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Bruno Sacco hat das Mercedes-Design in den Jahren von 1975 bis 1999 geprägt. Viele der Modelle, die unter seiner Ägide entstandenen sind, zählen heute zu den Klassikern der Marke. Nun wird Bruno Sacco 90 Jahre alt.

Von Thomas Wagner

Sacco betrachtet den „190″ als eines seiner besten Designs © Daimler Media

Bruno Sacco gehört zu den prägenden Automobildesignern des 20. Jahrhunderts. Als Person ebenso wie in seiner Funktion als Konstrukteur und Designer, verkörpert er geradezu exemplarisch die erfolgreiche Verbindung aus deutscher Ingenieurleistung und italienischer Designkunst, die Mercedes-Benz über Jahrzehnte so erfolgreich gemacht hat und den Ruf der Marke mit dem Stern bis heute trägt. Von 1975 bis 1999 hat er, erst als Chefstilist, später als Chefdesigner, für das Erscheinungsbild der Marke verantwortlich gezeichnet. Ein äußeres Zeichen dafür, wie prägend Sacco über fast ein Vierteljahrhundert gewirkt hat, sind die zahllosen Preise, mit denen er ausgezeichnet wurde. Nur zwei seien herausgehoben: 2006 wurde er in die „Automotive Hall of Fame“ in Dearborn, 2007 in die „European Automotive Hall of Fame“ in Genf aufgenommen.

Design kann keine technischen Mängel kompensieren

Saccos Grundsatz, die ästhetische Qualität eines Produkts könne niemals mangelnde technische Qualität kompensieren, trennt Styling von Design. Und kennzeichnet die wohl ausgewogene Symbiose aus Technizität und Ästhetik, die im Grunde alle seine Entwürfe prägt. Nichts ist zu viel, kein Detail wirkt unnötig überfrachtet. Funktionalität ist für ihn ebenso wenig Selbstzweck wie das Glasperlenspiel mit extravaganten Karosserieformen. Wäre da nicht die unübersehbare Eleganz stimmiger (und aerodynamisch optimierter) Linienführung, man könnte geneigt sein, seine Entwürfe als sachlich zu beschreiben. Indem es Sacco (etwa bei Modellen wie dem 560 SEC (C 126) oder dem 190er, dem „Baby Benz“ (W 201)) glänzend gelungen ist, Funktion und Form zu einem stimmigen Ganzen zu verschmelzen, ist er dem Ideal nahegekommen, technische und formale Innovation im Passgang voranschreiten zu lassen. Überzeugendes Karosseriedesign, Leichtbauweise, Sicherheit und aerodynamische Effizienz ersetzten jede Art von Zierrat – was Sacco eindeutig als einen Modernen kennzeichnet. Postmoderne Spielerein aller Art sind nie seine Sache gewesen. Weshalb die nüchterne Eleganz seiner Entwürfe dem wetterwendischen Zeitgeist weit weniger huldigte als ihm selbstbewusst etwas hinzuzufügen, das in die Zukunft wies. In einer Branche, in der die Modellentwicklung (zumindest damals) einen Vorlauf von vielen Jahren hat, durchaus ein Kunststück. Allein bei der Gestaltung der S-Kasse (W140) ab 1991, die aufgrund ihrer Ausmaße und ihres recht massigen Auftretens zu Recht kritisch diskutiert wurde (damals waren andere Modelle im Vergleich viel zierlicher als heute), geriet das Ganze aus dem Gleichgewicht.

Mercedes C 126 © Daimler AG

Konstrukteur und Designer

Skizzenhaft stellt sich sein Werdegang wie folgt dar: Geboren wird Bruno Sacco am 12. November 1933 in Udine. Nach seiner Schulzeit in Tarvisio und Udine sammelt er schon während seines Studiums am Polytechnikum in Turin bei Ghia praktische Erfahrungen in der Gestaltung von Karosserien. In der Folgezeit realisiert er Auftragsarbeiten für Ghia und Pininfarina. 1958 beginnt Sacco als Designer und Konstrukteur bei Daimler-Benz. Die Tatsache, dass er nicht nur Designer ist, sowie die reichhaltigen Erfahrungen, die er unter der Leitung von Karl Wilfert, Friedrich Geiger und Béla Barényi sammeln kann, lassen erahnen, weshalb seine späteren Entwürfe nichts mit bloßem Styling gemein haben. Er ist an Projekten wie dem 600er (W100) und am Pagode-Roadster 230 SL (W113) beteiligt. Auch für die rollenden Versuchslabore, die Sportwagen-Studien C 111/1 und C 111/2 ist er verantwortlich.

Ab1970 leitet Sacco die Abteilung der Karosseriekonstruktion und Maßkonzeption. Fünf Jahre später wird er Oberingenieur und Nachfolger von Friedrich Geiger, der bis dato die Hauptabteilung „Stilistik“ geführt hatte; 1978 avanciert Sacco dann zum Leiter des Fachbereichs Stilistik; 1987 zum Direktor des Bereichs Design. Zu seinen bedeutendsten Leistungen zählen die S-Klasse-Modelle der Baureihen 126, 140 und 220, der bereits erwähnte „Baby-Benz“, der zeitlose SL-Roadster der Baureihe 129, die A-Klasse und der SLK, den er schmunzelnd das „Gute-Laune-Auto“ nennt.

Mercedes C 111 © Mercedes

Perfekte Seitenlinie, gelungene Front, schönes Heck

Was seine eigenen Top 3 – das schönste Heck, die gelungenste Front und die für ihn perfekte Seitenlinie – der Modelle aus seiner Ära bei Mercedes-Benz angeht, so hat Sacco klare Präferenzen: Die schönste Front besitzt für ihn der C 126, das große, ab 1981 wieder auf der S-Klasse basierende Coupé (das Bruno Sacco auch selbst fährt). Die perfekte Seitenlinie (vor allem, wenn das Dach geschlossen ist) hat für Sacco der R 129, die fünfte Generation der SL-Klasse, die 1989 Innovationen wie den automatischen Überrollbügel oder den Integralsitz auf die Straße brachte. Und das Heck? Wahrscheinlich ist es das des Ende 1982 vorgestellten und in fast 1,9 Millionen Exemplaren gebauten 190ers (Tarnname USHIDO) mit seinem erkennbaren „Diamantschliff“.

„Ein Mercedes-Benz“, hat Sacco einmal gesagt, „muss aussehen wie ein Mercedes-Benz. Das war tatsächlich immer mein Leitsatz. Nicht nur das. Ich tat mein Bestes, dass es auch so war. Es war mir wichtig, dass man schon im Rückspiegel erkannte: Da kommt ein Mercedes-Benz näher. Und, ebenso wichtig: eine harmonische Modellentwicklung. Der Nachfolger durfte den Vorgänger nie wirklich alt aussehen lassen.“ Dass es ein simples Detail ist, das im Alltag mit seinem Namen verbunden ist, kann der große Autodesigner Bruno Sacco, der am 12.11. seinen 90. Geburtstag feierte, getrost mit Humor nehmen: Noch heute werden die schützenden seitlichen Beplankungen der Mercedes-Fahrzeugen der 1980er und 1990er Jahre liebevoll „Sacco Bretter“ genannt.

W 201 ab 1988 mit Sacco-Brettern

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