Von Thomas Wagner.
Nadine Rahman von ifm solutions und Eric Snoeijen von Bosch Rexroth haben bei einem Podiumsgespräch während der German Brand Convention 2019 des Rat für Formgebung Auskunft darüber gegeben, wie man den digitalen Wandel mit gelungener Markenführung bewältigt.
Vom Traditionsunternehmen zum Industrie 4.0 Player – Mit Markenführung durch den Change
Exzellente Markenführung ist keine Selbstverständlichkeit. Besonders dann nicht, wenn es gilt, eine erfolgreiche Marke, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann, weiterzuentwickeln und in ihr all jene Veränderungen zu verankern, die sich aus dem digitalen Wandel ergeben. In besonderem Maße gilt das, wie die Moderatorin Saskia Diehl gleich zu Beginn des Gesprächs während der German Brand Convention 2019 deutlich macht, für Traditionsunternehmen aus dem B2B-Bereich. Diese haben oft seit Jahrzehnten erfolgreich am Markt agiert – und auf einmal sind sie mit einer Armada von Beratern konfrontiert, die ihnen erklären, von nun an alles anders machen zu sollen, weil sich Kundenbedürfnisse verändert haben, neue Geschäftsmodelle entstanden sind, Produktionsprozesse umgestellt werden, Kommunikation und Vertrieb nicht wie gewohnt funktionieren. Zudem kommen durch den Wandel junge Kolleginnen und Kollegen ins Unternehmen, die offensiv neue Ansprüche formulieren.
Mit der Digitalisierung verändert sich auch die Marke.
Nadine Rahman ist CEO von ifm solutions, der Digitalisierungssparte der ifm. Nachdem sie darauf hingewiesen hat, ifm als Weltmarktführer für Sensoren sei seit 50 Jahren vorrangig international im Bereich Automatisierungslösungen vertreten, macht sie deutlich, wie gründlich die Digitalisierung die Grenzen „zwischen der IT-Welt und der OT-Welt“ aufgebrochen hat. Stelle ein Spezialist für Sensoren plötzlich auch Software her, müssten zunächst die dafür nötigen Kompetenzen aufgebaut werden. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten: Man könne entsprechende Teams – gleichsam Mensch für Mensch – am Markt zusammensuchen. Oder man schaue, wer so etwas könne und kaufe die Firmen auf, die über das entsprechende Know-how verfügen. Deshalb gelte es, sowohl lokal als auch international Kompetenzen aufzubauen, um den Kunden als Marke und als kompetenter Ansprechpartner für Digitalisierungslösungen entgegentreten zu können.
Auf die Frage, wie unterschiedliche Arbeitskulturen unter dem Dach einer Marke zusammengeführt werden können, erklärt Rahman: Zunächst herrschte Verwirrung; das fange bei den Visitenkarten an. Also müsse eine visuelle Klammer geschaffen werden. Da ifm eine Monobrand-Strategie verfolge, habe man eine Anpassung an die Firmenfarbe Orange vollzogen. Eine Markenintegration zu starten, reiche allein aber nicht aus. Diese müsse vielmehr mit dem Prozess des Change-Managements einhergehen. Dabei sei es erforderlich, die einzelnen Kompetenzen so zu bündeln, dass in den neu aufgebauten Aufgabenbereichen eine vernünftige Zusammenarbeit möglich werde. Das kulminierte am Ende in der Gründung von ifm solutions, mithin in einem Markenmigrationsprozess, in dessen Verlauf verschiedene Tochterunternehmen integriert wurden. Anschließend sei es darauf angekommen, die Marke ifm mit den neuen digitalen Kompetenten „aufzuladen“.
Verändert sich das Umfeld, muss die Marke angepasst werden.
