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Mit oder ohne Matterhorn? Bergig oder flach? Wieviel „Swissness“ braucht Schokolade – und speziell die Toblerone? Wer mit Nationalsymbolen werben will, muss klar definierte Kriterien erfüllen, da verstehen die Eidgenossen keinen Spaß.

Von Thomas Wagner

Die Schweiz ist ein strenges Land. Wenn es um das originär Schweizerische von Produkten und Dienstleistungen geht, verstehen die Eidgenossen keinen Spaß. Nationalsymbole wie das Matterhorn, der Freiheitskämpfer Wilhelm Tell oder das Schweizerkreuz sind auf Verpackungen von Produkten nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Das bekommt jetzt die Schokoladenmarke Toblerone zu spüren.

Toblerone
Originär Schweizerisch: Das Matterhorn, das die Schokoladen-Verpackung seit 1970 ziert, © Morgan Thompson, Unsplash

Tobler plus Torrone = Toblerone

Erfunden wurde die Toblerone 1908 von den Chocolatiers Theodor Tobler und Emil Baumann und bereits in der typischen Dreiecksform auf den Markt gebracht (die Form ist seit 1909 rechtlich geschützt). Der Name setzt sich aus „Tobler“ und „Torrone“, dem italienischen Wort für Honig-Mandel-Nougat, zusammen. Das Matterhorn tauchte 1970 zum ersten Mal auf dem Seitendreieck der Verpackung auf; im Jahr 2000 wanderte es dann auf die Längsseite. Zudem versteckt sich in ihm ein Bär als Hinweis auf die Stadt Bern.

Matterhorn, der Berner Bär – alles originär Schweizerisch. Auch das dreieckige Format der Schokorippen lässt unweigerlich an Alpengipfel denken – und ist für die Toblerone ein ebenso unersetzliches Unterscheidungsmerkmal wie das quadratische Format der Tafeln für Ritter Sport. Toblerone ist erkennbar eine Schweizer Schokoladenmarke, die freilich seit 1990 vom US-amerikanischen Hersteller Mondelez International (früher Kraft Foods) produziert und in 122 Staaten verkauft wird. Bislang stand die weltweit einzige Tobleronefabrik in Bern. Da die Kapazitäten dort begrenzt und eine Ausweitung der Produktion geplant ist, soll ein Teil der aufgereihten Schoko-Berge von Juli an im slowakischen Bratislava hergestellt werden.

Toblerone
Das dreieckige Format der Schokorippen lässt unweigerlich an Alpengipfel denken – ein unersetzliches Unterscheidungsmerkmal, © Unsplash

Künftig ohne Matterhorn

Die werbende Verbindung zwischen Toblerone und der Silhouette des 4478 Meter hohen, im Kanton Wallis gelegenen Matterhorns besteht seit vielen Jahrzehnten. Was aber ist das schon im Vergleich zum Eid der Ewigkeit, den die Schweizer Berge in ihrer Erhabenheit so eindrucksvoll verkörpern?  Da nun aber nicht mehr ausschließlich in der Schweiz produziert wird, fällt die vom Gesetz geforderte „Swissness“ weg – und damit auch das Matterhorn. Weshalb, wie vielfach berichtet wird, Mondelez International das Design des Berges auf der Kartonverpackung ändert, sprich, das Matterhorn durch eine nicht identifizierbare Bergsilhouette ersetzt. „Die Neugestaltung der Verpackung führt ein modernisiertes und gestrafftes Berg-Logo ein, das mit der geometrischen und dreieckigen Ästhetik übereinstimmt“, sagte ein Mondelez-Sprecher der F.A.Z. Zudem stehe auf den Toblerone-Verpackungen fortan klein „established in Switzerland“ und nicht mehr „of Switzerland“.

Für Swissness gelten klare Regeln
Das „Swissness“-Gesetz untersagt Unternehmen, für die Vermarktung ihrer Produkte die Bezeichnung „Schweiz“ sowie das Schweizerkreuz oder andere Nationalsymbole zu nutzen, wenn sie nicht bestimmte Kriterien erfüllen. Diese sind klar definiert: Bei Lebensmitteln müssen mindestens 80 % der Rohstoffe aus der Schweiz stammen, um ein Schweizer Nationalsymbol tragen oder das Siegel „Made in Switzerland“ verwenden zu dürfen. Im Falle von Milch und Milchprodukten müssen es sogar 100 % sein. Zudem muss der Großteil der zur Herstellung notwendigen Arbeitsschritte in der Schweiz erfolgen.

