann viele Jahre lang saubere Energie produzieren können. Auch bei der Effizienz des Produktionsprozesses selbst und bei jüngsten Entwicklungen wie den Dünnschicht-Solarzellen, die weniger Material benötigen als herkömmliche Zellen auf Siliziumbasis, wurden Fortschritte gemacht.


„Solarprodukte sind auf dem Vormarsch. Je mehr Leute mit Solarenergie entwerfen, desto besser.“

Marjan van Aubel


Ein weiteres Projekt der Designerin: Die Studie „Power Plant“ für ein Kleingewächshaus aus transparenten Solarzellen. Foto: Studio Marjan van Aubel

Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist nicht frei von Zielkonflikten. Die Installation von Solarpanelen wird beispielsweise in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Biodiversität kontrovers diskutiert. Inwiefern kann Ihre Arbeit hier Antworten geben?

Genau darum geht es ja! Wir müssen das Narrativ der Solarenergie verändern und sie zu einem Teil unserer gebauten Umwelt machen. Wenn wir die erneuerbaren Energien stärker in unsere Infrastruktur, unsere Häuser und öffentlichen Räume integrieren, müssen sie nicht mehr die Lebensräume von Pflanzen und Tieren beeinträchtigen. Es gibt so viele Flächen in unserer unmittelbaren Umgebung, die wir nicht nutzen, wo die Solarenergie sogar zusätzlichen Nutzen bringen kann. Dazu gibt es bereits eine Vielzahl von Forschungsprojekten und Studien. Auf Parkplätzen zum Beispiel können die Dächer Schatten spenden und gleichzeitig als Energieerzeuger fungieren. Wenn wir Solarenergie schöner und flexibler gestalten, haben wir viel mehr Möglichkeiten, ohne die Tier- und Pflanzenwelt zu stören.

Ihr erstes im Handel erhältliches Produkt ist Sunne, eine autonome, frei hängende Leuchte, die atmosphärisches Raumlicht erzeugt. Sie hängt im Fenster, wo sie tagsüber Sonnenenergie aufnimmt. Abends gibt sie das gespeicherte Licht in den Innenraum ab. Sind solarbetriebene Geräte dazu bestimmt, uns im Sinne der Biophilie wieder in Einklang mit der Natur und ihren Rhythmen zu bringen?

Sie müssen nicht zwangsläufig biophil sein. Solardesign kann auch im Objekt verschwinden, wenn es gut integriert wird, je nach Entwurf und Einsatzbereich. Ich persönlich finde jedoch die Idee, dass die Solarenergie uns der Natur näherbringt, wunderschön. Als unser erstes Produkt sollte Sunne auf diese Weise poetisch sein. Zumal eine Leuchte der symbolträchtigste Gegenstand ist, wenn es darum geht, Sonnenlicht in eine Energiequelle für den Innenraum umzuwandeln. Wir wollten die Sonne wortwörtlich in die Häuser der Menschen bringen und bieten deshalb drei Einstellungen an, die dem natürlichen Lauf der Sonne ähneln – Sunne Rise, Sunne Light und Sunne Set. Wir hoffen, dass Sunne dazu anregt, darüber nachzudenken, wie schön es sein kann, Solarenergie zu Hause zu nutzen, und das Interesse an der Technik dahinter weckt.

Die autarke Solarleuchte „Sunne“ wird am Fenster befestigt, sammelt tagsüber Sonnenenergie und gibt nachts ein stimmungsvolles Licht ab. Foto: Studio Marjan van Aubel

Informationen zu Marjan van Aubel: https://marjanvanaubel.com/


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