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Zu den Kerngedanken der Nachhaltigkeit gehören die Wiederverwertung, die Zweitnutzung und die Verlängerung der Lebensdauer in einem angemessenen Rahmen. Das gilt natürlich auch für Gebäude. Für den Schutz des Klimas ist es weniger sinnvoll, ein Haus für einen energieeffizienteren Neubau abzureißen, als es zu erhalten und umzubauen. Nachhaltige Baumaterialien tragen maßgeblich zu einer anhaltenden Wertsteigerung von modernisierten Bestandsbauten und zur Energie- und Ressourceneffizienz bei.

Von hicklvesting.

Gefragt sei eine kluge Umbaukultur, schreibt die Stiftung Baukultur in ihrem Baukulturbericht 2022/23, die die graue Energie oder vielmehr die grauen Emissionen existierender Bauten nutze und beim Weiterbauen auf den ökologischen Fußabdruck der verwendeten Materialien achte. Nur so sei im Bauwesen eine Nachhaltigkeit zu erreichen, die den Klima- und Umweltschutzzielen gerecht werde.

Rund zwei Drittel der Bauleistungen in Deutschland entfielen im Jahr 2020 auf Umbauten und Sanierungen von Wohngebäuden. Das erscheint zunächst viel, dennoch sind Abriss und Neubau noch zu oft die vermeintlich naheliegende Lösung im Umgang mit Gebäuden, deren Gestalt und Grundriss auf den ersten Blick nicht den gegenwärtigen Normen, der aktuellen Marktlage oder einer effizienten, ökonomischen Nutzung entsprechen. In den Hintergrund geraten dabei oft die Werte, Ressourcen und die graue Energie, die den Bauten seit ihrer Errichtung innewohnen. Als „Goldene Energie“ beschreibt die Stiftung Baukultur diese sinnstiftende Energie treffend.

Nachhaltige Verdichtung: Die Betriebskindertagesstätte der Deutschen Bundesbank wurde auf dem Dach der Tiefgarage des Frankfurter Büro Center (FBC) in Frankfurt am Main errichtet, © TEK TO NIK

Nachhaltig zu bauen bedeutet demnach, dass wir uns auf das zu fokussieren, was bereits besteht und uns schon längere Zeit dient. Die Zukunft des Bauens liegt in der Weiterentwicklung der Bausubstanz. Sie bietet ein architektonisches und ökologisches Potenzial des Reparierens und Weiterbauens, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Indem wir respektvoll mit dem Bestand umgehen, verlängern wir nicht nur seinen Lebenszyklus, sondern wahren auch die für die Menschen so wichtige lokale Identität und schreiben Geschichte(n) angemessen fort.

Nachhaltig verdichten

Um den wachsenden Wohnbedarf in den dicht besiedelten Städten nicht mit weiteren Neubauten zu bedienen und in die Breite zu wachsen, gilt es Höhen auszuloten, Flächen umzunutzen und Restflächen zu aktivieren. Und das schnell, möglichst störungsarm – quasi bei laufendem Betrieb – und umfassend mit nachwachsenden Rohstoffen. Leichte und flexible Holzkonstruktionen schaffen Raum, Naturdämmstoffe schützen zuverlässig vor Kälte und Hitze und im Ausbau verbessern Naturmaterialien das Raumklima und erhöhen den Wohnkomfort. Vorausschauend geplant und qualitativ hochwertig ausgeführt wird der Lebenszyklus eines sanierten Gebäudes fortgesetzt und Veränderungen am Bauwerk sind über längere Zeit nicht notwendig. So sind es vor allem die nachhaltigen Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen, die maßgeblich sowohl zu einer nachhaltigen Wertsteigerung von modernisierten Bestandsbauten und zur geforderte Energie- und Ressourceneffizienz im Bauwesen beitragen.

Mit nachhaltigen Baumaterialien ressourcenschonend bauen

Welche nachhaltigen Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen eignen sich nun vor allem für das Bauen im Bestand? Das kommt ganz auf den jeweiligen Altbau an. Grundsätzlich unterscheiden sich Bestandsbauten in Material und Konstruktion meist von den heutigen Neubauten. Sie wurden mit Baustoffen und Techniken erstellt, die im modernen Bauen mitunter nicht mehr existieren. Verwendet wurden hauptsächlich lokal verfügbare nachhaltige Baumaterialien vegetativen und mineralischen Ursprungs. Dazu gehören sowohl Natursteine und Lehm, als auch Ziegel, Kalk, Holz, Stroh sowie Reet. Diese Baustoffe verfügen über eine hohe baubiologische Qualität. So sind sie weitgehend frei von Schadstoffen, nehmen Feuchtigkeit aus der Umgebung auf und geben sie bei Bedarf wieder ab, sind diffusionsoffen und laden sich nicht elektrostatisch auf.

