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Kicken oder Daddeln? Beides, sagt Holger Merk, verantwortlich für das Strategische Marketing des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie es dem Verband gelingt, mit der Förderung von eFootball und eFootballern auch bei der Digitalisierung am Ball zu bleiben, ohne den Markenkern der Marke DFB zu verlieren.

Interview von Ulla Weismüller


Bei einem Menschen, der gerne Computerspiele spielt, denken die meisten wohl eher als letztes an einen Sportler. Wie wollen Sie diese beiden Welten vereinen, vielleicht füreinander begeistern? Und wollen Sie beide gleichermaßen ins Boot holen?

Von außen betrachtet ist die Annahme naheliegend, dass Gamer, die als Hobby Videospiele spielen, wenig mit Sport zu tun haben. In einem mittlerweile zwei Jahre andauernden Prozess durch viele Befragungen und Studien haben wir aber herausgearbeitet, dass das aber gar nicht der Fall ist. Es gibt im eFootball eine sehr große Schnittmenge von denjenigen, die sich für den Fußball begeistern – auf und neben dem Platz. Das heißt, sie sind aktiv, spielen Fußball in Vereinen und in selbstorganisierten Mannschaften und spielen parallel an der Konsole. Diese Kluft ist also gar nicht so groß. Wir wollen zeigen, dass das, was auf dem Platz passiert, durchaus im Schulterschluss mit dem digitalen Spielplatz passieren kann.

Ist es denn vor allem eine junge Zielgruppe, die Sie ansprechen wollen?

Absolut. In der Ansprache gehen wir aktuell von sechzehn Jahren aus. Natürlich spielen die Jugendlichen auch schon viel früher FIFA. Das hilft uns ungemein, das Leistungsangebot um die Amateurvereine und Landesverbände zu erweitern, dort ist nämlich die Nachfrage groß. Was mache ich denn, wenn es keinen Vereinsfußball gibt? Was kann ich den Jugendlichen anbieten, damit sie trotzdem ein Stück weit am Vereinsleben teilnehmen?

Also, die Zielgruppe ist nun da – wie geht es weiter? Wie wollen sie es schaffen, den eFootball noch weiter nach vorne zu bringen und noch bekannter zu machen?

Für uns stand zunächst die Frage im Raum, wie wir den eFootball glaubwürdig in das DFB-Ökosystem integrieren können. Das Wichtigste ist, einen für die Community authentischen Ansatz zu wählen, damit wir eine Daseinsberechtigung in der Jugendkultur finden. Das geht nur, indem wir unsere Rolle als Fußball-Organisator einnehmen, weil wir das seit hundert Jahren machen – und das sehr erfolgreich.

Wir haben bereits heute ein Fußballmanagementsystem: FUSSBALL.de. Über diese digitale Plattform wird der deutsche Amateur-Fußball digital organisiert. Alle 180.000 Spiele, die wöchentlich stattfinden, werden digital über diese Website abgewickelt. Genau dort wollen wir die Verlängerung mit eFootball etablieren. Heißt: Wir bieten den Amateurvereinen über unsere Landesverbände eine digitale Heimat auf FUSSBALL.de. Wir spiegeln den Spielbetrieb digital wider, sodass sich die Verbände dem Thema eFootball widmen können und entsprechende Spielformen auf der Plattform ausspielen können. Wir nehmen die Rolle des Dachverbands, der Struktur gibt, ein und das passt gut zusammen.

Wir ermöglichen sieben Millionen Mitgliedern, Fußball zu spielen. Diese Rolle findet sich in unserem Markenkern wieder.

Welche Rolle spielt denn der DFB als Marke bei dieser durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderung? Der DFB wird ja häufig über seine Marke „Die Mannschaft“ wahrgenommen.

Wir werden natürlich wesentlich über unseren Leuchtturm „Die Mannschaft“ wahrgenommen, aber das ist – ohne die Leistung der Jungs zu schmälern – nur ein Baustein dessen, was der DFB für den deutschen Fußball tut. Die Nationalmannschaft ist für uns als Aushängeschild im Spitzensport sehr wertvoll. Was wir aber darüber hinaus tun im Bereich Fußball und Organisation ist viel größer. Wir schaffen die Voraussetzungen, damit Fußball in Deutschland überhaupt gespielt werden kann. Und da ist die Marke enorm wichtig.

