Ob in der urbanen Wildnis oder kleinen Oasen zwischen Beton und Stahl – innerstädtische Orte wie Gemeindezentren, Spielplätze, Markthallen oder Banken können viel mehr sein als bloße urbane Kulissen. Wir stellen vier herausragende Projekte vor, die Lebendigkeit und Vielfalt in die Stadt bringen und das soziale Miteinander stärken.
Von hicklvesting
Ob in der urbanen Wildnis oder den Oasen zwischen Beton und Stahl — Innenstädte und Orte wie Parks oder Gemeindezentren sind viel mehr als bloße urbane Kulissen. Menschen sehnen sich nach Orten der Lebendigkeit und Vielfalt, an denen sie Erlebnisse teilen und Kontakte knüpfen können. Die Städte benötigen bewusste Gestaltungskonzepte, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und ein Zusammensein ermöglichen: offen für kreative Nutzungsmöglichkeiten, flexibel in ihrer Reaktionsfähigkeit in den Folgejahren, wenn sich betroffene Spaces ändern. Die folgenden Architektur- und Designprojekte aus den diesjährigen ICONIC AWARDS: Innovative Architecture zeigen, welches Potenzial in bewusst gestalteten Orten des sozialen Miteinanders stecken kann und wie intelligente Konzepte dieses Miteinander auf kreative Weise fördern und die Stadt als Lebensraum stärken.
Ungewöhnliche Spielwelten, die animieren und herausfordern
Dass Kinder viel (zu viel) Zeit mit modernen Medien verbringen, ist nicht nur in Deutschland ein oft diskutiertes Thema. Sie schauen lange auf Bildschirme, bewegen sich nicht genügend im Freien und häufig fehlen ihnen reale Interaktionen mit anderen Kindern. Lösungen sind nötig, um Kindern eine vielseitige Freizeitgestaltung zu bieten. Das sehen so auch die Initiatoren des „Children’s Community Centre – The Playscape“ im Norden von Peking. Ziel des Projekts ist es, das Spielen auf der Straße, wie es die Generationen zuvor noch erlebt haben, wieder zu einem wesentlichen Teil der Entwicklung von Kindern zu machen. Die Spiellandschaft, die „we architech anonymous“ (waa) dafür in und zwischen den Gebäuden eines bestehenden Industriekomplexes geschaffen hat, ist angelehnt an wichtige Erfahrungen aus Alltagssituationen: Hier können sich Kinder treffen, etwas wagen, sich verstecken, Gleichgewicht üben, die eigenen Körperproportionen erleben, lernen sich in einem unbekannten Terrain zurechtfinden, den Überblick gewinnen und vieles mehr. Bei der Weitläufigkeit, Vielfalt und Farbigkeit des „Playscapes“ kann man gar nicht anders, als sich aufs Spielen, Erleben und Lernen einzulassen. So tragen die Spielwelten in der Stadt zu einer gesunden Entwicklung und Ausgeglichenheit der Kinder bei, was sich unmittelbar positiv auf die Lebensgemeinschaft aus Familie, Nachbarschaft und Schule auswirkt.
Der Supermarkt als inspirierender Quartiertreff
Wie Orte, die bisher eine klare Zweckmäßigkeit hatten, für andere Nutzungen geöffnet werden können, zeigt die Entwicklungen in der Gestaltung von Markthallen. Als Handelsplätze hatten Markthallen seit dem Mittelalter eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung und waren als Orte des Austauschs von Neuigkeiten immens wichtig. Heute werden Markthallen zunehmen zum lebendigen Treffpunkt für die Mittagspause oder vereinen Wohn- und Handelszentrum unter einem Dach, wie es in der Rotterdamer Markthalle von MVRDV möglich ist. Im niederländischen Groningen nahm man sich mit dem „SuperHub Meerstad“ ein Beispiel am traditionellen Markthallendesign und entwickelte einen ungewöhnlich ausdrucksstarken Bau, der mehr kann, als nur Waren auszustellen. Eine neun Meter hohe Dachkonstruktion wird von Holzsäulen mit kreuzförmigem Querschnitt getragen, deren Träger ein wirkungsvolles Rautenmuster aufweisen. Umhüllt von einer durchgehenden Glasfassade, gelangt sehr viel Tageslicht in den kathedralartigen Innenraum und schafft ein außergewöhnliches Raumerlebnis. Am Abend strahlt das Gebäude wie ein Leuchtturm nach allen Seiten in das Quartier aus.
