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Richtig oder falsch herum? Spiegel oder Selfie? Was steckt dahinter, wenn Unternehmen gespiegelte Logos und Markennamen benutzen?

Von Thomas Wagner.

In den Medien tobt unablässig ein Kampf um Sichtbarkeit. Die Währung, in der abgerechnet wird, heißt Aufmerksamkeit. Alle möchten mit ihren Angeboten ins große Fenster zur Welt, sprich: auf den Monitor. Unter den Bedingungen einer Ökonomie, die auf Bilder setzt, die massenhaft auf Instagram gepostet oder in sozialen Netzwerken geteilt werden, sind ständig neue Ideen gefragt. Auffallen, überraschen, sich von der Konkurrenz unterscheiden, bedeutet für Marken fast alles – nicht nur, aber besonders im Bereich der Mode.

Markennamen in Spiegelschrift

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Hoodie. © Vetements Group AG
Hoodie. Foto: © Vetements Group AG

So war in der letzten Zeit häufiger zu beobachten, dass auf Shirts und Pullovern verstärkt Markennamen oder Logos in Spiegelschrift auftauchten. Ob aufgedruckt, gestickt oder gestrickt, trägt man ein solches Kleidungsstück, dann erscheinen Logo oder Markenname für Menschen, die einem begegnen, verkehrt herum – was für einen gewissen Überraschungseffekt sorgt. Schaut, wer so ein Shirt trägt, aber in den Spiegel, so sieht sie oder er die Schrift richtig herum. Bei Comme des Garçons erschien der gespiegelte Schriftzug senkrecht und etwas fragmentiert, bei einem Hoodie von Vetements bescheiden Weiß auf Schwarz unterhalb des Kragens, bei Hugo auf schwarzem Pulli in schwarzer Schrift auf weißem Feld, und bei 032c Berlin war die Schriftmarke sogar Masche für Masche in den Pullover eingestrickt. Das Label Telfar nannte das entsprechende Teil gleich „Mirror T-Shirt“.

Gewohntes auf Links drehen

Einerseits gehört das Phänomen „gespiegelte Logos“ in die lange Liste, Logo und Label selbst zum dominierenden Gestaltungselement zu machen – es der Ware wie einen Stempel oder ein Brandzeichen aufzudrücken. Andererseits geht es schlicht darum, ein an sich wenig aufregendes T-Shirt oder einen schlichten Pullover cool aussehen zu lassen. Indem die eingeschliffene Gewohnheit gleichsam auf Links gedreht, das Logo augenzwinkernd und leicht respektlos behandelt, das ganze Labeling mithin ironisiert wird, wird ein rebellischer Umgang mit den eigenen Markenzeichen und -werten suggeriert.

Ein Kommentar zur Selbstbespiegelung per Selfie?

Gucci Logo © GUCCI®
Gucci Logo © GUCCI®

In der Süddeutschen Zeitung hat Jan Kedves noch zwei andere Lesarten ins Spiel gebracht. Einerseits könne das Ganze „als Kommentar auf die permanente Selbstbespiegelung interpretiert werden, wie sie heute auf Instagram und anderen Social-Media-Kanälen“ stattfinde. Alle machten mit ihrem Smartphone ständig Fotos von sich, wofür sie natürlich, was sonst, ihre neuesten Klamotten anzögen. Den guten alten Spiegel brauche es dafür nicht mehr, seine Aufgabe erfülle das Smartphone. Verfahren werde nach dem Motto: „Spieglein, Spieglein in der Hand, wer hat das schickste Selfie im ganzen Land?“ Allerdings funktioniert das Smartphone als elektronischer Spiegel anders. Das Smartphone korrigiert üblicherweise die Spiegelung und rechnet das aufgenommene Selfie beim Abspeichern „richtig herum“. Im Ergebnis heißt das: Man sieht sich beim Selfie im Normalfall nie spiegelverkehrt, womit auch die gespiegelte Marke im Bild so erscheint, wie sie auf dem Kleidungsstück: gespiegelt.

Chanel, Fendi und Gucci sind in Sachen gespiegelte Logos fein raus

Das Fendi Logo erinnert an gespiegelte Logos © Fendi
Fendi Logo © Fendi

Hält, wie Kedves spekuliert, die Mode hier also „dem Like-Hunger in den sozialen Medien augenzwinkernd den Spiegel vor“? Oder überzeugt die zweite Lesart, nach der die aktuelle Logo-Spielerei sich „als Verneigung vor den alten Luxusmarken lesen lässt“. Haben Marken wie Chanel (zwei ineinander verschlungene Cs), Fendi (zwei punktgespiegelte Fs) oder die beiden gespiegelten und ineinandergeschobenen Buchstaben G von Gucci in weiser Voraussicht bereits alle medialen Spiegeltricks vorausgeahnt? Fein heraus wären nach dieser Logik jene Logos, die auf wenige Buchstaben begrenz sind. Dagegen spricht, dass Wortmarken wie „Hugo“ auch gespiegelt gut wiedererkannt werden, durch die Spiegelung aber irritieren und damit interessant wirken.

Witzeleien über das digitale Leben

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Wie sehr es von der Resonanz in der Community abhängt, ob solche optischen Witze funktionieren oder eher schal wirken, zeigt sich daran, dass Kedves in dem „Selfie“-Strickpullover des Berliner Labels 032c die „vorläufige Krönung des Trends“ erkennt, da man sich bei dem Szene-Label „für ein Witzchen über das digitale Leben auch gerne mal ziemlich viel analoge Arbeit“ mache. Als ob die Designer die Pullover selbst von Hand stricken würden. Es mag sein, dass die Branche solche Paradoxien liebt; das ändert freilich wenig daran, dass der Effekt so schnell altbacken wirkt wie die Kollektion vom letzten Jahr. Dass sich die Überraschung auch erzielen lässt, wenn man einen Pullover mit eingestricktem Schriftzug auf links dreht, weiß jede strickende Großmutter. Sie macht allerdings seltener Selfies – und muss deshalb auch nicht dauernd alles liken und sharen.

Gespiegelte Logos auf Wolle: 032c Selfie Pullover © 032c
Selfie Pullover von 032c. Foto: © 032c

Gespiegelte Logos als Selbstausstülpung ins Netz?

Am Ende wird die Frage gestellt: „Was ist oversharing also anderes als die permanente Selbstausstülpung ins Netz? Von innen auf außen gestülpte Pullis: Könnten sie, nach den gespiegelten Logos, vielleicht schon der nächste Trend sein?“ Oder das nächste Revival, Reenactment, Redesign? Schon 1974 hat die Modedesignerin Sonia Rykiel die Nähte ihrer Kreationen sichtbar nach außen gedreht.


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