Dina Gallo gehört zu den Managerinnen, die in leitender Funktion die Formgebung von Investitionsgütern bestimmen. Wir haben mit der Trumpf-Designmanagerin über Gestaltungstrends, Markenführung und die Herausforderungen ihres Jobs gesprochen.
Interview von Gerrit Terstiege.
Frau Gallo, welche Situation haben Sie eigentlich vorgefunden, als Sie 2012 bei Trumpf anfingen? Gab es schon einen einheitlichen Auftritt im Maschinendesign?
Nein, den gab es damals noch nicht. Die verschiedenen Bereiche haben ihre Designs selbst organisiert und gesteuert und da gab es noch keine Linie, die sich durch alle Technologien zog.
Mussten Sie für diese Vereinheitlichung kämpfen oder gab es für diesen Ansatz offene Türen im Unternehmen?
Gestaltung hat bei Trumpf immer schon eine große Rolle gespielt, Einheitlichkeit im Produktdesign war aber ein neues Thema. Ich habe anfangs durchaus erklärt, warum ich denke, dass es sinnvoll ist und was es uns bringt, über alle Technologien hinweg eine Gestaltungsidee zu haben. Aber dass Trumpf mit einer durchgängigen Gestaltung einen starken Auftritt erzielt, war der Geschäftsleitung selbstverständlich klar und es war auch genau so gewollt. Das war in der Branche aber vor gut zehn Jahren noch nicht so verbreitet.
Inwiefern hat Ihr Professor an der Stuttgarter Akademie, Richard Sapper, Ihre Haltung als Designerin beeinflusst?
Sehr. Er hat immer nach guten, neuen Lösungen gesucht, die ein Produkt besser machen. Aus dieser Haltung hat sich dann oft auch eine neue Formgebung entwickelt. Es ging für ihn immer darum, etwas besser zu machen. Sapper war auch im besten Sinne ein Tüftler. Sein Lehren war eine Mischung aus Erfinden und Gestalten.
Nun hat ja Richard Sapper meines Wissens keine Investitionsgüter entworfen. Was sind denn für Sie die fundamentalen Unterschiede zwischen dem Design von Konsum- und dem von Investitionsgütern?
Ich weiß gar nicht, ob es da wirklich einen grundlegenden Unterschied gibt. Am Ende geht es ja immer darum, die Gestaltung so zu machen, dass sich etwas gut nutzen lässt. Die ästhetische Anmutung sollte die Funktion unterstützen und gleichzeitig das Markenbild stärken. Das gilt eigentlich für alle Produkte.
Gibt es denn in Ihren Augen so etwas wie Designtrends im Investitionsgüterdesign?
Manchmal habe ich den Eindruck, Produkte werden übergestaltet. Das kann schon auch dazu führen, dass es unübersichtlich wird. Aber es gibt viele Unternehmen, die an ihrer Markenerscheinung arbeiten und das Design klar als einen wesentlichen Teil davon verstehen. Dass Design die Sichtbarkeit von Produkten steigern kann und damit die Wahrnehmung der Marke stark beeinflusst ist auch bei Investitionsgütern für viele Unternehmen keine Frage mehr. Dieser Trend ist auf jeden Fall erkennbar.
„Manchmal habe ich den Eindruck, Produkte werden übergestaltet.“
— Dina Gallo
Man hat es bei Investitionsgütern ja mit ganz anderen Zeiträumen zu tun als bei Konsumgütern. Maschinen sind oft Jahrzehnte lang im Einsatz. Da sollte man ein Design finden, das lange Gültigkeit bewahrt. Auf jeden Fall kann man da nicht in kurzlebigen Trends denken. Haben Sie denn so etwas wie ein neues Markenbild definiert für Trumpf?
So würde ich das nicht ausdrücken, ein Markenbild habe ich nicht definiert. Ich habe eher für mich Kriterien definiert, wie das Design sein sollte, damit es eben tatsächlich dieses Langlebige hat, aber gleichzeitig Aspekte wie Robustheit und Präzision ausstrahlt. Also solche Details, die zu dem passen, wie ich die Marke sehe. Und diese Attribute habe ich für die Erarbeitung der Designsprache definiert.
Sind denn heute Ihrer Ansicht nach die Markenerscheinung und das Produktdesign bei Trumpf harmonisiert?
Ja, ich denke, dass sie das sind. Aber so ein Unternehmen hat ja viele Touchpoints und komplexe Strukturen, dass das eigentlich eine kontinuierliche Arbeit ist. Zum Beispiel durch neue Kanäle, die entstehen, neue Technologien, die bedient werden müssen – und dann auch wieder als gestaltete Produkte in Erscheinung treten.