Für das wachsende Quartier, das bisher keinen Mittelpunkt hatte, ist der „SuperHub Meerstad“ ein einladendes und identitätsstiftendes Zentrum mit hoher Aufenthaltsqualität und bietet mehr als nur ein besonderes Einkaufserlebnis. Die Flächen im Gebäude sind flexibel unterteilbar, sodass bei Bedarf andere Nutzungen wie ein Nachbarschaftszentrum oder sogar Wohnnutzungen untergebracht werden können. Klar wird: Das Bedürfnis nach Angeboten des Zusammenseins ist universell und global auffindbar. In den verschiedenen Kulturräumen unterscheiden sich dabei lediglich die Art, wie Zusammensein aussehen kann.
Ein Kulturzentrum als Brücke zwischen Früher und Heute
Der Ort Zhonghua am Rande der Metropole Schanghai hat sich innerhalb kürzester Zeit stark vergrößert und modernisiert. Umso entscheidender ist es für das Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Verbindung zum Ursprung des Ortes als Dorf am Wasser mit traditionellen Brücken in die umgebenden Felder zu bewahren. Dafür schlägt das Büro „ppas Engineering Consulting Co.“ mit dem „Chinese Village Cultural Activity Center“ bewusst plakativ eine Brücke und verbindet in einem konsequent schlichten, kompakten und multifunktionalen Gebäude den Ursprung des Ortes mit der aktuellen Entwicklung und dem Zuzug von immer mehr Menschen. Ziel ist es, sich innerhalb der Nachbarschaft auf Augenhöhe zu begegnen und die Gemeinschaft zu stärken, indem sowohl Tradition als auch Moderne in diesem Kulturzentrum ihren Platz finden. Und an einem gemeinsamen Ort durch das Zusammensein eine neue Identität Raum findet, sich zu entwickeln.
Kaffeklatsch in einer Bankfiliale
Gibt es etwas Verschlosseneres als das klassische Bankhaus? Die PSD Bank Berlin widersetzt sich diesem Image und will ihre Nachbarschaft durch ein gemeinsames Zentrum stärken. Während viele Bankfilialen schließen, geht die PSD Bank neue Wege. Gemeinsam mit der Interior-Designerin Ester Bruzkus wurden die Räume des historischen Postamts in Berlin-Friedenau in einen einladenden Nachbarschaftstreffpunkt verwandelt. Neben den üblichen Bankdienstleistungen wie Geldautomaten, Beratungsräumen und Auskunftsschaltern gibt es ein Café, ein farbenfrohes Gemeinschaftswohnzimmer, einen Innengarten sowie Ausstellungs- und öffentliche Versammlungsräume. Das inklusive Konzept will insbesondere ältere Kund*innen ansprechen, die digitale Bankgeschäfte eher abschrecken. Umgesetzt wurde das Konzept als „Raum im Raum“, der in der historischen, denkmalgerecht restaurierten Haupthalle einen Dialog zwischen Alt und Neu inszeniert. Bei der Umgestaltung wurden – ganz im Sinne der regional verwurzelten Genossenschaftsbank – vor allem Gewerbe aus dem Mittelstand berücksichtigt; und bei der Möbelauswahl wurde mit möglichst vielen Berliner und deutschen Designer*innen zusammengearbeitet.
Dieses Projekt steht nicht nur für den Erhalt und die denkmalgerechte Sanierung historischer Bausubstanz: Der Dialog zwischen den Materialien und die Atmosphäre des Kiez-Wohnzimmers bringen Lebendigkeit und Modernität in die Nachbarschaft. Im Wechselspiel entsteht hier eine Bank, die unerwartet nahbar ist – und Bankgänge tatsächlich in einen angenehmen Punkt auf der To-do-Liste verwandeln.
Architektur für soziale Verbindungen
Die bewusste Gestaltung sozialer Begegnungen in städtischen Räumen ist maßgeblich von Konzepten geprägt, die über die bloße Zweckmäßigkeit von Gebäuden hinausgehen. Erfolgreiche Ansätze zeichnen sich insbesondere durch ihre Multifunktionalität aus, die vielfältige Möglichkeiten für soziale Interaktionen bieten. Die Komplexität dieser Konzepte macht deutlich, wie divers menschliche Begegnungen sind und trägt dazu bei, Menschen unterschiedlicher Hintergründe miteinander zu verbinden. Eine gelungene soziale Gestaltung in städtischen Räumen berücksichtigt zudem Traditionen, indem sie kulturelle Aspekte einbezieht und somit eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. Gleichzeitig zeichnen sich diese Konzepte durch ihre Offenheit für den Wandel aus, indem sie sich an die Bedürfnisse und Entwicklungen der Gesellschaft anpassen.
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