Grund für den Abschied vom Matterhorn und die geänderte Herkunftsbezeichnung ist das seit 2017 in der Schweiz geltende Swissness“-Gesetz. Der Toblerone-Hersteller Mondelez unterliegt – über die Swissness-Regelungen hinaus – einer Branchenvereinbarung des Schokoladenherstellerverbands Chocosuisse, nach der nur diejenigen Produkte das Siegel „Made in Switzerland“ tragen dürfen, die zu 100 % und über alle Arbeitsschritte hinweg in der Schweiz produziert worden sind. Auf diese Weise wollen sich die Schweizer Markenhersteller vor Nachahmern schützen, die, so Chocosuisse „auf ausländischen Produkten irreführende Hinweise auf eine angeblich schweizerische Herkunft anbringen“.

Droht eine Verwässerung der Swissness?

Soweit, so Schweizerisch. „Mit dummen Fragen fängt jede Revolution an“ hat Joseph Beuys einmal gesagt. Also fragen wir drauflos: Führt, da auch künftig jederfrau und jedermann bei Toblerone unweigerlich an die Schweiz denkt, der (naheliegende) Trick von Mondelez, statt des Matterhorns nun einen erfundenen, nicht identifizierbaren „Piz Mondelez“ zu drucken, nicht zur Verwässerung der „Swissness“? Zumal die Frage erlaubt sein muss, ob Toblerone-Kund*innen in Nord- und Südamerika, Asien oder den Wüsten Arabiens das (grafisch abstrahierte) Matterhorn bisher schon von der Zugspitze, dem Säntis oder dem Mont Blanc zu unterscheiden wussten – die Verbindung zum Schweizerischen also allein schon durch den Bezug zu Berg und Alpen hergestellt wird? Würde sich, um niemanden kränken zu wollen, langfristig also eine Marketingstrategie empfehlen, die ähnlich funktionierte wie bei den Euro-Geldscheinen, bei denen sämtliche Motive fiktiv sind, also nur so tun, als hätten sie einen Orts- oder Heimatbezug? Oder wäre es, würden Marke und Marketing global gedacht, umgekehrt gerade reizvoll, bei den in Bratislava hergestellten Schoko-Bergketten neben dem Markennamen einen Berg aus der Slowakei zu zeigen, etwa die Lomnitzer Spitze (2633 Meter hoch) in der Hohen Tatra?

Identitätspolitik im globalen Werbemarkt

Das exklusive Schweizertum von Produkten ist im globalen Kampf der Waren um Marktanteile ein ebenso sinnvolles wie bewährtes Qualitätszeichen und wichtiges Verkaufsargument für zahlreiche Unternehmen. Dass die „Marke Schweiz“ im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf genießt, verschafft ihren Nutzern einen entscheidenden Mehrwert – und muss deshalb geschützt werden. Dass der Gebrauch weithin erkennbarer Herkunftszeichen bei Lebensmitteln nur an Rohstoffe und den Produktionsstandort gebunden ist, nicht aber daran, wer eine Firma besitzt, sagt über die Eidgenossenschaft zumindest soviel aus, dass ihr im Falle der „Swissness“ Herkunft vor Eigentum geht. Der Schweizer Nationalstolz findet seinen Ausdruck auch als Marke. Und so wünscht man sich auch in der EU präzise formulierte Kriterien, was zurecht mit Labeln wie „Made in Germany“ oder „Made in EU“ (plus entsprechende Zeichen) versehen werden darf. Ein Etikett beim Import in die EU ins Kleid zu nähen, sollte da sowenig genügen wie hierzulande produzierter Feta nach griechischer Art. Plagiaten sollte überall ein Riegel vorgeschoben werden. Wo die Herkunft eines Produkts eine zentrale Rolle spielt, wird mit Etikettierungstricks nur Schaden angerichtet. Am Ende belegt die Sache mit der „Swissness“ nicht nur, wie wichtig Marken und ihr Schutz in einer globalisierten Wirtschaft heute sind, sondern auch, wie im globalen Werbemarkt erfolgreich nationale Identitätspolitik betrieben wird.


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