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Siedlerhütte, Innenperspektive Kochnische, 1921, Tusche auf Transparentpapier; Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv, Nachlass Margarete Schütte-Lihotzky/Luzie Lahtinen-Stransky, Inv. Nr. 23/4
Modell der Spülküche, nach dem Entwurf von Schütte-Lihotzky (1923), Ausführung: Nikolaus Fuchs (2019), zu sehen in der Ausstellung „Das Rote Wien. Ideen, Debatten, Praxis“, Foto: Manuela Mark

Wird der Name Margarete Schütte-Lihotzky genannt, denkt jeder, der halbwegs mit der Geschichte von Architektur und Design im 20. Jahrhundert vertraut ist, sofort an ihre berühmte „Frankfurter Küche“. Weniger bekannt ist, dass Schütte-Lihotzky wenige Jahre zuvor als junge Architektin eine Spülküche für ein Siedlerhaus entworfen hat. Während der Arbeit an der 2019/2020 gezeigten Ausstellung „Das Rote Wien. 1919-1934“ hat die Rekonstruktion ihres Entwurfs „nicht nur knifflige Fragen“ aufgeworfen, sondern auch neue Perspektiven auf das Werk der Pionierin eröffnet, wie Peter Stuiber, Leiter der Abteilung Publikationen und Digitales Museum im Wien Museum, in einem Beitrag im Magazin des Wien Museums erläutert, den es noch zu entdecken gilt.

Margarete Schütte-Lihotzky, so Stuiber, war Anfang der 1920er-Jahre für die Siedlerbewegung in Wien tätig. Bei der „Wiener Kleingarten-, Siedlungs- und Wohnbauausstellung“ am Rathausplatz 1923 habe der Prototyp einer von ihr entworfenen Spülküche einiges Aufsehen erregt, da auch dieser Entwurf auf eine Rationalisierung der Haushaltsarbeit abzielt. Gedacht, so Stuiber, war die Spülküche „für einen Zwischenraum zwischen dem eigentlichen Wohnraum des Siedlerhauses und dem Garten, ähnlich wie dies bei Bauernhäusern üblich ist. Auf einem vier Quadratmeter großen Raum mit Wasseranschluss sollten mehrere Funktionen vereint werden: Wasser erhitzen im Kessel, baden in der Wanne, Wäsche waschen, Geschirr waschen und Gemüse putzen bzw. Lebensmittel so vorzubereiten, dass sie in der ,richtigen‘ Küche (die als Erweiterung der Spülküche vorgesehen war) weiterverarbeitet werden können. Der Boden des Raumes sollte vermutlich wie in einer Waschküche eine glatte Oberfläche haben und mit einem Abfluss versehen werden.“

Bei der Rekonstruktion stellte sich heraus, dass die Vorlage aus dem Jahr 1923 höchstwahrscheinlich nicht, wie vorgesehen, aus Beton gegossen war. Es ging vor allem um „die Visualisierung einer radikalen Idee, deren technische Details zwar bei weitem nicht ausgereift waren, die aber aufgrund ihrer futuristischen Formensprache und radikalen Materialwahl eine neue Zeit heraufbeschwor“. Beton sei damals – wie später Kunststoff – ein Material gewesen, das kühne Phantasien weckte. „Man hat gehofft“, so der mit der Rekonstruktion beauftragte Designer Nikolaus Fuchs, „das Ding in einer Fabrikshalle vorzufertigen und als Gesamtblock zu liefern. Der erste Monobloc der Designgeschichte sozusagen“. Dass die Siedlerbewegung ab Mitte der 1920er-Jahre an Bedeutung verlor, mag also nur einer der Gründe gewesen sein, warum der Entwurf nicht in Serienproduktion ging. Fuchs glaubt des Berichts zufolge nicht, dass es Schütte-Lihotzky um formale Details, „sondern um die sozialen Aspekte des Entwurfs ging, um die Organisation von Haushaltsarbeit, die damit verbessert werden sollte. Auf der Ausstellung 1923 war die Spülküche einfach ein Statement, über das man trefflich diskutieren konnte. Man wollte etwas herzeigen – und das ist gelungen.“


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