Wir ermöglichen sehr vielen Menschen, sieben Millionen Mitgliedern, Fußball zu spielen. Diese Rolle findet sich in unserem Markenkern wieder. Uns traut man zu, den Fußball zu organisieren, auch in einer solchen Dimension. Diese Glaubwürdigkeit wollen wir nutzen, sie in Vertrauen umwandeln und mit der jugendlichen Zielgruppe in den Dialog kommen. Damit gelingt es uns auch, die Marke zu verjüngen.

Der Deutsche Mohammed „MoAuba“ Harkous wurde FIFA-Weltmeister 2019 © Getty Images

Das heißt, sie haben den Benefit, dass der DFB als Marke schon etabliert ist. Aber bedingt durch die Digitalisierung und den ständigen Wandel, müssen Sie sich als Marke auch verändern.

Richtig, und das ist auch zwingend notwendig. Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt und müssen berücksichtigen, dass Sport und Fußball heute anders wahrgenommen werden.

Sie reagieren auf die Digitalisierung zum einen durch die Sparte eFootball. Gibt es noch weitere Themen, die auf den DFB zurollen und wo die Marke noch einmal neu positioniert werden müsste?

Das Konsumverhalten bzw. der Medienkonsum der Gesellschaft hat sich sehr stark verändert. Fußball wird nicht mehr zwingend neunzig Minuten im Stadion oder linear im TV angeschaut, sondern es gibt viele Formen, Fußball anders und vor allem immer stärker digital zu konsumieren. Damit sind wir wieder bei der jungen Zielgruppe, die das über Social Media oder auch Streaming-Plattformen tut. Wir können von Amazon, Netflix und Co. lernen, wie Formate ausgespielt werden können. Und dahingehend müssen wir unsere Produkte verändern, wir müssen eine Lösung finden, wie wir den Fußball auch digital für den Menschen erlebbar machen.

Auch die Marke müssen wir anders denken. Marke in der Rechtevermarktung ist schon lange nicht mehr einfache Logopräsenz, sondern wir reden darüber, wie sich Marke in Bewegung oder Marke im Raum anfühlt. Das sind alles Themen, die uns beschäftigen. Wir bewegen uns in einem Wertesystem, das bei uns sehr stark verwurzelt ist.

Stichwort Wertesystem. Wir befinden uns in einer Zeit des Wandels. Glauben Sie, dass vielleicht manche Dinge auch so bleiben sollten, wie sie sind? In Ihrer Zielgruppe sitzen ja nicht nur die jungen, sondern auch viele ältere, etablierte Fußballfans, die sich vielleicht überhaupt nicht für das Thema Digitalisierung interessieren.

Fußball wird – das ist meine These – auch die nächsten zwanzig, dreißig Jahre mit 11 gegen 11 im Stadion gespielt werden und die Menschen werden es linear über TV konsumieren oder eben im Stadion. Und das wollen wir auch, denn das macht die Faszination dieses Sports aus. Es geht darum, wie wir uns mehrdimensional – dann reden wir über Plattformen und Zielgruppen – aufstellen müssen. Wie müssen wir uns verändern, damit wir entsprechend wahrgenommen werden? Wie könnten Formatanpassungen aussehen? Wenn wir nicht neunzig Minuten Fußball spielen – was können wir dann machen?

Ganz aktuell ist das Thema Dokumentationen: Wie liefern wir einen Blick hinter die Kulissen, auf das, was wir tun bei der Nationalmannschaft, beim DFB-Pokal? Was können wir digital über unsere Social Media-Kanäle spielen, wie muss unsere Bildsprache aussehen? Wie tragen wir den Impuls, den wir ausgelöst haben, weiter?

© Getty Images

Zu einem Markenbild wie dem des DFB gehören natürlich auch die Personen in der ersten Reihe, beispielsweise die Spieler der Deutschen Fußballnationalmannschaft. Aber genauso muss sich ja auch ein eGamer nach vorne spielen. Braucht man Persönlichkeiten, um gerade im Sport eine Marke zu stärken?

