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„Roots and Wings“ heißt ein opulenter Band über den Automobildesigner Peter Schreyer, der, nachdem er TT und A2 für Audi, New Beetle und Golf IV für VW entworfen hatte, die koreanischen Marken Kia und Hyundai durch Design international zum Erfolg geführt hat.

Eine Rezension von Thomas Wagner

Peter Schreyer ist Autodesigner aus Leidenschaft. Mehr als 25 Jahre lang hat er in verschiedenen Funktionen für Audi und den Volkswagen Konzern gearbeitet. Mit einem Sinn fürs Unübliche und einer Vorliebe für symmetrische Front- und Rückseiten hat er den New Beetle und den ersten Audi TT entworfen. Sein Golf IV ist, ausgewogenen in Proportion und Detail, längst ein Klassiker, gerade so, wie man sich einen überzeugenden Kompakten vorstellt, an dem es nichts auszusetzen gibt. Sein Audi A2 war nicht nur aufgrund des Aluminiums, aus dem er gefertigt wurde, seiner Zeit so weit voraus, dass er am Markt chancenlos blieb. 2006 wagte Schreyer dann den Sprung nach Korea, zum Autobauer Kia. „Für mich“, sagte er damals, indem er seinen Weg nach Osten in ein ungewöhnlich poetisches Bild kleidete, „gleicht die Aufgabe bei Kia einer Einladung, über weißen Schnee zu fahren und Spuren zu hinterlassen“.

Peter Schreyer
Peter Schreyer, Foto: Matthias Ziegler ℅ Soothing Shade, Roots and Wings, gestalten 2021

Wie tief und wie gut sichtbar die Spuren geworden sind, die Schreyer nicht nur als Chefdesigner – erst für Kia, später für die gesamte Hyundai Kia Automotive Group – mit vielen Rädern in den Schnee gezeichnet hat, lässt sich in dem opulenten Band „Roots and Wings. Peter Schreyer: Designer, Artist, and Visionary“ studieren, den ihm der Hyundai-Konzern gleichsam als ersten Schritt Richtung Ruhestand gewidmet hat. Die operative Führung hat inzwischen der Belgier Luc Donckerwolke übernommen; als Präsident und Konzernvorstand hat sich der 69-Jährige Schreyer im Frühjahr zurückgezogen, bleibt dem Autogiganten aber weiterhin eng als leitender Design-Berater und Markenbotschafter verbunden. Der Titel „Roots and Wings“ spielt übrigens darauf an, dass Schreyer es fertiggebracht hat, aus der Verwurzelung in einer Tradition heraus beflügelt in die Zukunft zu starten, sprich, die deutsche Designtradition in vorteilhafter Weise mit der koreanischen Kultur zu verbinden und maßgeblich zum internationalen Erfolg beider koreanischer Marken beizutragen. Nicht nur hat er das Design zu einem zentralen Element der Unternehmensentwicklung gemacht; er hat dessen Einfluss auf strategische Entscheidungen vergrößert und das Image der Marken grundlegend verändert. Galten die Modelle vor ihm als bieder und altbacken, so wirken sie heute elegant, eigenständig und zeitgemäß. Bis hin zur neu hinzugekommenen Marke Genesis.

Das Buch beschreibt auf 336 reich und prägnant bebilderten Seiten, wie Schreyer sich von Kindesbeinen für das Gestalten begeistert hat und zeichnet seine Entwicklung facettenreich nach – vom Studium am Royal College of Art, ersten Erfahrungen bei Audi und dann im kalifornischen Designstudio von Volkswagen bis zum Leiter des Exterieur-Designs bei VW, der Rückkehr zu Audi und dem Sprung nach Korea. Auch seine Liebe zur Kunst kommt nicht zu kurz. Man erfährt, Dadaismus und Bauhaus, Künstler wie Dalì, De Chirico und Twombly, Musiker wie Miles Davis und Frank Zappa, Designer wie die Eames, Jasper Morrison und Thomas Heartherwick hätten ihn inspiriert.

Und so lässt sich an der Karriere von Peter Schreyer ermessen, wie sehr sich der Beruf des Automobildesigners in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat, nicht zuletzt unter dem enormen internationalen Konkurrenzdruck. Was einst unter der Bezeichnung „Karosserieschneider“ in kleinen Betrieben als Haute Couture edler Einzelstücke oder mit dem beginnenden Massenmarkt mit Prêt-a-Porter-Entwürfen begann, ist heute zu einer herausfordernden Tätigkeit in weltweit operierenden Konzernen geworden. Entsprechend komplex ist die Aufgabe. Längst geht es nicht mehr allein um die gelungene Verbindung neuester Technik mit Ästhetik, äußerer und innerer Gestalt, sondern um die Positionierung im Markt und das internationale Profil der Marke. Ganz zu schweigen von der Verantwortung, die, allein aufgrund der hohen Investitionen, mit Erfolg oder Misserfolg der Einführung neuer Modelle verbunden sind.

Peter Schreyer
Schreyer hat die deutsche Designtradition in vorteilhafter Weise mit der koreanischen Kultur verbunden und maßgeblich zum internationalen Erfolg der koreanischen Marken beigetragen, Foto: Studio Amos Fricke, Roots and Wings, © gestalten 2021

Besonders hier hat Peter Schreyer für Kia und Hyundai Außergewöhnliches geleistet. An vielen Stellen des opulenten Bandes, der in die drei Teile „The Explorer“, „Bavaria-Korea“ und „The Designer“ gegliedert ist, lässt sich seine Fähigkeit erkennen, noch dem kleinsten Detail eines Entwurfs oder Concept Cars volle Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen, darüber aber nie den Blick für das Ganze zu verlieren, dafür, wie sich ein Entwurf in die Modellpalette und die Designsprache der Marke nicht nur einfügt, sondern diese weiterentwickelt. Bestes Beispiel dafür ist der elegant gezeichnete Kia Stinger, ein Premium-Coupé, das auf Kunden von Audi und BMW zielt.

Peter Schreyer Roots and Wings

Roots and Wings

Peter Schreyer: Designer, Artist, and Visionary

336 S., geb., Text englisch,

Gestalten Verlag

ISBN: 978-3-96704-033-3

50,00 Euro


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