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Die 19. Internationale Architekturausstellung der Biennale di Venezia findet vom 10. Mai bis 23. November 2025 statt. Kuratiert von Carlo Ratti, Architekt und Leiter des Senseable City Lab am MIT, steht sie unter dem Leitthema „Intelligens. Natural. Artificial. Collective”. Im Fokus: Architektur als Werkzeug, das auf die großen Umbrüche unserer Zeit antwortet – ökologisch, technologisch und sozial.

Biennale di Venezia – „Intelligens. Natural. Artificial. Collective” | © La Biennale di Venezia 

Der Titel „Intelligens” – bewusst mit lateinischem „s“ – verweist auf einen erweiterten Intelligenzbegriff: Er meint nicht nur das Denken des Menschen, sondern auch das der Natur, der Maschinen und der Gemeinschaft. Diese Idee durchzieht die Ausstellung in drei thematischen Strängen: Natural Intelligence, Artificial Intelligence und Collective Intelligence. Ziel ist es, neue Formen des Wissens und der Gestaltung sichtbar zu machen, die sich jenseits traditioneller Kategorien entfalten. So wird „Intelligens” zum Bindeglied zwischen Architektur und gesellschaftlichem Wandel.

Architektur im Zeichen der Kreislaufwirtschaft

Ratti ruft alle Ausstellenden dazu auf, ein Manifest zur Kreislaufwirtschaft zu unterzeichnen. Wiederverwendbare Materialien, ressourcenschonende Prozesse und zirkuläre Gestaltung sollen nicht nur programmatisch verkündet, sondern konkret umgesetzt werden. Architektur wird so zu einem regenerativen System – materiell wie geistig. Auch Logistik, Energieversorgung und Transport wurden unter nachhaltigen Gesichtspunkten neu gedacht. Die 19. Biennale versteht sich damit als reale Erprobungsfläche für zukunftsfähige Ausstellungskultur.

Wärmebild München 2024 | © STRESSTEST, Foto: Gustav Goetze 
Anomalie der Oberflächentemperatur am 20. Juli 2022 | © STRESSTEST, Grafik: Josef Grillmeier 

Deutschland zeigt Hitze: Der Pavillon als Klimatest

Der deutsche Pavillon trägt den Titel STRESSTEST und thematisiert die zunehmende Überhitzung urbaner Räume als direkte Folge der Klimakrise. Die Kurator*innen Nicola Borgmann, Elisabeth Endres, Daniele Santucci und Gabriele G. Kiefer inszenieren eine physisch spürbare Konfrontation: Besucher:innen bewegen sich zwischen einem überhitzten Raum (STRESS), der die drängenden Probleme versiegelter Städte erfahrbar macht, und einem kühl temperierten Gegenraum (DE-STRESS), der als klimatischer Rückzugsort funktioniert.

Begleitet wird die Rauminstallation von einer poetischen Videoprojektion des Künstlers Christoph Brech, die die Fragilität unserer Umwelt auf sinnlich-abstrakte Weise reflektiert. Doch der Pavillon ist mehr als ein atmosphärisches Statement: Datengestützte mikroklimatische Simulationen flossen in die Planung ein – mit dem Ziel, konkrete Lösungsansätze für klimaresilientes Bauen aufzuzeigen.

Auch gestalterisch folgt das Projekt einem klaren Zukunftsanspruch: Der Pavillon wird solarbetrieben, die Materialien sind zur Weiterverwendung konzipiert. STRESSTEST ist damit nicht nur Analyse, sondern ein architektonischer Aufruf zum Handeln.

„Agency for Better Living”  – Gemeinschaftliches Schwimmbad, Wohnpark Alterlaa, Wien | Foto: Zara Pfeifer
„PORCH: An Architecture of Generosity”– Folsom, Alabama | Foto: Timothy Hursley

Wohnen, überleben, zusammenleben: Internationale Perspektiven

Der österreichische Beitrag „Agency for Better Living” untersucht am Beispiel von Wien und Rom, wie sozialer Wohnbau und das Weiterbauen von Bestehendem neue Lebensmodelle fördern können. Frankreich widmet sich dem Bauen in Krisen- und Konfliktzonen und erprobt temporäre Strukturen, während der US-amerikanische Beitrag „PORCH: An Architecture of Generosity” die Veranda als Ort der Gemeinschaft neu interpretiert. Alle Beiträge eint die Suche nach architektonischen Antworten auf globale Herausforderungen.

Mehrstimmig denken: Architektur als offenes Labor

Die Biennale 2025 versammelt über 750 Beiträge aus rund 60 Ländern – aus Architektur, Kunst, Technik und Wissenschaft. Sie versteht sich als Labor für neue Allianzen und experimentelle Formen des Bauens. Es geht nicht nur um Gebäude, sondern um Beziehungen – zwischen Menschen, Materialien und Systemen. Die Ausstellungen, Gespräche und Installationen spiegeln die Komplexität einer Welt im Wandel wider. Architektur wird dabei zum Medium des Dialogs – über Disziplinen, Kulturen und Kontinente hinweg.


Architekturbiennale Venedig 2025 – La Biennale di Venezia

Giardini della Biennale, Venedig

10. Mai – 23. November 2025

Eröffnung Deutscher Pavillon: 9. Mai 2025


Weiterhören: Design Perspectives-Podcast mit Carlo Ratti

Was die Architekturbiennale 2025 in kuratierter Form verhandelt, vertieft Carlo Ratti im Gespräch mit Martin Pauli im neuen Design Perspectives Podcast des German Design Council. Als Kurator der Biennale spricht Ratti dort über Architektur nicht als fertiges Objekt, sondern als offenen, oft unsichtbaren Prozess. Er erklärt, warum urbanes Planen heute zunehmend kollaborativ verläuft, weshalb sich das klassische Stadtbild wandeln muss – und wie Architekt*innen als Impulsgeber*innen realer Transformation wirken können. Der Podcast bietet so eine hörenswerte, persönliche Erweiterung der Biennale-Themen.


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