Städte tragen entscheidend zum Klimawandel bei. Gleichzeitig sind sie vor allem aufgrund ihrer Lage und baulichen Strukturen besonders von dessen Auswirkungen betroffen. Während die Bevölkerung in Städten nach wie vor wächst, schrumpfen die verfügbaren Ressourcen und bezahlbarer Wohnraum ist extrem knapp.
Von hicklvesting
Angesichts der Fülle der Herausforderungen könnten wir kapitulieren. Doch vielerorts reagieren nicht nur die Fachplaner*innen, sondern auch verschiedenste Initiativen mit mutigen Konzepten und entwickeln innovative Lösungen. Dabei mag manche Maßnahme angesichts der Komplexität der Aufgabe auf den ersten Blick zu klein erscheinen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass sie die Potenziale des jeweiligen Ortes als Teil des Gesamtorganismus Stadt erkannt haben und nutzen, um zielführende Impulse zu setzen. Die folgenden Projekte aus den diesjährigen ICONIC AWARDS: Innovative Architecture zeigen exemplarisch, mit welchen Initialmaßnahmen sich Veränderungsprozess hin zu lebenswerten, ressourcenschonenden und funktionierenden Städten einleiten lassen.
Kreative Flächennutzung: Herausforderungen der Urbanisierung mit neuen Konzepten begegnen
Als Metropole am Meer ist Rotterdam sowohl vom steigenden Meeresspiegel als auch von Starkregen mit Überschwemmungen bedroht. Schutz vor den Umweltauswirkungen sucht man interessanterweise auf den über 18 Quadratkilometern Dachfläche der Hafenstadt. Die könnten begrünt werden, um das Stadtklima zu verbessern, Versickerungsflächen für Regenwasser und grüne Oasen für die Bewohner*innen sowie Insekten zu schaffen. Eine neue Perspektive auf die Stadt zu ermöglichen und auf das enorme Potenzial der ungenutzten Dachflächen aufmerksam zu machen, war das Ziel des sogenannten „Rooftop Walk“, einer 600 Meter langen und knapp 30 Meter hohen begehbaren Brücke vom niederländischen Architekturbüro MVRDV. Die Initiative „Rooftop Walk“ will auch über die Stadtgrenzen Rotterdams hinaus andere Metropolen zum Umdenken und wirksamen Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels anregen, indem sie grüne Ausgleichsflächen für versiegelte Böden und raren Grund schaffen.
Wie urbane Grünräume von Beginn der Planung an integrativer Teil des Gebäudekonzepts sein können, vermittelt eindrucksvoll das ungarische „New Museum of Ethnography Budapest“. Das Architekturbüro Napur Architect überzeugte mit seinem mutigen Konzept und setzte sich im Wettbewerb gegen Größen wie Zaha Hadid durch. Rund 60 Prozent des Museumsbaus liegen unter der Erde. Während die beiden kurzen Seiten oberirdisch herausragen und eine sanfte Kurve formen, vermittelt die Mitte auf Bodenniveau zwischen Stadt und Park. Auf der großen Dachlandschaft entstand ein lebendiger urbaner Treffpunkt mit Rasenflächen, Büschen, blühenden Pflanzen und Bäumen wie auch verglasten Öffnungen für Einblicke ins Innere des Museums, Treppen(sitz)stufen und Bänken mit Aussicht auf Budapest.
Innovative Antworten und Potenzialerkennung: Projekte für lebenswerte und nachhaltige Städte
Das Potenzial eines Ortes mit seiner spezifischen Geschichte zu erkennen und als Basis für eine zukunftsgewandte Revitalisierung zu nutzen, ist dem „1895 War Memorial Park“ in Taoyuan City gelungen. Er verwandelt brachliegende Flächen in ein neues, 31,5 Hektar großes urbanes Zentrum, das die Bedürfnisse einer wachsenden Stadt nach Erholungsräumen erfüllt. Üppige Schattenbäume blieben erhalten, Sitzbereiche mit natürlicher Versickerungs- und Retentions-Sitzbereiche wurden integriert und eine Vielzahl von Spiel- und Fitnessbereichen eingewoben. Ein bisher als Barriere empfundener Bewässerungskanal erhielt Plattformen für Aktivitäten auf dem Wasser und neue Wege, um die Zugänglichkeit zu verbessern. Mittels einer kreisförmigen Brücke, die gleichzeitig als Gedenkstätte dient, können sich Fußgänger frei zwischen den durch eine Straße getrennten Räumen bewegen und den Park als Ganzes wahrnehmen. Das integrative Konzept verbindet nahtlos die natürliche Landschaft mit den Erholungselementen und schafft einen vielseitigen Freiraum, der Menschen aller Altersgruppen anspricht.
Auf die Frage „Wie lassen sich die Urbanisierung und die daraus resultierende Baudichte mit dem Bedürfnis der Menschen nach Regeneration in Einklang bringen?“ fand das Landschaftsarchitekturbüro Redland-scape aus Bangkok eine überzeugende Antwort. Deren Konzept „Sierra Sathorn“ kreiert einen vielschichtigen öffentlichen Raum mit üppigen Grün-, Sport- und Freizeitflächen zwischen den Gebäuden und auf deren Dächern. Communitygärten sorgen für Begegnung, grüne Terrassen und Wasserbasins für ein gutes Microklima. Die naturorientierte Landschaft in der Stadt wirkt gegen Hitzeinseln und lässt die Bewohner*innen die Artenvielfalt im dichten Großstadtdschungel entdecken.
Für einen globalen Paradigmenwechsel
Die Metropolen der Welt, geprägt von Klimawandel, Bevölkerungswachstum und begrenzten Ressourcen, reagieren auf diese Herausforderungen mit innovativen und visionären Ansätzen. Projekte wie der „Rooftop Walk“ in Rotterdam, das „New Museum of Ethnography Budapest“, der „1895 War Memorial Park“ in Taoyuan City oder das Konzept „Sierra Sathorn“ von Redland-scape zeigen, dass eine ganzheitliche Betrachtung urbaner Räume entscheidend ist. Diese Initiativen nutzen das ungenutzte Potenzial von Dachflächen, integrieren Grünflächen von Anfang an in die Architektur, revitalisieren Brachflächen und schaffen vielschichtige öffentliche Räume. In ihrer Abstraktion dienen sie nicht nur als lokale Lösungen, sondern auch als Inspirationsquellen für einen globalen Paradigmenwechsel hin zu nachhaltigen und lebenswerten Städten.
Einen Überblick zu allen Projekten der ICONIC AWARDS 2023: innovative Architecture erhalten Sie in der Online-Galerie.
Mehr auf ndion
Weitere Artikel zum Thema Architektur und Nachhaltigkeit.
Diese Seite auf Social Media teilen: