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Die Digitalisierung als erste große Transformation ist noch im vollen Gange, schon wird sie von einer zweiten überlagert: Nachhaltigkeit. Das fordert nicht nur die Politik mit immer mehr Initiativen ein. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher wollen, dass Unternehmen sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltig handeln. Höchste Zeit für Unternehmen, die Erwartungen zu erfüllen – und nicht nur die Wertschöpfungsketten, sondern auch die Markenführung neu zu denken. Nur so schaffen sie es, eine relevante Rolle in der Gesellschaft einzunehmen.

Ein Gastbeitrag von:
Lukas Cottrell, Managing Partner, Peter Schmidt Group und
Michael Bütow, Leiter Markenführung, Deutsche Bahn AG

Was Marken leisten müssen, um als nachhaltig wahrgenommen zu werden

Um das Thema Nachhaltigkeit kommt heute niemand mehr drum herum. Im Gegenteil: Längst leben wir im Zeitalter der Dos and Don‘ts und müssen uns auf eine Zunahme an staatlichen Regulierungen einstellen: Die Zuckersteuer, zum Beispiel, ist im Vereinigten Königreich bereits eingeführt, die Abschaffung von Kurzstreckenflügen wird in Frankreich in Kürze erfolgen, der Plan von Norwegen, Verbrennungsmotoren zu verbieten, soll bereits ab 2025 umgesetzt werden. Das überrascht auch nicht: Die Politik steht für Menschen in der Pflicht, nachhaltige Lösungen zu schaffen und wenn nötig Unternehmen dazu zu zwingen, dass das Leben sozialer sowie umweltfreundlicher wird und die Wirtschaft als Kreislauf funktioniert. Bei der Beweissuche, ob Marken dann wirklich nachhaltig handeln, gehen Menschen sehr genau vor. Ungereimtheiten zwischen Gesagtem und Getanem lösen sofort einen Sturm der Entrüstung aus. Diese Veränderungen der Erwartungen an Unternehmen bedeuten also nicht nur, die Wertschöpfungsketten zu überdenken, sondern gleichermaßen die Markenführung und Kommunikation.

Ermöglichen Sie Ihrer Marke, eine Haltung zu haben

Menschen ist es heute wichtiger denn je, dass Marken eine klare Haltung einnehmen. Doch passt alles, was Menschen bewegt, zur Marke? Das erfahren Unternehmen nur dann, wenn sie sich damit beschäftigen, welche Werte sie unterstützen und welche sie verurteilen.

Die Deutsche Bahn verankert ihre Werte zu sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Themen deshalb nicht nur bereits im Geschäftsmodell. Sie sind auch klar in der Markenpersönlichkeit definiert. Das allerwichtigste dabei ist jedoch nicht nur die klare Definition. Um die Werte wirklich leben zu können, gilt es auch die Mitarbeitenden mit einzubeziehen: Haltung beginnt bei der internen Kommunikation, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu motiviert, das Leben der Menschen mit nachhaltigen Maßnahmen einfacher zu machen und die Gesellschaft mitzugestalten.

Die Deutsche Bahn geht die grüne Transformation werteorientiert an

Das überzeugt nicht nur junge Bewerberinnen und Bewerber. Auch Mitarbeitende, die 10, 20, 30 Jahre im Unternehmen tätig sind, stehen hinter den Werten, sind stolz darauf, ein Teil davon zu sein – und machen sie dann auch mit jeder Maßnahme nach außen sichtbar. Diese innere Überzeugung der Marke und der Menschen, die mit ihr arbeiten, machen es Unternehmen möglich, an unterschiedlichsten Diskursen teilzunehmen – dabei aber immer authentisch zu bleiben. Auch bei ungeplanten Ereignissen, wenn es darum geht, in Echtzeit, aber angemessen und markentypisch zu reagieren.

Berücksichtigen Sie Diversitäts- und Inklusionsthemen

Better Brands Studie
In der Studie „Better Brands 2021“ der Peter Schmidt Group erhalten Statements zu sozialen Aspekten der Nachhaltigkeit die höchste Zustimmung. © Peter Schmidt Group

Ob Unternehmen Diversität und Inklusion im Alltag leben, ist für Menschen besonders wichtig. Hinterfragen Sie den Auftritt ihrer Marke auf tradierte Rollen und Klischees und berücksichtigen sie Gender- und Rassismus-Themen sowie Barrierefreiheit im Design.

Auch das Logo kann dabei ein Sprachrohr sein. Hätte man früher noch gesagt, es ist das wertvollste Element einer Marke und daher unberührbar, betrachten wir das heute als überholt. Denn gerade, weil es das stärkste Element ist, hat es die größte Kraft, um sozialen Gruppen eine Stimme zu geben. Aber eben nur, wenn die Veränderung keine Kampagne ist, sondern die Haltung des Unternehmens abbildet.

Sie erinnern sich sicher an die Maßnahme zahlreicher Unternehmen zur LGBTIQ+-Bewegung und wie diese ihr Logo in Regenbogenfarben einfärbten. Einige haben es gemacht, weil andere es vormachten. Die Deutsche Bahn hat dazu im Vorfeld einen internen Diskurs geführt. Das Ergebnis: Die Bahn färbte ihr Logo ein, nicht um Teil eines Kampagnentrends zu sein. Sondern weil die Mitarbeitenden eine offene Gesellschaft ohne Diskriminierung im Unternehmen leben.


