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Von Prof. Dr. Alexander Wurzer.

In seiner langen Geschichte seit der Gründung im Jahr 1953 hat der Rat für Formgebung die Markender deutschen Industrie dabei unterstützt, ihrer Identität durch Design Ausdruck zu verleihen, getreu dem Motto: »Design macht Marken stark.«

Anspruch und Mission, Deutschland als eine der erfolgreichsten Designnationen im globalen Wettbewerb zu positionieren und zu fördern, haben sich seitdem nicht geändert, wohl aber Kontext und Bedingungen. Die Interaktionsmuster zwischen Marken und Kunden haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verändert, weil der technologische Fortschritt neues Nutzerverhalten und damit auch neue Geschäftsmodelle ermöglicht hat.

Prof. Alexander Wurzer, geschäftsführender Gesellschafter
der WURZER & KOLLEGEN GmbH

Die digitale Transformation als vierte Stufe der industriellen Revolution hat die westlichen Industrieländer mit voller Wucht erfasst und stellt für die Markenführung und das Design als Kommunikationsinstrument eine besondere Herausforderung dar. Was in der allgemeinen Wahrnehmung mit Desktop-PCs auf Büroschreibtischen begonnen hat, um Schreibmaschinen zu ersetzen, wurde bald lokal vernetzt und hat schon in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts die Arbeitsrealität, die Prozessabläufe und. die Wahrnehmung von Arbeit verändert. Mit der Etablierung des Internets wurde die Vernetzung global und in den 2000er Jahren wurde das Netz mobil, ubiquitär und immer verfügbar. Privat in Form von Smartphones in jedermanns Hosentasche und industriell als Internet-of-Things, greift das Netz Raum – öffentlichen wie privaten.

Die grundlegende, disruptive Kraft dieser Entwicklungen ist beruflich und privat für die Menschen zu spüren. Vor allem auch die enorme Geschwindigkeit, mit der sich dieser technologiegetriebene Wandel vor aller Augen vollzieht, verunsichert die Menschen nicht zuletzt in ihrer Eigenschaft als Verbraucher, Nutzer und Kunden. Der nächste absehbare Schritt ist das Verschwinden von Computern aus unserer Wahrnehmung. Rechenleistung und Kommunikationsfähigkeit werden eingebettet in unsere Umgebung und ständig verfügbar. Vom Scheinwerfer über die Küchenmaschine bis hin zur Dusche werden die Dinge um uns herum »smart« und die Vernetzung und Kommunikation ist kontinuierlich und kaum noch ein bewusster, mental-kognitiv gesteuerter Akt. Schon heute benutzen wir unsere Mobiltelefone, im Vergleich zu all den anderen Funktionen, nur noch ausnahmsweise für Sprachtelefonie – unsere Kinder vergessen fast schon, dass man mit diesen überhaupt telefonieren kann. Mit der Digitalisierung bahnt sich eine neue Herausforderung an, die den Unternehmen abverlangt, bewährte Markenidentitäten, stabile Interaktionsmuster und Markenerlebnisse auf überzeugende Weise in die digitalen Realitäten zu überführen und neue Erlebniswelten in Bezug auf ihre Marke zu kreieren.

Vom Scheinwerfer über die Küchenmaschine bis hin zur Dusche werden die Dinge um uns herum »smart« und die Vernetzung und Kommunikation ist kontinuierlich und kaum noch ein bewusster, mental-kognitiv gesteuerter Akt.

Prof. Dr. Alexander Wurzer, geschäftsführender Gesellschafter WURZER & KOLLEGEN GmbH

Die enorme Dynamik dieser Veränderung können wir auch beim noch jungen German Innovation Award beobachten. Der Award zeichnet gerade den Aspekt der Innovation von neuen Produkten aus, der im Gegensatz zu einer reinen technologischen Erfindung auch deren Kundennutzen und das dazugehörige Geschäftsmodell berücksichtigt. Diese neuen Geschäftsmodelle sind schon jetzt häufig digital und es ist zu erwarten, dass die Einreichungen in Zukunft zunehmend digitaler Natur sein werden. Die Digitalisierung macht vor keinem Industriezweig halt. Sobald es wirtschaftlich Sinn ergibt und ertragreicher Kundennutzen realisiert wird, dann wird auch digitalisiert. Dies hat eine direkte Auswirkung auf Marken, weil sie mit dem Kundenerlebnis verknüpft sind und das analoge Markenerlebnis nicht eins zu eins in die digitalen Welten übertragen werden kann.