Der „livMats Pavillon“ im Botanischen Garten der Universität Freiburg zeigt eine nachhaltige, ressourceneffiziente Alternative zu konventionellen Bauweisen auf. Er stellt das erste Gebäude dar, dessen tragende Struktur ausschließlich aus robotisch gewickelten Flachsfasern besteht, einem Material, das natürlich, erneuerbar, biologisch abbaubar und regional verfügbar ist. Es handelt sich um ein Projekt von interdisziplinären Teams von Architekt*innen und Ingenieur*innen des Masterstudiengangs ITECH am Exzellenzcluster „Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC)“ der Universität Stuttgart und Biolog*innen des Exzellenzclusters „Living, Adaptive and Energy-autonomous Material Systems (livMatS)“ an der Universität Freiburg.

Nach wie vor punkten nachwachsende und natürliche Rohstoffe aus der Region mit ihren kurzen Transportwegen. Auch gebrauchte Bauteile, die nach dem Rückbau eines anderen Gebäudes statt deponiert wiederverwendet werden, sind eine Möglichkeit, ressourcenschonend zu bauen. Als „Urban Mining“ direkt vor Ort neu eingesetzt, entfallen auch hier die Transportwege. Je einfacher desto besser – fürs Bauen im Bestand eignen sich einfach verarbeitete Materialien, denn Verbundstoffe sind schwerer (oder nicht) zu trennen und wiederzuverwerten. Anerkannte Baulabels helfen, geprüfte nachhaltige Baumaterialien zu wählen.

Weiterbauen mit dem Multitalent Holz

Sowohl wirtschaftliche als auch zeitsparende, störungsarme und präzise Bauweisen sind gefragt, wenn es darum geht, Städte zu verdichten. Der Holzbau, vor allem der vorgefertigte und elementierte Holzbau, eignet sich besonders für das Bauen im Bestand und speziell für beengte urbane Bausituationen. Der Bauablauf ist durchgängig in hoher Präzision planbar und Bauvorhaben können weitgehend unabhängig von der Jahreszeit umgesetzt werden. Allerdings sind die Dimensionen der Bauteile auch von den örtlichen Gegebenheiten und Transportmöglichkeiten abhängig. Im Gegenzug ist die Baustelle vergleichsweise schnell einzurichten. Sollen Baulücken geschlossen oder Gebäude erweitert werden, reduziert ein schneller Bauprozess mit den vorgefertigten ­Bau­elementen die Belästigung der dicht ­bewohnten Umgebung.

Zur Umnutzung ehemaliger Produktions- und Bürogebäude lassen sich leichte Holzelemente in die vorhandene Raumstruktur einbringen und neue Funktionen realisieren. Sind die statischen Reserven der vorhandenen Tragstruktur für eine Aufstockung zu gering – wie es oft bei Wohnungsbauten der 1950er- und 60er-Jahre der Fall ist ­­– ertüchtigen flächig eingesetzte Brettsperrholz- oder Hohl­kastenelemente die oberste Geschossdecke und leiten die zusätzlichen Lasten in die bestehende Wandkonstruktion ab. Wandelemente in Holzrahmenbauweise oder als Brettsperrholz-Platte ermöglichen offene Räume und eine freie Grundrissgestaltung.

Nachhaltig und effektiv dämmen

Bei den Wärmedämmstoffen rücken jene nachhaltige Baumaterialien in den Fokus, die sich möglichst klimaneutral erzeugen lassen und eine im Vergleich mit konventionellen Baustoffen gute Dämmwirkung erzielen. Holz, Kork und Schilfrohr haben sich schon seit Längerem bewährt. Inzwischen sind Materialien wie Stroh, Hanf, Flachs, Wolle und Gras hinzugekommen. In der Regel lassen sich diese Dämmstoffe mit weit weniger Energie herstellen als Glas- und Steinwolle oder Polystyrol.

Alternativ zu WDV-Systemen mit Polystyrol bieten sich Dämmplatten aus Holzfaser oder Mineralschaum. Spezialplatten auf der Basis von Holzfaser weisen eine gute Dämmwirkung auf und lassen sich verputzen. Zwar sind sie schwerer als Polystyrol, lassen sich aber ähnlich gut verarbeiten. Im Holzbau sind Holzweichfaserplatten als Dämmstoff geeignet, da sie genügend Masse einbringen, klimaausgleichend und schalldämpfend wirken. Das komplette Dämmsystem mit Putz und Kleber ist als natureplus-zertifiziertes Produkt erhältlich.  

Naturdämmstoffe stammen überwiegend aus heimischer Land- und Forstwirtschaft oder können hier zukünftig gewonnen werden, sofern die Nachfrage zunimmt. Das bedeutet kurze Wege, mehr Unabhängigkeit von Importen und neue Chancen für den ländlichen Raum als Produktionsstätte und lebenswerter Umgebung.


Quellen:

fnr Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e.V.

Stiftung Baukultur: Baukulturbericht 2022/23 „Neue Umbaukultur“

Kaufmann, Hermann; Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Neues Bauen im Bestand, in: Bauen mit Holz. Wege in die Zukunft, München 2016.


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