Korrekt. Wir brauchen auf dem Platz und neben dem Platz Persönlichkeiten, die sich wichtigen Themen annehmen und sie entsprechend transportieren. Wenn man sich einmal die eFootballer anschaut und ihre Reichweite, die sie in sozialen Medien habe, den Impact, den sie haben – das ist schon beeindruckend. Ein Beispiel: Wir hatten einen Stadionbesuch mit der E-Nationalmannschaft im März und waren bei der Eintracht, um uns ein Spiel anzuschauen. Was da passierte, war der Wahnsinn: Die Kids kamen in der Halbzeit an die Plätze der Spieler und haben sich Autogramme geholt – dann war da eine riesige Menschentraube. Man ahnt gar nicht, was da unterhalb des Radars passiert und wie im eFootball-Bereich Persönlichkeiten heranwachsen. Für diese Entwicklung wollen wir ein Katalysator sein, um das auf eine andere Ebene zu heben, wir als Organisation in Zusammenarbeit mit den Spielern.

Wie sehen Sie die Entwicklung für den DFB und den DFB als Marke, etwa in sechs Jahren? Was wünschen Sie sich? Was ist realistisch?

Wir haben den großen Vorteil, dass wir 2024 wieder eine Europameisterschaft im eigenen Land austragen dürfen. Das wird einen unheimlichen Boost geben für den Sport, das wollen wir in allen Bereichen nutzen. Mit der Marke sowie mit der Nationalmannschaft werden wir die Botschaft vermitteln, dass wir imstande sind, ein toller Gastgeber zu sein. Wir wollen die Marke aber auch in allen anderen Sparten einbringen, für die wir uns einsetzen. Wie können wir den Amateurfußball mit dem Spitzenfußball verbinden? Wie können wir die Jugend fördern? Wie können wir unsere gesellschaftliche Funktion, für die wir als Organisation ja auch stehen, ausfüllen?

Wo sollte denn der eFootball zu diesem Zeitpunkt stehen? Gibt es Benchmarks, Kennzahlen, die Sie sich gesetzt haben?

Wir haben ein tolles Projekt, das wir Ende des Jahres starten: Wir werden den DFB-ePokal ins Leben rufen und versuchen, diese Geschichte – David gegen Goliath – im digitalen Gewand zu erzählen. Wir ermöglichen allen deutschen Amateurvereinen an diesem Wettbewerb teilzunehmen, um vielleicht im Laufe des Wettbewerbs gegen die Lizenzvereine der Bundesliga und deren eFootball-Teams anzutreten. Wenn Sie mich nach meinem persönlichen Wunsch fragen, wohin die Reise bei diesem Projekt gehen soll, dann wünsche ich mir einen Wettbewerb zu entwickeln, der eine weltweite Benchmark dafür wird, wie eFootball für eine Fußballnation zum Leben erweckt werden kann.


Holger Merk

Holger Merk, DFB GmbH

Holger Merk ist Senior Head of Strategic Marketing bei der DFB GmbH und verantwortlich für das Brand Management und das Produkt-Management des DFB. Die Markenführung umfasst alle DFB-Marken wie bspw. DIE  MANNSCHAFT oder den DFB-Pokal, aber auch die 3. Liga sowie FUSSBALL.de, die digitale Heimat des deutschen Amateurfußballs. Das Produkt-Management umfasst die (Weiter-)Entwicklung von bestehenden und potentiellen Geschäftsfeldern in den Bereichen Medienrechte, Sponsoring, Merchandising & Lizenzen sowie Ticketing & Hospitality. 

Bevor er Ende 2017 die Position übernahm, verantwortete er das Merchandising & Lizenzgeschäft des DFB. Zuvor war er in ähnlicher Funktion für den Hamburger Sport-Verein tätig. Holger Merk absolvierte sein BWL-Studium an der FH Mainz mit dem Schwerpunkt Kommunikationsmanagement und arbeitete in dieser Zeit unter anderem als Werkstudent für die Porsche AG und Kabel Deutschland sowie diverse Agenturen.

Am 14. November spricht Merk beim Deutschen Marken- und Designkongress 2019 über die Veränderungen, die die Digitalisierung für das Sportmarketing bewirkt, und wie der DFB damit umgeht.


www.dmdk.events


Beitrag der ndion-Redaktion. Bilder mit freundlicher Genehmigung des DFB, © Getty Images.


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