Neue, kreative Lösungen sind also gefragt. Eine erfolgreiche Marke entwickelt ihre Stärke aus langfristiger, oft jahrelanger Begleitung der Kunden auf ihrer Customer Journey, auf der immer wieder positive Kundenerlebnisse produziert werden. Diese Erlebnisse mit der Marke dürfen daher nicht einfach von Konkurrenten kopierbar sein, sonst verliert die Marke ihre Einzigartigkeit und damit ihren Wert. Der Schutz von Marken, und mehr noch der Markenidentität an sich, ist nichts Neues für die erfolgreichen deutschen Unternehmen. Jedoch liegt in der analogen Welt der Fokus noch oft auf dem einseitigen Transport einer starren Markenbotschaft. Im Digitalen steht aber die Interaktion mit dem Kunden im Mittelpunkt, die Beziehung, die mit allen Sinnen erlebbar ist. Eben diese Interaktion muss für die Kunden durch Wiederholung zum Muster und einzigartig mit der Marke verknüpft werden. Hier entsteht also die Herausforderung, wie die grundsätzlich leicht imitierbare digitale Interaktion mit dem Kunden vor Nachahmung geschützt werden kann.

Schutz von digitalen Geschäftsmodellen

Die große Expertise deutscher Unternehmen in den Bereichen Marken-, Design- und Patentrecht ist unbestritten. Die Digitalisierung ist beim Schutz kreativer Lösungen jedoch für viele Unternehmen noch eine echte Herausforderung. Die Möglichkeiten zum Schutz von digitalen Geschäftsmodellen sind noch nicht ausreichend bekannt. So steckt die Nutzung von Digitalmarken und Digitalpatenten hierzulande noch in den Kinderschuhen. Dabei unterstützt auch die Entwicklung der Gesetzeslage Unternehmen beim Schutz neuer digitaler Geschäftsmodelle. Seit dem 14. Januar 2019 ist nämlich auch in Deutschland, wie zuvor schon auf europäischer Ebene, der Schutz von digitalen Kreativleistungen zum Beispiel durch Multimediamarken möglich, was für digitale Anwendungen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten eröffnet. Der Gesetzgeber eröffnet damit für alle Hersteller von Produkten, die mit Bildschirmanwendungen arbeiten, die Chance, ebendiese vor Imitationen zu schützen und prägende Kundenerlebnisse zu exklusivieren.

Planbarkeit der Digitalisierung

Damit das Wissensdefizit über die Schutzmöglichkeiten für digitale Geschäftsmodelle und Markenidentitätenin den deutschen Unternehmen überwunden wird, hat sich der Rat für Formgebung entschlossen, zusammen mit Phoenix Design, der GMK Markenberatung und dem Zentrum für internationale Studien zum geistigen Eigentum (CEIPI) an der Universität Strasbourg ein entsprechendes Fellowship Programm zu unterstützen. Die Zielgruppe des Fellowship Programms sind hervorragende Absolventen mit mindestens 3 Jahren praktischer Berufserfahrung in einem Industrieunternehmen, einer Agentur, einem Beratungshaus oder einem Dienstleistungsbetrieb aus den Bereichen Markenmanagement, Design, Technik/Patente oder Copyright-Management. Im Rahmen des Programms belegen die Teilnehmer den CEIPI Masterstudiengang in Intellectual Property Law and Management mit einer anschließenden Promotion, um ihr Wissen direkt für die Unternehmen verfügbar zu machen. Die Vernetzung mit den anderen Promovierenden und Industriepartnern stellt dabei die besondere Qualität des Programmes sicher. Dies trägt nicht nur dazu bei, dass relevante Themen bearbeitet werden, sondern auch dazu, dass die Forschungsergebnisse die Industriepraxis direkt und zügig verbessern können.

Das Ziel dieses Programms ist es, den Unternehmen Werkzeuge an die Hand zu geben, um systematisch und planbar ihre digitalen Geschäftsmodelle zu schützen. Damit unterstützt der Rat für Formgebung die deutschen Unternehmen aktiv, ihre bedeutende Innovationskraft in die digitale Realität zu transformieren und eine aktive Rolle als Gestalter der Digitalisierung zu übernehmen. Wir können uns darauf freuen, schon bald die Früchte dieses Förderprogramms als überzeugende Einreichungen beim German Innovation Award zu sehen.

www.german-innovation-award.de


Prof. Dr. Alexander J. Wurzer ist geschäftsführender Gesellschafter der WURZER & KOLLEGEN GmbH, ein Beratungsunternehmen für IP-basierten Geschäftsmodellschutz. Er ist Professeur Associé am Centre d’Etudes Internationales de la Propriété Industrielle (CEIPI) der Universität Strasbourg und leitet dort den Master-Studiengang für Intellectual Property Law and Management (MIPLM). Prof. Dr. Wurzer ist unter anderem der Obmann des DIN-Ausschusses DIN 77006 für die Qualität im IP Management. Er ist Vorstand des Deutschen Instituts für Erfindungswesen e.V. (DIE) und Sprecher des Dieselkuratoriums zur Verleihung der Rudolf-Dieselmedaille. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.


Zuerst erschienen im Katalog des German Innovation Award 2019. Beitragsbild: Quelle: Rat für Formgebung.

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