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Sie trugen dazu bei, konventionelle Möbel zu überwinden und wurden zu einem Symbol für ein entspanntes, weniger bürgerliches Leben: Die Sofaelemente Togo von Ligne Roset feiern ihren 50. Geburtstag.

Von Thomas Wagner.

Es war eine Revolution, wenn auch kleine. Stattgefunden hat sie Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre. Ausgelöst wurde der Impuls in Studentenbuden und Wohngemeinschaften, umgestürzt wurden vor allem Sofa und Bett. Schluss gemacht wurde damit, brav und spießig und sinnenfeindlich aufrecht auf harter Bank oder fest gepolstertem Kanapee Konversation zu machen. Fortan fläzten, lümmelten und rekelten sich die langhaarigen Kinder von Marx und Coca-Cola zu lauter Pop-Musik knapp über dem Boden auf einer Flokati-Wiese. Geld für traditionelle Möbel war eh nicht vorhanden, also wurden die alten, dreiteiligen Matratzen der Großmutter zur antibürgerlichen Sitzlandschaft umfunktioniert, auf der man sich kollektiv als Teil einer neuen Bohème fühlen konnte.

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Eine Einladung zum fläzen, lümmeln und rekeln knapp über dem Boden auf einer Flokati-Wiese – Togo war in den 1970ern eine Revolution der Wohnlandschaft, © Ligne Roset

Von Konventionen befreit

Das Möbeldesign warf zeitgleich die schwarzbraune Gemütlichkeit auf den Müll und setzte auf Beweglichkeit. Man entwarf leichte Plastikstühle und aufblasbare Sessel, farbenfrohe und wandelbare Sofas- und Sitzlandschaften. Wohnzeitschriften propagierten allseits ein von Konventionen befreites Wohnen. Während die „Flintstones“ auf den Bildschirmen den Komfort der Steinzeit vorführten, machten Verner Pantons „Visiona“ und sein „Living Tower“ den Rückzug in die bunte Wohnhöhle (lange vor einer Generation Z) zum Symbol einer entspannten Work-Life-Balance. In „Fantasy Landscapes“ wohnte jede Menge Liebesenergie, die Fantasie strebte zur Macht, Utopien eines anderen Lebens schienen zum Greifen nah.

Togo
Offenbar verändert der Mensch in Zeiten des Umbruchs gern seine Lage im Raum. Togo lädt zum Lümmeln ein, © Ligne Roset

Togo feiert Geburtstag

„Eine Zahnpastatube, wie ein Ofenrohr gefaltet und an beiden Enden verschlossen“ – so hat der Designer Michel Ducaroy sein Togo-Sofa beschrieben. Auf den Markt gekommen ist Togo 1973. Als eine Design-Ikone der Siebziger erlebt es zu seinem 50. Geburtstag gerade ein Revival. Offenbar verändert der Mensch in Zeiten des Umbruchs gern seine Lage im Raum. Schon im vergangenen Jahr haben namhafte Modemarken das Lümmel-Sofa in ihre Lookbooks eingebaut: Coach ließ Hari Nef in New York City auf ihm balancieren, und bei Zara fläzte sich das Model Grace Hartzel in einem Camouflage-Kleid auf einem lederbezogenen Togo.

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Eine lässige Silhouette und Entspannen einladende faltige Gemütlichkeit – nach seiner Vorstellung 1973 beim Salon des Arts Ménagers in Paris wurde Togo rasch zum Bestseller, © Ligne Roset

Neue Sitten, neue Materialien

Der Wandel der Sitten war das eine. Das andere waren neue Materialien (Schaumstoffe, Watte, thermisch formbare Kunststoffe) und entsprechende Fertigungstechniken. Sie hatten Jean Roset und Michel Ducaroy schon in den 1960er-Jahren dazu gebracht, bodennahe Sitzelemente zu entwickeln. Es entstanden mehr oder weniger gelungene Modelle wie Koufra, Kali (bekannt geworden durch den Comic „Die Frustierten“ von Claire Brétécher), Safi oder Marsala. Berühmt geworden aber ist der Designer Michel Ducaroy durch das „Sitzkissen“ Togo, das 1973 beim Salon des Arts Ménagers in Paris vorgestellt wurde.

Obgleich viele zunähst die Nase rümpften – die lässige Silhouette und die zum Entspannen einladende faltige Gemütlichkeit, die das Modell bis heute ausstrahlt, hat eben nicht nur Hippies und Aussteiger überzeugt. Da sein Design nicht zu radikal war, wurde Togo kein Nischenprodukt, sondern ein Bestseller der Marke. Angeblich wurden bis heute in 72 Ländern 1.500.000 Exemplare verkauft. So mündete die Geschichte der Revolution der Sitzgewohnheiten in eine neue Bürgerlichkeit.

Togo
Sonderedition zum 50. Geburtstag: Der Bezug „La Toile du Peintre“, © Ligne Roset

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