Was sind denn die besonderen Herausforderungen Ihres Jobs?
Die Vielfalt. Bei Trumpf werden viele verschiedene Technologien entwickelt und jede hat spezielle Anforderungen. Alles so zu erfassen und auch zumindest so tief zu begreifen, dass man sinnvoll gestalten kann, das ist immer wieder eine Herausforderung.
Das heißt, Ihre Arbeit beginnt bereits in der Konzeptionsphase: Sie sitzen mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren und mit der Produktentwicklung zusammen, von Anfang an?
Ja, das ist eigentlich so mein Wunsch: dass ich schon früh mit dazu kommen kann. Dann versteht man die Anforderungen am besten und kann auch in der Gestaltung das Beste leisten.
Welche Rolle spielen denn digitale Entwurfswerkzeuge für Sie? Entwerfen Sie direkt in verschiedenen Designprogrammen oder greifen Sie manchmal am Anfang noch zum Bleistift?
Beides. Ich greife noch oft zum Bleistift, das ist für die ersten Ideen schnell und einfach. So kann ich am Anfang im Gespräch mit den Entwicklungskollegen schon mal die Möglichkeiten ausloten. Im weiteren Projektverlauf kommen dann auch noch verschiedene Designprogramme zum Einsatz.
Und wie stark wird das Design von der Digitalisierung oder Automatisierung bestimmt? Kümmern Sie sich auch um zum Beispiel das Interface Design der Maschinen?
Es gibt fast kein Produkt mehr in einer Fertigung ohne Software. Ich meine, ein gutes Beispiel ist unser Indoor-Lokalisierungssystem „Track & Trace“. Auch hier galt es, Hard- und Software zusammenzudenken, so dass alles sowohl technisch als auch gestalterisch zusammenpasst. Das physische Produkt und die dazugehörige Software mit einer einfachen Benutzerführung bilden zusammen ein System, das durchgängig gestaltet sein muss, damit die gute Nutzbarkeit sicher gestellt ist.
Wie bilden Sie als Designerin ab, dass eine Maschine oder ein Produkt wie der Track & Trace innovativ ist? Wie übersetzt man diesen Aspekt formal?
Man kann ja von außen nicht unbedingt sehen, was innen drin so alles an Intelligenz steckt. Ich denke nicht, dass es wirklich notwendig ist, jedes technische Feature sichtbar zu machen. Es ist eher wichtig, die richtige Gesamtanmutung zu transportieren: gute Fertigungstechnik muss einhergehen mit einer zeitgemäßen Gestaltung – das sind schon ganz gute Zutaten für ein gelungenes Design, das einer Innovation eine angemessene Erscheinung verleiht.
Das heißt, das übersetzen Sie auch in ein ruhiges formal gradliniges Produktdesign und eben auch über die Farben Weiß und Blau.
Ja, das ist das, was sich durchzieht. Die verschiedenen Produkte bilden eine Familie, sind zu einem System erweiterbar und können untereinander vernetzt werden. Das ist auch eine Botschaft, die das Design transportieren soll.
Wenn diese Einheitlichkeit so im Vordergrund steht und die markengerechte Gestaltung des jeweiligen Produkts, wünschen Sie sich als Designerin nicht manchmal einen größeren kreativen Spielraum? Sie müssen sich ja doch ganz schön streng an Ihre eigenen Vorgaben halten.
Ja, das stimmt. Andererseits ist dann jedes Produkt am Ende doch wieder ganz anders. Weil sich so viele technische Details ergeben, die am Ende eine ganz neue Erscheinung zulassen. Das folgt zwar dieser großen Linie, aber am Ende sieht jedes Produkt für sich betrachtet deutlich anders und eigenständig aus.
Man muss für viele Details individuelle Lösungen finden.
Ja, genau. Das ist wiederum aber auch das, was meine Arbeit spannend macht. Die vielen Details, die es gibt: die gut zu machen – das ergibt am Ende ein gelungenes Produkt. Dieser Prozess hat ja auch etwas Kniffliges. Jeweils eine passende gestalterische Lösung zu finden, macht echt Spaß. Dass man immer wieder im Austausch ist mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren und gemeinsam in vielen kleinen Schritten an etwas Großem arbeitet. Also diese Einzelheiten gut zu durchdenken und dann am Ende das Gesamtwerk dadurch stimmig erscheinen zu lassen – das ist schon eine sehr tolle Aufgabe.
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