Für Eric Snoeijen von Bosch Rexroth ist es ein wesentliches Argument für den Wandel, dass sich das Umfeld in den vergangenen 20 Jahren stark verändert, die Marke aber nicht in gleichem Maße damit Schritt gehalten hat. Snoeijen versteht Marke als Erlebnis, nicht als Stempel. Bosch Rexroth sei seit Jahren die „Drive and Control Company“, die Antriebs- und Steuerungstechnologie herstellt. Was die Bekanntheit der Marke angeht, hätte man aber vor allem bei jungen Ingenieuren Defizite festgestellt. Ausgangspunkt des Wandels, so Snoeijen, sei sodann die Überlegung gewesen: „Wir bewegen eigentlich alles, nur die Marke nicht. Also haben wir uns gefragt: Weshalb können wir die Marke nicht so auffassen, dass die Marke bewegt?“ Dass Bewegung heute den Kern der Marke bildet, zeigt sich in ihrem Claim „We Move. You Win.“
Die Neudefinition der Marke, wie sie unter Hochdruck in einem Teilunternehmen umgesetzt wurde, habe auch beim Mutterkonzern Bosch den Wunsch geweckt, die Marke aufzufrischen. Tobias Brummer, bei Bosch Rexroth verantwortlich für Global Brand Management und Markenkommunikation, weist denn auch ergänzend darauf hin, wie wichtig es sei, die Mitarbeiter für den Wandel zu begeistern und die Notwendigkeit eines Markentransfers dort zu beginnen. Funktioniere der Erneuerungsprozess einer Marke, so trage er zur Identifikation und zur Begeisterung für die Marke bei.
Entscheidend bleiben die Werte des Unternehmens.
Wie sich die Markenführung verändern muss, wenn unter dem Stichwort Digitalisierung ein kompletter Change hinsichtlich der Kompetenzen und der Ressourcen stattfindet, erläutert Nadine Rahman, indem sie auf die Werte des Unternehmens verweist. Die Werte, die das Unternehmen ifm seit 50 Jahren tragen, seien im Grunde zeitlos, müssten aber neu interpretiert werden. Hinter dem Claim „close to you“ würden sich Werte wie Zuverlässigkeit und Qualität ebenso verbergen wie der Grundsatz der Firmenphilosophie, keine Produkte zu entwickeln, herzustellen oder zu verkaufen, die direkt militärischen oder waffentechnischen Zwecken dienen: „Solche Werte haben kein Ablaufdatum“. Also sei zu fragen: „Was heißt ,close to you‘ im digitalen Zeitalter?“
Für Eric Snoeijen steht es außer Frage, dass die Marke mitziehen muss, wenn sich das Portfolio verändert. Wichtig sei aber, dass beides zusammenpasse. Es reiche nicht – darin sind sich Snoeijen und Rahman einig – eine coole Marke zu konstruieren, es müsse im Unternehmen tatsächlich etwas passiert sein und das Produkt, das dahinterstehe, müsse stimmen. Nadine Rahman bringt es auf den Punkt: „Erst ein gutes Produkt entwickeln und das dann kommunizieren.“
Diskutiert wird, dass dieses Vorgehen ein Merkmal von – typisch deutschen – Traditionsunternehmen ist. Diesen fehle es, besonders im Software-Bereich, zuweilen am Mut, frühzeitig Lösungen auf den Markt zu bringen, die noch nicht zu Ende entwickelt sind, aber mittels Updates weiter angepasst werden können – was in der Branche oft entscheidend sei. Auf die Frage, wie man markenstrategisch mit neuen digitalen Angeboten in Bereichen und Märkten umgeht, in denen die Marke bisher noch keiner kennt, hat Nadine Rahman eine überraschende Antwort parat: „Wir fragen uns immer: Was muss am Markt passieren, dass die ifm verdrängt wird? Um dann selbst entsprechende Geschäftsfelder zu entwickeln – und somit quasi selbst unser größter Konkurrent zu bleiben.“
Der komplette Video-Mitschnitt vom 06. Juni 2019
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