„Auch wenn das Regenbogen-Logo inflationär gebraucht wurde, wir haben das trotzdem gemacht. Weil alle dahinterstehen. Wir setzen damit ein klares Zeichen – intern und extern.“

— Michael Bütow


Diversität und Inklusion hört beim Logo natürlich nicht auf. Inwieweit sich die Deutsche Bahn für die Vielfalt in der Gesellschaft einsetzt, zeigt sich gleichermaßen an so subtilen Markenelementen wie einem digitalen Avatar, der alle Menschen anspricht und nicht nur bestimmte Geschlechter.

Belegen Sie die Markenwerte durch transparente Kommunikation

DB Smile

Der Chatbot DB Smile der Deutschen Bahn kommuniziert geschlechterneutral. © Deutsche Bahn AG

Kommunikative Statements sind das eine. Echte Maßnahmen das andere. Menschen werden hellhörig, wenn Unternehmen nachhaltiges Handeln propagieren. Sie setzen sich hin und prüfen wirklich an allen Touchpoints, ob das auch stimmt. Je undurchsichtiger die Kommunikation dann ist, desto lauter sind die Vorwürfe des Greenwashings.

Das ist auch richtig so. Transformation geht nicht über Nacht. Und Marken, die eine starke Haltung haben, werden sich so oder so Vorwürfen aussetzen müssen. Es geht darum, diese kritischen Botschaften zuzulassen und darauf angemessen zu reagieren. Statt sie zu ignorieren, müssen sich Marken mit den Fragen der Menschen auseinandersetzen.

Wie offen und ehrlich Kommunikation sein kann, zeigt der jährliche Fair-Report von Tony’s Chocolonely. Ob Niederlagen oder Gewinne, Tony’s Chocolonely lässt einen ziemlich genauen Blick hinter die Kulissen zu. Und das für jeden gut verständlich.

Tony’s Chokolonely legt die Unternehmensstrategie und -gewinne für alle offen.


„Unternehmen müssen heute beweisen, dass sie nachhaltig handeln. Das geht nur mit vollständiger Transparenz.“

— Lukas Cottrell


Begreifen Sie Marke als Plattform für soziale Gruppen

Marken werden längst als Teil der Gesellschaft betrachtet. So wird von ihnen auch erwartet, dass sie soziale Gruppen aktiv unterstützen. Wie es zum Beispiel Nike tat: Das Unternehmen stellte sich mit seiner Kampagne an die Seite von Ex-NFL-Spieler Colin Kaepernick und teilte damit seinen Protest gegen die Unterdrückung von People of Colour in den USA. Die Wirkung, wie Sie sicher mitverfolgen konnten, ließ nicht lange auf sich warten. In den sozialen Medien veröffentlichen Menschen brennende Nike-Schuhe, der Aktienkurs sank und das Unternehmen musste sich wie auch Kaepernick unpatriotisches Verhalten vorwerfen lassen.

Und dennoch ist Nike ein Gewinner. Obwohl das Unternehmen einen Teil seiner Kunden verlor, hat es für den anderen Teil sehr wohl bewiesen, wie wichtig dem Unternehmen seine eigenen Werte sind – und die Menschen, die sie ebenso vertreten. Das erhöhte nicht nur die Glaubwürdigkeit der Marke, sondern auch am Ende den Umsatz um etwa 10 Prozent.

„First the @NFL forces me to choose between my favorite sport and my country. I chose country. Then @Nike forces me to choose between my favorite shoes and my country. Since when did the American Flag and the National Anthem become offensive?“

Sean Clancy auf Twitter

Trotz ablehnender Reaktionen auf die Kampagne mit Colin Kaepernick bleibt Nike seiner Haltung treu.

Wandeln Sie Markenarbeit in Wertearbeit um

Diese und weitere Beispiele zeigen, wie die nachhaltige Transformation Markenarbeit verändert. Um für Konsumenten relevant zu bleiben, müssen sich Marken ganz neu erzählen: indem sie eine Haltung ermöglichen, ihre Wertschöpfungskette vollständig offenlegen, ihre Lösungen konkret machen und die Nachhaltigkeit ihres Angebots nachvollziehbar vermitteln. Das sind die Faktoren, nach denen Menschen gute von besseren Marken unterscheiden.

Das ausschlaggebende wird am Ende jedoch nicht nur das Handeln nach Werten sein. Marken werden auch zeigen müssen, was ihnen ihre Haltung wert ist. Wieviel sind sie bereit für ihre Haltung zu riskieren? Wie weit würde die Marke gehen, um für ihre Werte einzustehen? Es zeigt sich, je konsequenter Unternehmen sind, desto wertvoller und relevanter werden sie für Menschen.

Die Autoren

Michael Bütow (Deutsche Bahn, links), Lukas Cottrell (Peter Schmidt Group). © Deutsche Bahn, Peter Schmidt Group

Lukas Cottrell
Managing Partner, Peter Schmidt Group

Lukas Cottrell ist diplomierter Volkswirt und besitzt weitreichende Erfahrungen in der Entwicklung zukunftsgerichteter Strategien, die Marken transformieren und Märkte bestimmen. Bei der Peter Schmidt Group verantwortet er unter anderem die Etats von Deutsche Bahn, Mercedes-Benz, Nivea, BASF, KfW sowie der DZ BANK und gewährleistet eine strategisch fundierte Markenentwicklung.

Michael Bütow
Leiter Markenführung, CD/CI, Geschäftsführung Marketingboard, Deutsche Bahn AG

Michael Bütow verfügt über 20 Jahre Marketingerfahrung in unterschiedlichen Branchen, unter anderem bei Siemens und o2. Er verantwortet konzernweit den Markenauftritt der Deutschen Bahn. Seine Mission: die Marke modernisieren und wieder stärker an die Menschen heranführen.


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